Die Kamera hadert mit Licht
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Der zweite Punkt, in dem sich die beiden Moto-G4-Vertreter unterscheiden, ist die rückseitige Kamera. Das Plus im Namen ist dabei gleichbedeutend mit 16 Megapixeln und Laser-Fokus, sonst sind es 13 Megapixel sowie ein herkömmlicher Fokus, der in den Sensor integriert ist. Beide Geräte verfügen hingegen über einen zweifarbigen Dual-LED-Blitz sowie Blende f2.0, einen optischen Bildstabilisator gibt es in beiden Fällen nicht. Wirklich vermisst wird ein solcher aber auch nicht.
Bei guten Lichtverhältnissen hält die Kamera Details und Farben gut fest, neigt aber dazu, feine Unterschiede der Lichtverhältnisse zu unterschlagen. Bei Betrachtung der Bilder macht sich dies durch großflächige Schatten bemerkbar, obwohl das Motiv selbst unterschiedlich ausgeleuchtet war. Dagegen hilft der Einsatz des HDR-Modus‘, der über eine auf Wunsch zuverlässig einspringende Automatik verfügt. Die Ergebnisse sind dann besser, mit den Spitzenreitern in puncto Smartphone-Fotografie kann das Moto G4 Plus aber ganz klar nicht mithalten. Ähnlich verhält es sich bei schlechten Lichtverhältnissen. Bildrauschen ist früh erkennbar, wenn auch nicht kritisch.
Bei Videos verhält es sich insgesamt sehr ähnlich. Zur Bildung von Artefakten kommt es nur bei schnelleren Bewegungen, insgesamt leiden die Aufnahmen aber eher unter den fehlenden Helligkeitsverläufen. Der auf der Front untergebrachte Sensor mit seinen 5 Megapixeln eignet sich gut für Selfies und liegt über dem, was man als Schnappschussqualität bezeichnen kann.
Die Kamera-Applikation ist übersichtlich aufgebaut und bietet alle üblichen Modi, weicht jedoch vom Android-Tool ab - eine der sehr wenigen Ausnahmen beim Moto G4 Plus. Die Entscheidung ist jedoch richtig, schließlich gilt die Stock-App noch immer als wenig überzeugend.
Design-Unfall
Größeres Display und größerer Akku haben natürlich ihren Preis. Mit 153,0 x 76,6 x 9,8 mm nimmt das Moto G4 Plus viel Raum ein, was der Vergleich mit Smartphones gleicher Diagonale zeigt. Das ASUS ZenFone Max ist mit 156,0 x 77,5 x 10,6 mm zwar noch eine Nummer größer, beherbergt im Innern dafür aber einen weitaus größeren Akku. Kleiner ist hingegen das Samsung Galaxy S7 edge mit seinen 150,9 x 72,6 x 7,7 mm. Wenigstens konnte das Gewicht begrenzt werden, 155 g gehen als guter Durchschnitt durch.
Abgesehen von Gewicht und Maßen präsentiert sich das Smartphone ebenfalls auffällig - nicht immer im positiven Sinne. Gut gefällt zunächst die Beibehaltung der bisherigen Moto-Design-Linie. Das sorgt für ein gewisses Maß an Wiedererkennungswert. Noch gut schneidet die Verarbeitung ab. Eine bessere Bewertung verhindern die leicht wackeligen Tasten für Lautstärke und Standby am rechten Rand, zudem ist der Spalt zwischen Rückseite und Rahmen nicht überall einheitlich. Wer beim Anblick des Rahmens übrigens glaubt, dass man hier auf Metall irgendeiner Art setzt, der wird enttäuscht. Denn hier kommt lediglich Kunststoff zum Einsatz. Gleiches gilt für die Rückseite, die auch beim Kauf über den Moto Maker nicht mit einem anderen Material versehen werden kann. Darüber tröstet die generelle Gestaltung auf der hinteren Seite hinweg, die Front zerstört diesen Eindruck jedoch direkt wieder.
Denn obwohl sich über Geschmack nicht streiten lässt, kann der unterhalb des Displays platzierte Fingerabdrucksensor nur als Ausrutscher bezeichnet werden. Weder passt sich dessen Form in irgendeiner Art und Weise dem restlichen Smartphone an, noch macht er funktionell einen Sinn. Hätte man im Stile Samsungs einen echten Home-Button mit integrierten Sensor verbaut, würde es anders aussehen. So aber wirkt das Moto G4 Plus so, als ob das Bauteil einfach irgendwo ohne Rücksicht auf optische Verluste eingebaut werden sollte.
Die Ergonomie ist an dieser Stelle auch keine Ausrede. Zwar ist der Sensor so gut zu erreichen, dies wäre aber auch an anderen Stellen möglich gewesen. Aufgrund der Größe lässt sich das Smartphone nicht mit einer Hand bedienen, was auch am mäßigen Ausnutzen der Vorderseite liegt. Das Display nimmt hier nur etwa 72 % der Front ein. Dank der rauen Rückseite liegt das Handy aber gut in der Hand.
Beim Akku ginge mehr
Nicht nur die Bildschirmfläche profitiert von dem Mehr an Diagonale, auch beim Akku setzt man klar auf Wachstum. Im Vergleich zur dritten Moto-G-Generation beträgt das Plus gut ein Fünftel - aus 2.470 werden 3.000 mAh. Das klingt nach viel, tatsächlich bietet aber auch so manch kleineres Smartphone eine solche Kapazität.
Zumindest im Benchmark schlägt sich der Energiespeicher schlechter, als man zunächst annehmen möchte. Die Video-Schleife musste im Test nach rund 9,5 h abgebrochen werden, zu diesem Zeitpunkt verlangte das Moto G4 Plus nach dem Ladegerät. Einen besseren Wert verhindert aber nicht nur das große Display, sondern auch der nicht ganz aktuelle SoC. Dessen 28-nm-Struktur genehmigt sich einen größeren Schluck als die moderneren Chips - womit man wieder beim Snapdragon 625 wäre. Im Praxiseinsatz macht sich das etwas weniger bemerkbar, hier sind ganz andere Komponenten die großen „Stromfresser“. Die sorgten im Test dann auch dafür, dass die Marke von zwei Tagen ohne Steckdose verfehlt wurde. Gegen 10 h vom Netz getrennt, musste das Moto G4 Plus am späten Abend des Folgetags wieder geladen werden. Für Intensivnutzer bedeutet das, dass ein ganzer Tag ohne Ladegerät nicht möglich sein dürfte.
Wird das mitgelieferte Netzteil (max. 14,4 W) genutzt, geht das Wiederbefüllen zumindest recht flott vonstatten. Die von Motorola/Lenovo TurboPower genannte Schnellladefunktion soll nach nur 15 Minuten den Betrieb für sechs Stunden gewährleisten. Innerhalb von 45 Minuten war der Akku zu 50 % geladen, vollständig gefüllt war der Akku nach etwa 100 Minuten. Dabei wäre grundsätzlich ein noch höheres Tempo möglich. Denn der verbaute Snapdragon 617 unterstützt Qualcomms Quick Charge 3.0, genutzt wird es aber nicht. Da überrascht es nicht, dass der Akku trotz abnehmbarer Rückseite nicht entfernbar und auch nur das Laden per Micro-USB möglich ist.
Dicht am Original
Der Wechsel des Eigentümers hat löblicherweise keine Auswirkungen auf die Software gehabt. Damit kommt auch auf dem Moto G4 ein fast unverfälschtes Android - hier in Version 6.0.1 - zum Einsatz.
Ausnahmen gibt es im Wesentlichen nur zwei: Die bereits erwähnte Kamera-Applikation sowie der ab Werk installierte Assistent Moto. Den kennt man auch von anderen Motorola-Modellen, hier ist er jedoch rudimentär gehalten. Auf Wunsch lassen sich verpasste Anrufe etc. auch bei eigentlich abgeschaltetem Display anzeigen, Bewegungen des Geräts können zum Starten von Programmen genutzt werden. Ein doppeltes Drehen ruft beispielsweise die Kamera auf.
Der Verzicht auf weitere Anpassungen dürfte dem Update-Tempo zugutekommen, mittlerweile vermisst man beim nackten Android aber die ein oder andere Komfortfunktion. Das prominenteste Beispiel ist sicherlich das Aufrufen der Einstellungen über die Benachrichtigungszentrale. Hier ist immer ein Schritt mehr als bei vielen Konkurrenten nötig.
Fazit
Noch heute dürfte das erste Moto G das Smartphone sein, das bei Erscheinen das beste Verhältnis aus Preis und Leistung bot. Für nicht wenige dürfte mit Motorolas Beststeller der Einstieg in die Smartphone-Ära verknüpft sein. Doch der Hersteller legte die Latte so hoch, dass man in jedem weiteren Anlauf scheiterte - einzig die erste Generation des Moto X konnte noch annähernd derart begeistern.
Im nunmehr dritten Anlauf seit dem Start scheitert man wieder, die Fußstapfen des Erstlings sind zu groß. Es mag sein, dass man sich deswegen dazu entschieden hat, noch weiter als mit den beiden Vorgänger vom eigentlichen Konzept abzurücken. Weder Größe noch Preis haben etwas mit dem Modell von 2013 etwas zu tun, aus einem Einsteiger- wurde ein Mittelklasse-Smartphone. Und in vielen Punkten bewegt sich das Moto G4 Plus auch in der Mitte.
Die Leistung dürfte für viele ausreichend sein, die Laufzeit ist noch durchschnittlich, die Kamera etwas besser - aber noch nicht gut; gleiches gilt für die Verarbeitung. Es gibt natürlich aber auch klare Stärken. Das helle Display mit seinem Kontrast gehört dazu, auch im Punkt Software gefällt das Handy. Hier und da bietet man aber auch klar zu wenig. Für das anvisierte Marktsegment dürfte die Ausstattung in Teilen besser ausfallen, der Fingerabdrucksensor zeigt deutlich, dass - an dieser Stelle darf man Harald Schmidt zitieren - gut gemeint und gut gemacht unüberbrückbare Gegensätze sind.
Auf das Fazit hat dieser Fauxpas aber kaum Auswirkung. Das Moto G4 Plus hat eindeutige Qualitäten, beherbergt aber auch zu viel Mittelmäßiges. Prinzipiell verfügt es dank seiner Software über ein Alleinstellungsmerkmal, der Preisverfall egalisiert das aber schnell. Denn dem etwa 270 Euro teuren Smartphone steht unter anderem das 250 Euro teure Nexus 5X gegenüber, das fast überall mehr bietet. Andere Mitbewerber sind aber auch das für 230 Euro erhältliche LG G3 trotz seines Alters, das für 300 Euro angebotene Samsung Galaxy A5 2016 und das Sony Xperia Z3 (280 Euro).
Bleibt am Ende zu hoffen, dass sich Lenovo mit der fünften Generation wieder dichter am Original bewegt. Dann könnte man anstelle des x-ten Mittelklasse-Modells vielleicht wieder ein echtes Smartphone für die Massen auf den Markt bringen. In weiten Teilen dürften die Ergebnisse auch für das Moto G4 gelten, das für 250 Euro gehandelt wird.
Positive Eindrücke des Moto G4 Plus:
- helles Display
- Speicher erweiterbar
- nahezu unverändertes Android
Negative Eindrücke des Moto G4 Plus:
- Akku fest verbaut
- Ausstattung nicht in allen Punkten angemessen
- Fingerabdrucksensor unbefriedigend
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