Also lieber "sichere" AKWs und nicht hier abreißen und im Nachbarland aufbauen und dann den Strom importieren -.-
dann ist atomenergie mit abstand die beste lösung......is halt so......
Ich weiß, dass das jetzt OT wird, aber ich kann das an der Stelle so nicht ganz stehen lassen.
Gerade die "Eastern Design vs. Western Design" Diskussion ist nicht richtig.
Anfangen möchte ich mit dem deutschen Ausstieg. Gerne wird insistiert, ein Comeback der Kernenergie stehe auch in Deutschland bevor. Das ist nicht korrekt. Denn ein Comeback setzt voraus, dass es jemals einen Boom gegeben hätte. Doch den gab es ja stets nur auf dem Papier. Die Prognosen der IAEO, die ich an der Stelle immer gerne nenne, wurden ja bis zum Jahr 2000 um nicht weniger als 11/12 verfehlt. Jede vage Neubauentscheidung wird daher frenetisch bejubelt. Einen Boom sehe ich da weniger. Hätte es ihn gegeben, würde die Diskussion heute sowieso nicht mehr geführt werden, weil die dann installierten 4.450.000 MW (eine unglaubliche Zahl) schon fast alle Reserven "gefressen" hätten.
Für Deutschland ist der Weg, wie schon oft angesprochen, bereits seit
1994 von der Regierung Kohl versiegelt und verschlossen. Ich nenne das an der Stelle deswegen wieder, weil ja sonst immer gegen die bösen Grünen gewettert wird. Aber nein, die (vernünftige) Novellierung des Atomgesetzes setzte eine Schwarz-Gelbe Regierung durch. Davon hört man in der aktuellen Diskussion, d.h. von Politikern, nie etwas. Auch unsere aktuellsten Konvoi KKWs genügen der Novellierung* nicht; der Betrieb wird durch eine Zusatzklausel (= fetter Teil) für bereits bestehende Anlagen ermöglicht. Das hier eine Änderung durchgesetzt wird, ist in keinem Szenario vorstellbar, weil das natürlich einen totalen Glaubwürdigkeitsverlust mitsichbringen würde.
die leistungen von AKWs bewegen sich um 2000 bis 5000MW.
Desweiteren möchte ich an der Stelle anmerken, dass gerade die Leistungsriesen, wie der "neue, alte EPR", keine modernen Konzepte sind, sondern unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten verwässerte, zarte Updates insbesondere der Konvoi Linie sind. Mehr dazu in einem späteren Abschnitt.
Durch das (leider viel zu spät eingestandene) Scheitern des Traums vom geschlossenen Brennstoffkreislauf durch schnelle Brüter (hier wurde ähnlich der Leichtwasserlinie verfahren; obwohl die nackten Zahlen und Betriebserfahrungen lange vorlagen, wurden die Prognosen immer nur scheibchenweise angepaßt), sehe ich in der Kernenergie keine langfristige Option. Die enormen Kosten, die dann in verzweifelten Versuchen, wie dem mehrfach neu designten EPR mit nun 1600MW elektrisch, münden, zeigen mir auch keine mittelfristige Lösung. Deutschland nimmt mit dem novellierten Atomgesetz sowieso eine Sonderrolle ein, bei uns geht es nur noch um Laufzeitverlängerungen nach amerikanischem Vorbild. Sollten Diese durchgesetzt werden, wird allerdings jede Diskussion um die bösen Kraftwerke in Osteuropa -sofern sie es nicht schon ist- ad absurdum geführt. Ich würde es dann als Farce bezeichnen, sich z.B. über weitere Rechanellingpläne von RBMK Anlagen zu beschweren. Denn der große Unterschied ist tatsächlich deutlich kleiner als gedacht (gerade dieser Typ hat aufgrund seiner geringen Leistungsdichte z.B. in Station-Blackout Szenarien teils deutliche Vorteile).
ihre schrottige Sowjettechnik aufzubauen,
Noch mal ganz konkret zum Thema Sicherheit und den bösen, bösen Anlagen im Osten. Ich muß hier auf das Äußerste widersprechen. Die KKWs in Osteuropa werden gerne dämonisiert, um unsere Anlagen im besseren Licht erscheinen zu lassen. Das ist nicht korrkt.
Gerade unsere Leistungsriesen sind nicht wirklich modern. Moderne Konzepte fußen auf deutlich geringeren Leistungsdichte, die es zum Einen erlauben, mehr auf passive Sicherheit zu setzen und größere Zeitfenster bei Problemen erlauben. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit liegen diese Konzepte aber (außer eben in Osteuropa und Rußland!) auf Eis.
Zunächst zum RBMK; denn hier kommt man nicht weiter, wenn man nicht den Betriebszustand und Auslegung der Anlage betrachtet. Vor allem darf man nicht den Fehler machen und "RBMK pre 1986" mit "RBMK post 1986" vergleichen. Irrsinnigerweise waren alle konzeptionellen Änderungen, die die Havarie verhindert hätten, schon einige Zeit vor eben Dieser bekannt. Schließlich gab es genügend Vorgängerereignisse, sprich Reaktivitätsstörfälle. Wahr ist: Im unteren Leistungsbereich neigen die RBMKs -und hier meine ich speziell in der Konfiguration vor 1986- zu sehr unangenehmen Verhalten.
Der in Tschernobyl eingesetzte Zweitgeneration-RBMK war nun also im damaligen Betriebsregime (unterschrittene Reaktivitätsreserve, fortschreitende Xenon-Vergifung bei niedrigem Leistungsniveau, deutlich zu großer Kühlmitteldurchsatz und fatale Konstruktion des Steuerstabsystems), besonders kurz vor der Havarie, mit einem Void-Effekt von 5 Beta natürlich ein wahres Pulverfaß, keine Frage. Nach der Havarie wurden sehr schnell entsprechende Gegenmaßnahmen in *allen* RBMK Anlagen durchgeführt, die nicht nur den Reaktor, sondern auch die Betriebsvorschriften betrafen. Für die Erstgeneration-RBMKs kamen zusätzlich große Modifkationen im Notkühlsystem hinzu (welches de facto hier gar nicht existierte, sondern über das Notspeisewassersystem realisiert war). Hinzu kamen für diese Generation partielle Sicherheitseinschlüsse mit Naßkondensator.
Diese Nachrüstungen haben die Situation *erheblich* entschärft. Der Void-Effekt ist heute im Betrieb negativ bis höchstens leicht postiv, und verändert sich vor allem mit zunehmendem Abbrand nicht mehr wesentlich nach oben.
"Schon kurz nach dem Unfall wurden konstruktive Maßnahmen ergriffen, um den positiven Voideffekt zu reduzieren, [...]. Die Tabelle zeigt, daß der positive Voideffekt inzwischen bei den meisten Anlagen im Bereich von (0,8 ± 0,2) Beta liegt. Die Größe des Voideffektes wird im Reaktorbetrieb regelmäßig alle 200 Betriebstage ermittelt und überprüft" [Der Unfall und die Sicherheit der RBMK-Anlagen, GRS 1996]
"The reduction of the positive steam reactivity coefficient at the Ignalina NPP, from +4.5b to +1b,[...]" [Ignalina Source-Book]
Und genau da komme ich zum Kern der Sache. Die heutigen RBMKs sind durchaus mit unseren KKWs vergleichbar. Sie haben in Teilbereichen sogar Vorteile, vor allem durch die extrem niedrige Leistungsdichte, was bei Problemen bezgl. der Kernkühlung sehr hilfreich ist und ein deutlich größeres Zeitfenster ermöglicht. Ich denke schon, dass ich mir gerade bezgl. des RBMK hier ein Urteil erlauben kann, interessiert er mich doch so, dass ich mich intensivst mit diesem Typ und seiner Auslegung beschäftigt habe.
"Safety Analysis for Nuclear Power Plants of VVER and RBMK Types" (8. April 2002 Kiev)
The most likely initiating event, which probably leads to the loss of long term cooling accident, is station blackout. The analysis of the station blackout was performed using the RELAP5/MOD3.2 model of Ignalina NPP reactor (Anmerkung: Ein RBMK Typ, 2. Generation) primary circuit and plant safety systems. The results of analysis showed that approximately half an hour after beginning of the accident, Drum Separators (DS) become empty. One hour later, the dry-out in the core starts. It causes the heating-up of fuel elements and Fuel Channels (FC) tubes. Acceptance criterion for FC tube walls will be reached approximately 2.5 hours after beginning of the accident. Since the pressure in the MCC is close to the nominal value, the possibility several fuel channels rupture is not excluded. However, these results also showed that there is a considerable time interval for the operator's actions directed forwards the restoration of the core cooling.
Demgegenüber stehen die deutlich höheren Emmissionen, die Brandgefahr durch den "Graphithaufen", sowie die desolate finanzielle Situation.
Aber es gibt in Osteueropa ja noch andere KKW-Typen. Und auch die halten einen Vergleich durchaus stand. Dabei spreche ich besonders vom WWER 440/213, der ja in einem Fall sogar nach Westeuropa exportiert wurde und in Sachen Kernkühlung und seiner ebenfalls relativ geringen Leistungsdichte durchaus Vorteile hat. Zwar hat auch die 213er Ausführung kein Volldruckcontainment, doch ist klar, das ein Solches in Tschernobyl nichts verhindern hätte können**.
Insofern ist der Blick gen Osten durchaus mit größter Vorsicht zu genießen. Generelle Kritik ist angebracht, aber die gilt dann in gleichem Umfang auch für unsere Anlagen.
Und da wird es ja noch "besser". Das bestehende Wirtschaftlichkeitsproblem (dabei rede ich nicht von bereits abgeschriebenen Anlagen, die die Energieversorger gerne nach amerikanischem Vorbild bis zum St. Nimmerleinstag laufen lassen würden), führt so bisweilen zu einer recht paradoxen Situation. Der Osten könnte ("könnte" deswegen, weil seit Jahren noch viele Baustellen eingemottet sind) uns in Sachen Sicherheit tatsächlich
mit Nachdruck überholen.
Denn deutlich sicherere und modernere Konzepte (u.a. AP-600/800) liegen seit Jahren in der Schublade, weil sie bei mindestens gleichen Kosten nur rund die Hälfte der elektrischen Leistung aufweisen. Am ehesten wird wohl tatsächlich der WWER 640 realisiert (als VPBER-600 und NP-500), sowie der MKER-800. Womit dann die durchaus pikante Situation entstünde, dass in Osteuropa und Rußland *deutlich* überlegene Reaktortypen existierten; vor allem gegenüber dem unsäglichen EPR, dessen Leistung verzweifelt auf das Doppelte der ursprünglichen Auslegung erhöht wurde - und der so entgegen den ersten Planungen nun auch voll auf aktive Sicherheit setzen muß.
Wenn es zur Realisierung dieser drei Typen in Osteuropa und Rußland kommt, fällt die gerne vorgenommene Glorifzierung auch unserer Anlagen -gerade mit dem abschätzigen Blick nach Osteuropa- tatsächlich in sich zusammen. Bliebe "nur" noch die Sicherheitskultur. Hier bezweifel ich gar nicht, dass wir da Vorteile haben, aber wie groß sind sie letztlich wirklich? Wird unter wachsendem Preisdruck nicht auch hier geschludert werden? Schon heute wird ja angeregt, bei Revisionen mehr und mehr sogenannte Referenzmethoden anzuwenden, um Zeit zu sparen.
Anmerken möchte ich noch, dass es in solch komplexen Systemen immer wieder zu Situationen kommen wird, an die zum ersten mal gedacht wird, wenn sie geschehen. Das ist kein besonderes Manko der Kernenergie, kann hier aber fatal sein. Auch bei einem wassermoderierten Leichtwasserreaktor. Menschliche Fehlleistungen wird es zudem immer geben und auch in einem Umfang, der nicht durch Computersysteme abgefangen wird. Der Zettel über dem Zustand der Sperrventile -als eigentlicher Auslöser der dortigen Havarie- in Harrisburg oder z.B. die fehlende Warnung bei Unterschreiten des ORM in Tschernobyl.
Ich will damit nun wirklich keine Panik schüren, wehre mich aber gegen die S/W Sicht, gerade in Bezug auf "western design vs. eastern design", zumal wie gesagt auch in Osteuropa genügend Druckwasserreaktoren stehen.
Spätestens an dieser Stelle wäre der Havarieschutz komplett angelaufen und hätte die Katastrophe verhindert, aber er war ja abgeschaltet.
Ein früher ausgelöster Havarieschutz (AZ-5) hätte in diesem instabilen Betriebsregime nur noch früher zur Katastrophe geführt. Der genaue Ablauf in den letzten Sekunden, nach dem Abtrennen des Turbosatzes, ist bis heute nicht ganz geklärt. Ich gehe davon aus, dass AZ-5 vom System selbst ausgelöst wurde. Mindestens zwei Ansprechkriterien waren zu dem Zeitpunkt der Auslösung erfüllt (niedrige Reaktorperiode und schneller Anstieg der thermischen Leistung). Meiner Meinung hat Toptunov das Signal nur dubliert.
An diesem Punkt war aber das Kind aber wie gesagt sowieso schon in den Brunnen gefallen. Mit dem Auslauf der vier als Last am Turbosatz 8 hängenden KP wurde der KM-Durchsatz weiter verringert und da mit der (zunächst linearen) Leistungssteigerung auch der hydraulische Widerstand der Druckrohre steigen muß, schaukelt das System sich nun selbst auf, bis die HKP, auch die, die am Turbosatz 6 von Block 3 hängen, dann völlig sperren.
Hätte man die Havarie vor der Abtrennung des letzten Turbosatzes noch verhindern können? Herr Medwedew meint in seinem Buch "Verbrannte Seelen - Die Katastrophe von Tschernobyl" dazu: "[...] Man hätte den Versuch kategorisch abbrechen müssen, das Notkühlsystem (Anm.: war aus Angst vor hydraulischen Schlägen abgetrennt) und die Notstromdiesel in Betriebsbereitschaft nehmen und so die Stromversorgung im Falle eines totalen Spannungsabfalls absichern müssen. Sodann hätte man die Reaktorleistung stufenweise bis zum Stillstand absenken
und um jeden Preis das HS-Signal verhindern müssen, da diesem die Explosion folgen mußte. Aber diese Chance wurde nicht genutzt. Die Reaktivität des Reaktors fiel langsam weiter [...]".
Gruß
Denis
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§7, Absatz 2a: "Bei Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen, die der Erzeugung von Elektrizität dienen, gilt Absatz 2 Nr. 3 mit der Maßgabe, daß zur weiteren Vorsorge gegen Risiken für die Allgemeinheit die Genehmigung nur erteilt werden darf, wenn auf Grund der Beschaffenheit und des Betriebs der Anlage auch Ereignisse, deren Eintritt durch die zu treffende Vorsorge gegen Schäden praktisch ausgeschlossen ist, einschneidende Maßnahmen zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen außerhalb des abgeschlossenen Geländes der Anlage nicht erforderlich machen würden; die bei der Auslegung der Anlage zugrunde zu legenden Ereignisse sind in Leitlinien näher zu bestimmen, die das für die kerntechnische Sicherheit und den Strahlenschutz zuständige Bundesministerium nach Anhörung der zuständigen obersten Landesbehörden im Bundesanzeiger veröffentlicht.
Satz 1 gilt nicht für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, für die bis zum 31. Dezember 1993 eine Genehmigung oder Teilgenehmigung erteilt worden ist, sowie für wesentliche Veränderungen dieser Anlagen oder ihres Betriebes".
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[...]Western specialists claimed after the Chernobyl accident that the catastrophic consequences of this accident were caused because an absence of the containment of the Chernobyl reactor. However, it is clear that there is no such containment in the world hat can sustain to such explosion. [...] [The Chernobyl Reactor: Design Features and Reasons for Accident - Mikhail V. MALKO] (Anm.: Das Wort "absence" ist hier etwas irreführend: Der havarierte Block4 in Tschernobyl gehörte zur zweiten RBMK Generation und hatte ein sogenanntes Störfall-Lokalisierungssystem mit Naßkondensation - das ist der Bereich, in den nach der Havarie ein großer Teil des Brennstoffes als Lava geflossen ist)
Gruß
Denis