Es gibt einige hier im Forum die irgendwas mit Produktion zu tun haben. Vielleicht auch Metallbearbeitung, Maschinenbau oder ähnliches. Wir kennen die derzeitige Situation.
Ja es gibt Schwierigkeiten und Verzögerungen.
Auch wenn ich hier im Forum ein unbeschriebenes Blatt bin und dieser Thread wirklich vollkommen aus den Fugen geraten ist und für solche Diskussionen eigentlich gar nicht vorgesehen ist, will ich dann auch mal aus dem Nähkästchen plaudern. Ich arbeite als Entwicklungsprojektleiter in der Medizintechnik und habe tagtäglich mit der angespannten Marktsituation zu tun.
Lieferzeiten von Rohstoffen und Einkaufsteilen erhöhen sich aktuell ohne große Vorankündigung schnell mal um einige Wochen, manche Chips haben aktuell Lieferzeiten von 64 und mehr Wochen (normal wären 12 Wochen), Metallteile, die wir von Zulieferern früher innerhalb von 2 Wochen erhalten haben, bekommen wir jetzt nach 12 Wochen, teils unangekündigt verspätet oder gar nicht. Gleichzeitig sind die Auftragsbücher der Zulieferer komplett voll, was viele dazu verleitet, ihre Preise deutlich zu erhöhen und sich bevorzugte Kunden auszusuchen. Sowas kann schnell zum Streit führen oder auch, dass Kunden sich gegenseitig mit höherer Zahlungsbereitschaft ausstechen wollen.
Ein weiteres Problem, das wir in der Medizintechnik haben und von dem ich annehme, dass auch Watercool und andere Hersteller darunter leiden: Die im Vergleich mit anderen Industriezweigen geringen Stückzahlen. Wenn wir von einem Gerät 1000 Stück fertigen, ist das riiiichtig viel, oftmals sind es nur ~100 Stück pro Jahr. Bei BMW fallen quasi schon beim Testlauf der Bänder 1000 Stück raus, nur mal so zum Vergleich.
Lieferanten bevorzugen aktuell Kunden, die verlässlich große Stückzahlen zu anspruchsvollen Preisen abnehmen. Zumindest wir in der Medizintechnik müssen ganz schön verhandeln, um überhaupt beliefert zu werden. Selbst wenn wir Verträge mit Lieferanten haben, kommen sie denen teils einfach nicht nach. Klar hätte man vor Gericht Chancen, aber dann ist der Lieferant verbrannt und man muss einen neuen qualifizieren, was noch schwerer ist, als die Kröte zu schlucken.
Kundenmanagement ist eine große Herausforderung. Wir haben Produkte angekündigt, es gibt bereits Kaufverträge mit Kunden, Krankenhäuser und Operationsräume sind im Bau und im kritischen Bauabschnitt sind wir nicht lieferfähig, weil unsere Lager leer sind und unsere Lieferanten ihren Lieferverpflichtungen nicht nachkommen. Dann können schnell hohe Pönalen (=Strafzahlungen) fällig werden, ganz zu schweigen vom Verlust des guten Rufes. Ich vermute, dass wir mit ~2000 Mitarbeitern deutlich größer als Watercool sind. Unsere Marketing- und Verkaufsabteilungen sind voll ausgelastet damit, Kunden zu vertrösten und Lieferungen der wenigen vorhandenen Waren so zu verteilen, dass der geringste Schaden entsteht. Wenn ich mir vorstelle, dass Watercool für den Job evtl. nur einen Mitarbeiter hat, der neben Kundenmanagement noch andere Aufgaben hat, kann ich nur sagen, dass ich nicht in seiner Haut stecken möchte.
An alle hier kann ich appellieren: Solange die Marktsituation dermaßen angespannt ist, muss man einfach Nachsicht mit Firmen haben, die nicht liefern und evtl. auch suboptimal kommunizieren. Sie tun alle ihr bestes, aber vieles fällt dabei dennoch runter.
PS: Ich will noch kurz den Bogen zur Entwicklung zu schlagen, in der ich ja arbeite. Ich habe die Laufzeiten meiner Projekte der Marktsituation entsprechend anpassen und den Termin für die geplante Marktfreigabe für neue Produkte deutlich später ansetzen müssen, als ich es sonst getan hätte. Das führt bei uns dazu, dass eine Lieferlücke von mehreren Monaten zwischen altem, nicht mehr verfügbaren Produkt und neuem, noch nicht verfügbarem Produkt entstehen wird. Verkauf und Marketing wissen davon teilweise noch gar nichts, hier wird aktuell im höheren Management beraten, wie man damit umgehen soll. Das ganze wird also erst in den nächsten Monaten richtig spannend. Audi scheint ähnliche Probleme zu haben und hat vor kurzem mal eben die Modelle A1 und Q2 aus dem Programm genommen.
