Ich möchte hier mal an den legendären Regisseur Sam Peckinpah (1925-1984) erinnern, den "Picasso of Violence". Oftmals angefeindet wegen seiner ausufernden Darstellung von Gewalt, ist es doch niemals die pure Lust an sinnlos dargestellter Gewalt um der Gewalt willens, sondern immer auch ein Blick auf die Gewalt, die in uns allen innewohnt und sich ihren Weg an die Oberfläche bahnt, wenn man sie frei lässt oder die Umstände es erfordern.
1969 brachte er THE WILD BUNCH in die Kinos, den bis dato, und auch heute noch, gewalttätigsten Western aller Zeiten. Anders als früher mit sauberen, strahlenden Helden der Pionierzeit, wie sie John Wayne verkörperte, sah man hier die schmutzige und hässliche Seite. Direkt zu Beginn wird klar gemacht, wo der Weg hinführen wird, wenn der desillusionierte Pike Bishop (der großartige William Holden - Die Brücke am Kwai) und seine Bande gestrauchelter Ex-Militärs für ihren nächsten Banküberfall in einem verschlafenen Nest die bigotte Stille in einer unvergleichlich inszenierten Szene aus Blei in Verbindung mit einem Fenster (viel Glas, ihr wisst schon) und Zeitlupe zerbricht.
Die Marschrichtung ist klar: In einer Welt, in der sich Gewalt nur mit Gegengewalt einen Weg erobern kann, werden Pike und seine Bande untergehen müssen.
Und dieser Weg ins Ende lässt dem geneigten Zuschauer bis heute die Augen überquellen, denn so wie Peckinpah hier am Ende alles buchstäblich zerfetzen lässt, gab es in dieser Intensität, diesem meisterhaften Level aus Zeitlupe, Schnitt, Choreografie und Sogwirkung noch nie zuvor - und auch danach nur noch eher selten.
Zum Schluss dieses zeitlosen Meisterwerkes, wenn die Sonne trügerisch scheint und sanfte Klänge ertönen, bleibt nur die Erkenntnis: Amerika ist ein zutiefst gespaltenes Land, in dem man entweder alles erreicht oder alles verliert, wenn man seinen Platz nicht mehr zu finden weiß. Eigentlich nicht nur in Amerika, aber dies ist ein anderes Thema.
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1971 brachte STRAW DOGS - WER GEWALT SÄT, einen beunruhigenden Blick wie sich die Gewalt in den Alltag normaler Menschen bricht. Wenn Dustin Hoffman gegen degenerierte Landstrolche zurück schlägt, dann ertappt man sich auch immer dabei, dass das, also seine Figur, man auch selbst sein könnte. In bester "Home Invasion" Manier wird die Spannungsschraube kontinuierlich angezogen und hält insbesondere im Schlussteil so einige drastische Momente parat.
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1972 kam THE GETAWAY mit dem unvergessenen "Man of Cool", Steve McQueen und der supersüßen Ali MacGraw als Gangsterpärchen in die Kinos und schockte erneut mit seiner drastischen Darstellung von Gewalt, aber vor allen Dingen der Nichtbestrafung eines gegen den Staat und seine Gesetze handelnden Pärchens. Eine, für Peckinpah Verhältnisse, schon fast leichtmütige Ballade, in der Neuzeit spielend, die stets unverhohlen aufzeigt, bei wem Sams Herz hing: Bei den Outsidern. Und damit auch bei mir.
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Beenden werde ich mit PAT GARRETT JAGT BILLY THE KID, 1973 startend, in welchem James Coburn als Pat Garrett hinter Kris Kristofferson als Billy the Kid hinterher jagt. Nahm Peckinpah in THE WILD BUNCH sein geliebtes Amerika noch auseinander, so zeigt er sich hier versöhnlicher, wenngleich auch hier, in vielen Momenten wunderschön ästhetisch nur über Bilder und die Musik transportiert, immer auch die Sehnsucht nach einer Welt ohne die Menschen auseinander zerreißende Gewalt mitschwingt. Doch auch hier findet niemand seinen Frieden, niemand sein Glück von langer Dauer. Wenn man am Anfang in einer Parallelmontage, und, davon muss ich immer wieder schwärmen, großartiger Zeitlupen, Pat Garretts Erschießung durch Billy loyal ergebene Henchmen sieht, untermalt von Bob Dylans unsterblichem "Knockin' on Heaven's Door", dann ist es wie der letzte Tropfen eines guten Jahrgangs: Voller Wehmut.
In diesem Sinne: "The end of a picture is always an end of a life."