Ich sehe das so: Neckermann hat beim Einstellen des Preises einen Fehler gemacht, OK. Fehler sind menschlich. Wäre als nächste Reaktion auf die Bestätigungsmail ein Schreiben oder eine Mail so nach dem Motto "Entschuldigung, uns ist ein Fehler unterlaufen, wir fechten vorsorglich den noch nicht zustande gekommenen Kaufvertrag wegen Irrtum an!" - das wäre eine korrekte Reaktion gewesen, so hat es Vobis gemacht. Neckermann hat ein hochmodernes Warenwirtschaftssystem, welches selbständig erkennt, wann die Bestellmenge den Restbestand übersteigt und dann automatisch auf "ausverkauft" schaltet und weitere Bestellungen unterbindet. Spätestens jetzt hätte irgendwo eine Art Warnmeldung auftauchen müssen, ich kann mir nicht vorstellen, dass das System nicht auch auffällige Vorgänge erkennt - z.B., wenn innerhalb weniger Stunden ein Artikel, der eigentlich zu einem Preis nahe der unverbindlichen Preisempfehlung angeboten wurde, in riesigen Mengen geordert wird, teilweise auch mehrere Artikel pro Person (Wer bestellt schon für sich selbst zehn Digitalkameras? Das passiert nur, wenn der Preis so niedrig ist, dass man sichergehen kann, die Geräte problemlos mit Gewinn weiterverkaufen zu können). Diese Warnmeldung hat es aber nicht gegeben bzw. sie kam viel zu spät.
Ich finde jedenfalls blöd, was dann passiert ist: Neckermann hat einen Teil seines Bestandes tatsächlich zu diesem Preis geliefert, allerdings ist kein richtiges Muster erkennbar - man kann also nicht sagen "Wer bis xx:yy Uhr auf Rechnung bestellt hat, wurde auch beliefert.", vielmehr geschah die Lieferung eher willkürlich. Spätestens zu dem Zeitpunkt, wo die ersten Leute das Gerät zu dem Preis in der Hand hielten (Versand dauert ja auch einen Tag), hätte Neckermann reagieren und - angesichts der wohl recht hohen Zahl wartender Kunden - zumindest sein Serviceteam (Telefon und Internet) mit einer Art Rundschreiben über die korrekte Reaktion auf Anfragen zum Thema "A 640" reagieren sollen. Stattdessen wurde man mit den unterschiedlichsten Infos versorgt ("Wenn Sie die Lieferbestätigung haben, kriegen Sie auch die Kamera!", "Das Teil ist ausverkauft, Lieferung in vier Wochen!", "Das Produkt ist nicht mehr im Programm!") - und, zumindest in meinem Fall, von der kostenpflichtigen Hotline teils ziemlich arrogant behandelt, trotz freundlicher Nachfrage. Die absolute Krone hat sich Neckermann aber mit dem Stornierungsschreiben ("Wir wollen Sie nicht warten lassen!") aufgesetzt: Wie ganz am Anfang gesagt, Fehler passieren und sind entschuldbar. Aber man sollte schon zu ihnen stehen! Das erst auf wiederholte Anfrage plötzlich eine nachvollziehbare Erklärung im E-Mail-Postfach landete, ließ mich denken: Warum nicht gleich so?
Allerdings ist das sicher kein Einzelfall, und wer immer den tollsten Schnäppchen nachrennt und bei seinen Kaufentscheidungen nur nach dem Preis geht, soll sich nicht wundern, wenn der Service auf der Strecke bleibt. Die meisten Firmen steigen aus Kostengründen auf externe Callcenter um, wie es z.B. gerade bei der Telekom geschieht. D.h., die Service-Leute im Callcenter arbeiten für mehrere Firmen und haben mit den Unternehmen direkt wenig zu tun, sitzen halt vor einer Art Datenbank und bearbeiten Anfragen. Die Mitarbeiter dieser Call-Center werden meist deutlich schlechter bezahlt als Mitarbeiter der betreuten Unternehmen und können sich dann auch entsprechend schlecht mit ihnen identifizieren. So kann es auch mal länger dauern, bis ein Problem von der Versand- bzw. Finanzabteilung bis zum Service vorgedrungen ist. Da die Chance, zweimal hintereinander denselben Gesprächspartner an die Strippe zu bekommen eher gering ist, wird man dort dann halt mit irgendwelchen Geschichten abgespeist, die dem Rechtsverständnis der jeweiligen Servicekraft entsprechen - was wollen die auch sagen ohne Weisung des Unternehmens.
Mein Fazit: Ganz schwaches Bild, was Neckermann da liefert - aber mit der Nichtlieferung musste man angesichts des Preises schon rechnen. Einen Brief - in dem ich nicht die Kamera fordere, sondern deren Krisenmanagement kritisiere - habe ich denen noch geschrieben, aber mehr mache ich auch nicht, unsere Gerichte sind schon genug überlastet und können das Wort "Rechtsschutzversicherung" sicher längst nicht mehr hören.
Gruß Hannibal,
dessen Handycam damit eine höhere optische Auflösung behält als seine alte Digicam