Little Big Planet
Als frisch gebackener PS3-Besitzer war ich im Frühjahr dieses Jahres erst einmal damit beschäftigt potenziell interessante Titel zu sondieren. Nach einiger Zeit fiel mir das vorher unbekannte Little Big Planet durch diverse Trailer ins Auge. Zuerst wurde ich aus dem wilden Gewusel nicht recht schlau, doch nach Sichtung einiger weiterführender Gameplay-Videos und entsprechender Berichte, musterte sich LBP über die kommenden Monate zu meinem einzigen must-have Titel für diesen Winter. Im Oktober erschien dann noch eine Beta die diesen Eindruck weiter festigte und viel Spielspaß und Dauermotivation versprach. Seit einigen Tagen vergnüge ich mich nun mit der Vollversion und möchte hier meine Eindrücke schildern und bestätigen warum LBP tatsächlich einer der wichtigsten Titel Sonys in diesem Jahr ist und ein einziger Triumphzug für die kleine britische Softwareschmiede Media Molecule.
Little Big Planet unterteilt sich in drei Hauptaspekte: Play, create und share, also spielen, erschaffen und teilen.
Wie das Intro auf eine charmante Art und Weise vermittelt, ist LBP eine Traumwelt, die Hauptpersonen sind kleine zusammengenähte Stoffpuppen, Sackboys bzw. Sackgirls genannt. Diese sind eine der genialsten Schöpfungen der Videospielgeschichte, sind sie doch süß und dank Kostümen zudem individuell anpassbar und steuerbar. Das Steuerkreuz steuert die Emotionen in drei Stufen, nach oben gedrückt wird der Sackboy fröhlich, nach unten traurig, links fürchtet er sich und rechts wird er wütend. Das Steuerkreuz einmal nach oben gedrückt und Sackboy schenkt uns ein nettes Grinsen, Steuerkreuz drei Mal nach rechts gedrückt und Sackboy ballt seine kleinen Hände zu Fäusten und schaut ganz grimmig. Die Hände werden bei gedrückten Schultertasten gesteuert, Kopf und Hüfte lassen sich mit der Sixaxis-Funktionalität steuern. Wenn man in den Levels voranschreitet findet man zudem Kostüme, vom Stoff aus dem die Sackboys genäht sind über die Augenform bis hin zur Kleidung und den in der Hand gehaltenen Gegenständen lässt sich beinahe alles anpassen.
Das Gameplay verhält sich wie bei einem klassischen 2D Jump n' Run, der Bildschirm scrollt seitlich weiter. Hinzu kommen drei Ebenen die mit Hilfe des linken Analogsticks gewechselt werden. So springt, hangelt und rennt man durch die Levels.
Klingt reichlich unspektakulär, im Jahr 2008 muss es ein besonderes Gameplayelement geben. Das ist hier die Physik: Alle Objekte verhalten sich nicht unbedingt realitätsnah aber doch nachvollziehbar. Feuer, Gas und Elektrizität töten die Sackboys. Läuft Sackboy auf Eis den Hügel hinauf, tut er sich sichtlich schwer, auf dem Weg nach unten und einem beherzten Sprung gleitet er blitzschnell davon. Die maximal vier Sackboys in einem Spiel können sich gegenseitig beeinflussen, mit der R1-Taste können sie sich gegenseitig greifen und umher ziehen, sie können sich über Abgründen aneinander festhalten und können schwere Gegenstände zusammen bewegen.
Auf dem Weg durch die Levels müssen Schalter umgelegt, Gegenstände an andere Orte gezogen, tiefe Abgründe überwunden, Feinde durch einen Sprung auf ihr Gehirn getötet und riesige Maschinen wie Flugzeuge gemeistert werden. Dazu kommen Fallen die die Sackboys aufspießen, mit Hilfe von Jetpacks können sie weit entfernte Orte erreichen und gewisse bewegliche Objekte müssen zu größeren Sprüngen genutzt werden.
Feinde bestehen aus einem Gehirn das die Sackboys berühren müssen, um den Feind auszuschalten, manche haben auch mehrere. Zudem sind die Monster mit allerlei Fallen wie Stacheln oder Giftgas bestückt.
Um Punkte zu erhalten sammeln die Sackboys Punkteblasen ein, jeweils fünf Stück kurz hintereinander ergeben einen zweifach bis maximal 100-fachen Mutiplikator. Zudem sind Preisblasen in den Leveln verteilt die neue Kostüme, Sticker und Gegenstände für den Editor freischalten. Sticker und Dekorationen sind ein weiterer Punkt die Level zu gestalten. Per Pop-it-Menü lassen sich die Sticker fast beliebig in der Welt und auf den Sackboys verteilen, auch Dekorationen wie Federn oder Sterne lassen sich so einsetzen.
Media Molecule liefert über acht Themengebiete jeweils drei Storylevel mit, dazu kommen pro Gebiet zwei oder drei Bonuslevel, die man durch Finden von gut versteckten Schlüsseln in den Storyleveln freischalten muss.
Hier zeigen die Entwickler was die Engine und der Editor drauf haben. In Sachen Spielbarkeit, konsistentem Design und Kreativität gehören die Level zum besten und spaßigsten was ich je in einem Videospiel erleben durfte. Dabei hätte man die Level sogar noch strecken können ohne dass es wirklich nach Streckung ausgesehen hätte, so groß ist die Vielfalt. Von den Gärten die wie ein Tutorial aufgebaut sind und wo man noch hauptsächlich auf dem Boden über ein paar einfach Gegenstände hüpft, geht es auf eine Weltreise die einem stets neue Ideen serviert. In Afrika schwingt man durch die heimische Tierwelt, in Südamerika geht es in düstere Höhlen wo man sich die dynamische Beleuchtung zunutze machen muss um Fallen rechtzeitig zu erkennen. Bei den Lowridern in Nordamerika liefert man sich Wettrennen, in Japan absolviert man eine luftige Ninjaausbildung, in Indien kämpft man sich durch prächtige Tempel, während man in der Eiswelt von Russland schließlich den Endgegner stellt.
Die Story wird dabei nur über Textblasen in den Leveln vermittelt und spielt im Grunde wie bei Super Mario keine große Rolle, verbindet lediglich die Gebiete halbwegs sinnvoll.
Man hat es an der Aufzählung oben sicher schon bemerkt, Abwechslung wird groß geschrieben in LBP. Es ist nur ein Jump n' Run, aber die Entwickler haben sich wirklich die größte Mühe gegeben stets neue Elemente einzuführen. Im Magiertempel beispielsweise lösen sich Steine plötzlich unter den eigenen Füßen auf, in Japan muss man anhand einer altertümlichen Flugmaschine navigieren, in Südamerika einen Hund der für Beleuchtung sorgt herumführen, in der Wildnis sehr aggressiven und starken Gegnern und ausgeklügelten Fallen ausweichen. Der Schwierigkeitsgrad steigt dabei kontinuierlich an, wobei Jump n' Run-Erfahrene gut durchkommen werden. Gerade in den späteren Leveln wird man aber durchaus einige Male neu starten müssen wenn man alle Gegenstände einsammeln möchte. In den Leveln sind sehr regelmäßig Checkpunkte verteilt die drei Leben, manche auch sechs Leben zur Verfügung stellen. Sind alle aufgebraucht, muss man von vorne beginnen. Ein neues Portal gewährt drei neue Leben, ein altes das man wieder aktiviert merkt sich die bereits aufgebrauchte Zahl an Leben.
Am Ende der Level werden die erzielten Punkte zusammengezielt und die Zahl der eingesammelten Objekte errechnet. Um alle Objekte einsammeln zu können, braucht man mindestens einen weiteren Durchlauf mit zwei Spielern. Zum einen weil man manchmal Sticker braucht um bestimmte Bereiche zu öffnen, diese Sticker sammelt man allerdings oft erst in späteren Leveln. Außerdem gibt es Zwei-Spieler-Herausforderungen die sich nur zu zweit, in späteren Leveln auch nur zu viert lösen lassen. Sammelt man alle Gegenstände in einem Level oder verliert kein Leben gibt es weitere Bonusgegenstände.
Für einen Durchgang wird ein durchschnittlicher Spieler ca. 8 Stunden brauchen, wenn man alle Objekte sammeln möchte, kann man locker 20 Stunden und weit mehr mit dem Spiel verbringen.
Ein weiterer herausragender Punkt ist die künstlerische Gestaltung der Levels. Da gibt es keine Symmetrie und kaum normale Gegenstände, alles ist von Hand zusammengebastelt, interaktiv, bewegt sich, ist mit abgefahrenen Stickern versehen, gibt komische Laute von sich. Am Baum hängen statt Früchten Preisblasen, Büffel fahren auf Rollen, Drachen bestehen komplett aus Feuern und schießen elektrisierte Rollen. Stoffwürfel sind gepunktet und mit Stickern beklebt, manche Gegenstände sind übergroß, andere viel zu klein.
Das Artdesign ist im Grunde reines Chaos und erzeugt doch ein konsistentes, überzeugendes Erscheinungsbild. Selten etwas so beeindruckendes gesehen. Das weiter zu beschreiben ist schwierig, der geneigte Leser möge sich anhand von Videos selbst ein Bild machen.
Technisch ist das Spiel sehr überzeugend, die Texturen der Objekte sind sehr scharf, die Sackboys sind hervorragend animiert, Feuer und andere Explosionen sind schön in Szene gesetzt. Slowdowns habe ich in der Kampagne nie bemerkt, es lief stets flüssig auch mit einem lokalen zweiten Spieler.
Manchmal verheddert sich ein Sackboy unwiderruflich in Objekten, dann hat man die Möglichkeit sich zurückzusetzen, verliert dabei aber ein Leben. Passiert ist das einmal, außerdem gab es einen Bug bei dem ein Bossgegner nicht ganz zerstört wurde und das Level nicht beendet werden konnte. Beim zweiten Durchgang war alles in Ordnung.
Der Sound ist gelungen, die Level sind alle sehr atmosphärisch und passend untermalt, teilweise sind richtige Ohrwürmer dabei. Die Sackboys geben nur beim Sterben Laute von sich. Stephen Fry ist der Sprecher der englischen Version und macht seinen Job ausgezeichnet, führt charmant im Stil eines Dokumentarsprechers durch die erste Schritte und Funktionen und kommentiert auch die Editortutorials. In der deutschen Version übernimmt diese Aufgabe Christian Brückner, die deutsche Stimme von Robert deNiro. Für meinen Geschmack klingt er zu sehr nach Märchenonkel, dennoch ist das Spiel gut lokalisiert.
Custom Soundtracks werden nicht unterstützt, ansonsten hat man an alles gedacht. Trophäen sind verfügbar, Spieler die mit einsteigen können ein Profil wählen und somit ihre Fortschritte speichern, keine Beschwerden hier. Eigenen Fotos lassen sich über die Playstation-Eye-Kamera aufzeichnen.
Kommen wir zu den weiteren Bestandteilen von LBP, die da wären Erschaffen und Teilen. Zusammengehalten wird das Spiel von einem Menü in der Raumkapsel in der die Sackboys ins Spiel einsteigen. Dort hat man Zugriff auf die drei Planeten, der linke stellt die Community-Anbindung ans Internet dar. Dort kann man seine Freunde und das eigene Profil verwalten, Statistiken betrachten, etc. Im mittleren Planeten hat man Zugriff auf den Storymodus und die erstellten Level der User. Im rechten Planeten befindet sich der Editor. Hierauf weiter einzugehen würde den Rahmen sprengen, nur soviel: Alle mitgelieferten Herstellerlevel wurden mit dem Editor erstellt und schon die Beta hat gezeigt wie mächtig er ist. Alle wichtigen Funktionen werden anhand gut gemachter Tutorials erklärt, allerdings muss man diese beim ersten Mal spielen und kann sie nicht überspringen. Die Bedienung läuft per Pop-it-Menü ab und funktioniert auch zu zweit sehr gut, mit Maus und Tastatur hätte man natürlich Vorteile, aber wir sind eben auf einer Konsole. Über den Editorplaneten lassen sich die eigenen Level auch veröffentlichen.
Die Raumkapsel selbst lässt sich wie alles andere im Spiel natürlich individuell mit Stickern und Dekorationen gestalten.
Die Integration der Onlinekomponente ist für ein Konsolenspiel als revolutionär zu bezeichnen und macht in ihrer Struktur auch dem PC Konkurrenz. Alles ist einfach erreichbar und sinnvoll ins Spiel integriert. Userlevel erreicht man über den mittleren Planeten, nach dem Durchspielen bewertet man sie anhand von Tags wie "schlecht", "brillant" usw. Kommentare können ebenso hinterlassen werden. Highscores werden automatisch hochgeladen und mit anderen Usern verglichen. Wenn es der Ersteller nicht verbietet, lassen sich die Level auch jederzeit auf der eigenen Festplatte speichern und im Editor weiterverarbeiten. Bis zu vier Spieler können online und lokal gemischt ein Level bestreiten.
Wer die Beta gespielt hat weiß wie viel großartige Level mit den dort begrenzten Möglichkeiten schon entstanden sind. So ist anzunehmen dass die Community mit den Möglichkeiten der Vollversion eine große Menge erstklassiger Level erzeugen wird, die einem Spielspaß für Monate bringen werden. Dabei gibt man sich nicht mit simplen Jump n' Run-Leveln zufrieden, sondern versucht auch Bosskämpfe, andere Spiele und Spielideen nachzubauen, mal mit Erfolg, mal ohne. Natürlich funktioniert dort nicht alles, natürlich gibt es unfaire Stellen, aber wenn man dann mal wieder Meisterwerke wie einen Shadow of the Colossus-Nachbau spielen darf, ist sowas schnell vergessen. Es wird interessant sein wie die Community versuchen wird die Entwickler zu übertreffen.
Fazit:
Little Big Planet ist eine wahre Spielspaßbombe geworden, das lässt sich schon nach dem perfekt spielbaren und wunderbar gestalteten Storymodus festhalten. Doch ist das erst der Anfang, die Community wird über die kommenden Monate zeigen wohin die Reise noch gehen wird, der Fantasie sind jedenfalls kaum Grenzen gesetzt.
LBP ist für mich das wichtigste, kreativste und schönste Spiel des Jahres. Wird sich das Spiel schlecht verkaufen ist die Schuld diesmal nicht bei der Industrie, sondern bei den Spielern selbst zu suchen. Lasst euch nicht von der kinderfreundlichen Präsentation abschrecken, hier ist eines dieser Spiele nach dem gerade die älteren Spieler, bei denen früher alles besser war, immer rufen. Ich drücke die Daumen, das Spiel hat es mehr als verdient!
Wer noch keine PS3 besitzt oder noch unschlüssig ist, für den ist LBP ein ganz gewichtiges Argument, in der Art und Weise ist das Spiel plattformübergreifend einzigartig.