TEST

Samsung Galaxy S9+ im Test (3/3)

Die Kamera ist nur manchmal besser

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Ganz so dürfte Samsung es sich nicht vorgestellt haben, als man das Galaxy S9 und Galaxy S9+ Ende Februar vorstellte. Denn verwies man auf dem MWC noch stolz auf den ersten Platz im DxOMark, wurde man nur wenige Wochen später eindrucksvoll überholt. Ob das DxO-Ranking aussagekräftig ist, ist umstritten - fest steht jedoch, dass Samsung die Kamera in den Mittelpunkt seines neuen Smartphone-Flaggschiffs stellt. Vermutlich nicht ohne Grund, wie die bisherigen Eindrücke zeigen. Doch aus den Fehlern der Vergangenheit hat man nicht gelernt, wie der letzte Teil des Tests des Samsung Galaxy S9+ zeigt.

Wichtig ist zunächst, dass sich das Galaxy S9 und Galaxy S9+ in puncto Kamera so deutlich wie in keinem anderen Punkt voneinander unterscheiden. Vertraut Samsung bei ersterem erneut auf eine einzelne Kamera auf der Rückseite, kommt bei letzterem zum ersten Mal bei einem Galaxy-S-Smartphone eine Dual-Kamera-Lösung zum Einsatz. Auch das führt zum preislichen Abstand zwischen beiden Modellen: Werden für das Galaxy S9 unverbindliche 849 Euro fällig, sind es beim Galaxy S9+ 949 Euro (64 GB) oder 1.049 Euro (256 GB). Im Handel fällt die Differenz ähnlich aus. Zum Testzeitpunkt (Anfang April) musste mit mindestens 740 Euro und 830 Euro gerechnet werden.

Der erste Teil des Galaxy-S9-Tests behandelt die Punkte Leistung und Gehäuse, im zweiten Teil geht es um Ausstattung, Display und Laufzeit.

Doppelkamera mit Super-Zeitlupe

Die verbaute Kamera-Hardware ist bei beiden Versionen des Galaxy S9 komplett neu - auch wenn die technischen Daten das zunächst nicht unbedingt vermuten lassen. Denn der primäre Sensor löst erneut mit 12 Megapixeln (1/2,55 Zoll, 1,4 µm) auf und auch den Dual-Pixel-Aufbau für schnelles Fokussieren kennt man bereits vom Vorgänger. Neu ist aber der direkt an den Sensor angeschlossene Speicher. Über welche Kapazität der DRAM verfügt, ist nicht dokumentiert, wohl aber dessen Aufgabe. Er ermöglicht nicht nur die Multi-Frame-Rauschunterdrückung, bei der innerhalb kürzester Zeit mehrere Aufnahmen angefertigt und anschließend zusammengefügt werden, sondern auch Zeitlupenaufnahmen mit bis zu 960 Bildern pro Sekunde.

In diesem Modus wird lediglich 0,184 s lang aufgezeichnet - für mehr reicht der Speicherplatz nicht. Das Ergebnis bringt es allerdings auf 5,888 s, der Faktor beträgt 1:32. Aber nicht nur das erinnert an das Sony Xperia XZ Premium, auch das Auflösungslimit - 720p - kennt man vom japanischen Konkurrenten. Der enteilt Samsung mit Blick auf letzteres aber demnächst: Das XZ2 schafft 960-fps-Zeitlupen in Full HD. Allerdings fehlt dem eine wichtige Funktion. Denn muss man bei Sony selbst auf den richtigen Auslösemoment achten, um die gewünschte Sequenz festzuhalten, hilft beim Galaxy S9 und Galaxy S9+ ein Assistent. Der Nutzer muss auf dem Display des Smartphones lediglich einen Bereich auswählen, den das System beobachten soll. Erst wenn in diesem eine Bewegung erkannt wird, wird die Aufnahme gestartet. Im Test funktionierte das meist zuverlässig, nur in wenigen Fällen wurde nicht oder zu früh ausgelöst.

Im anhaltenden Rennen um bessere Fotos bei schlechten Lichtverhältnissen verlässt Samsung sich aber nicht nur auf Multi-Frame-Rauschunterdrückung, sondern setzt auch auf eine große Blende. Mit f/1,5 legt man im Vergleich zum Vorgänger (f/1,7) ein gutes Stück nach. Gleichzeitig denkt man aber auch an diejenigen, die ein Maximum an Schärfe erwarten. Denn: je größer die Blende, desto geringer die Belichtungszeit und desto höher das Risiko von Unschärfe vor allem am Bildrand und abseits des fokussierten Objekts. Deshalb setzt Samsung auf eine variable Blende. Dahinter verbergen sich mit f/1,5 und f/2,4 allerdings nur genau zwei Optionen. Und zwischen denen kann der Nutzer nur im Pro-Modus selbst wählen, in allen anderen Fällen entscheidet die Automatik. Die sieht vor, dass oberhalb von 100 Lux die kleinere der beiden Blenden verwendet wird, darunter die größere.

Die Sekundärkamera, für die Samsung ebenfalls einen 12-Megapixel-Sensor (1/3,6 Zoll, 1,0 µm) nutzt, bietet hingegen nur eine Blende (f/2,4) und muss ohne DRAM auskommen. Gedacht ist sie ohnehin nur für zwei Aufgaben: das Simulieren eines zweifachen optischen Zooms dank unterschiedlicher Brennweiten (Primärsensor 26 mm, Sekundärsensor 52 mm) sowie für den Live Fokus, bei dem es sich um das Erstellen eines Bokehs handelt. Einen Dual-Pixel-Aufbau gibt es hier nicht, dafür verfügen beide Sensoren über einen optischen Bildstabilisator.

Die Qualität der Aufnahmen liegt generell leicht über der des Galaxy S8. Farben und Details werden zuverlässig festgehalten, auf zu starkes Nachschärfen wird verzichtet. Das Auslösen und der Wechsel zwischen den beiden Kameras geht schnell vonstatten. Sichtbares Bildrauschen tritt erst bei schlechten Lichtverhältnissen auf, hier leistet die neue Unterdrückung ganze Arbeit. Kleinere Schwächen leistet sich das Galaxy S9+ bei der HDR-Automatik, die im Test nicht immer zuverlässig ansprang und im Modus Live Fokus. In puncto Bokeh hält das Smartphone deutlich sichtbar nicht mit dem Huawei Mate 10 Pro (Test) und Google Pixel 2 XL (Test) mit.

Nur sehr schwer bewerten lässt sich die Qualität bei schlechten Lichtverhältnissen. Denn beim Galaxy S9 trifft man auf ein altbekanntes Samsung-Problem: Während der Dämmerung oder in der Nacht geschossene Fotos wirken optisch ansprechend, haben mit der Realität aber kaum etwas zu tun. Das liegt am starken aufhellen der Bilder, wodurch die festgehaltenen Lichtverhältnisse unübersehbar von den tatsächlichen abweichen. Welcher Stil der bessere ist, ist zu einem großen Teil eine Frage des eigenen Geschmacks. Ein Königsweg wäre eine Berücksichtigung beider Seiten, beispielsweise durch das Anbieten einer entsprechenden Option.

Dieses Problem tritt auch bei Video-Aufnahmen auf, unabhängig von der gewählten Auflösung. Das Limit liegt hier nun bei 2160p60, wie bei fast allen Konkurrenten stehen aber nicht alle Optionen bei jeder Auflösung respektive Bildwiederholrate zur Verfügung. Hinzu kommt, dass Samsung die Aufnahmedauer in allen 4K-Modi limitiert: Bei 30 Bildern pro Sekunde können Clips maximal zehn Minuten lang sein, bei 60 Bildern pro Sekunde nur noch fünf Minuten. Welche Komponente hier als Flaschenhals auftritt, ist nicht bekannt. Die Qualität der Aufnahmen ist insgesamt gut, Artefakte oder ähnliches treten erst bei sehr schnellen Schwenks auf. Einzige negative Auffälligkeit: Der Verfolgungs-Autofokus arbeitet in bestimmten Modi nicht immer zuverlässig.

Gut, aber nicht vollständig überzeugend ist die Frontkamera. Der 8-Megapixel-Sensor 1/3,6 Zoll, 1,22 µm) ist mit einer lichtstarken Optik (f/1,7, 25 mm) und einem Autofokus gekoppelt. Während die Schärfe auch an den Bildrändern überzeugt, wirken Farben mitunter blass. Zudem gehen feine Helligkeitsunterschiede schnell verloren.

Bestandteil der Kamera-App sind auch die AR-Emoji. Dabei handelt es sich um Samsungs Adaption der Animoji, die Apple auf dem iPhone X anbietet. Allerdings muss das Galaxy S9 dabei auf die ausgefeilte Hardware des Konkurrenten verzichten. Einzig die Frontkamera wird für die Animationen verwendet, eine 3D-Abtastung gibt es nicht. Mit wenigen Schritten kann der Nutzer einen eigenen Avatar erstellen, auf den Gesichtsausdrücke übertragen werden. Es lassen sich aber auch Masken und Filter mit dem Avatar oder dem tatsächlich eigenen Gesicht vermengen. Auf Wunsch speicher das Galaxy S9 die Animationen und verteilt sie im GIF-Format über soziale Netzwerke oder Messenger. Verglichen mit dem iPhone X wirken die Animationen ein wenig hölzern. Zudem haben die Avatare nicht immer Ähnlichkeit mit dem Nutzer - das Fehlen einer 3D-Erkennung zeigt sich hier deutlich.

Davon abgesehen gleicht die Kamera-App in den wesentlichen Teilen der der Vorgänger. Am linken Rand kann zwischen den verschiedenen Modi gewechselt werden, im rechten Drittel hat Samsung unter anderem Auslöser, Zoom, Kamerawechsel, Blitz und andere Optionen untergebracht. Am unteren Rand kann Bixby Vision aktiviert werden. Gut gefällt, dass Samsung alle Optionen in ein Fenster einbindet und somit nicht nur Punkte, die unmittelbar zum gewählten Modus gehören, verändert werden können. Weniger gut gelöst wurde hingegen der Pro-Modus. Der bietet zwar Zugriff auf zahlreiche Parameter, insgesamt wirkt die Ansicht aber überladen und einige Schaltfläche fallen zu klein aus.