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Nach zwei Jahren ASUS und 7 Zoll hat Google einen Neuanfang gewagt. Das Ergebnis ist das zusammen mit HTC entwickelte Nexus 9, das vor allem eines ist: anders als seine Vorgänger. Denn das neue Tablet ist nicht nur größer, sondern stellt auch - ähnlich wie das Nexus 6 - eine Zäsur innerhalb der Nexus-Reihe dar. Ob dies positiv oder negativ ist, zeigt unser Test.
Abseits von Technik und Software ist das Nexus 9 aber auch auf einer anderen Ebene etwas Besonderes. Denn nach einer vierjährigen Pause trägt ein Tablet erstmals wieder das HTC-Logo. Anno 2011 versuchten die Taiwaner mit dem durchaus innovativen Flyer und dem eher konservativen Jetstream, das außerhalb der USA aber nie angeboten wurde, im jungen Markt für Android-Tablets Fuß zu fassen. Das Ergebnis ist bekannt: Die Verkaufszahlen blieben hinter den Erwartungen zurück und nicht zuletzt durch erste Probleme innerhalb der Smartphone-Sparte legte man weitere Pläne auf Eis. Gerüchte über eine Rückkehr gab es seitdem viele, die Rede war von einem Windows-RT-Engagement, das aber an Microsofts Veto gescheitert sein soll, aber auch Android wurde mehrfach genannt. Letztendlich konnte man Google von einer Kooperation überzeugen.
Für den Käufer bedeutet dies kurz vor Weihnachten die Qual der Wahl. Denn das Nexus 9 steht nicht nur in drei Farbvarianten zur Verfügung, auch in Sachen Speicher und Konnektivität müssen im Vorfeld Entscheidungen getroffen werden. Reicht WLAN aus, stehen 16 und 32 GB zur Verfügung, sollen hingegen LTE sein, bleibt es bei 32 GB. Für den Test stand die Einstiegskonfiguration zur Verfügung, für die Google 389 Euro verlangt.
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Hardware
Gerade dies zeigt, dass die Zeiten günstiger Nexus-Hardware vorbei sind, auch für das Nexus 6 verlangen Google und Motorola nicht weniger Geld als die Konkurrenz für ähnliche Smartphones. Doch im Falle des Nexus 9 setzt man nicht nur auf einen höheren Preis, sondern auch deutlich bessere Technik, was den Aufschlag rechtfertigen könnte. Die zunächst augenscheinlichste Veränderung betrifft das Display, das nun eine Diagonale von 8,9 Zoll erreicht. Um ein gewöhnliches Maß handelt es sich dabei nicht, üblich sind 8,0 oder 8,4 Zoll - das Nexus 9 steckt zur besseren Veranschaulichung mitten zwischen iPad mini 3 und iPad Air 2 mit ihren 7,9 und 9,7 Zoll.
Weshalb der Vergleich mit Apples Tablets passt? Auch HTC und Google setzen auf 2.048 x 1.536 Pixel und damit ebenfalls auf das 4:3-Format. Unter Tablet-Nutzern ist umstritten, ob dies gegenüber dem bei Android sonst üblichen 16:10 besser oder schlechter ist. Während bei der Videowiedergabe breite schwarze Balken stören, profitiert man beim Browsen oder Lesen von PDFs und anderen Dokumenten. Letztlich bleibt es eine Frage des persönlichen Einsatzbereichs. Die hohe Auflösung sorgt hingegen für weniger Aufregung, mit 281 ppi fällt sie angenehm scharf aus, sodass auch bei feinen Elementen keine störenden Treppen zu erkennen sind. Dank IPS-Panel kann man sich davon auch bei extremen Winkeln überzeugen, eine Verfälschung der Inhalte bleibt lange Zeit aus. Gleichzeitig werden Farben weitestgehend neutral wiedergegeben, bei weißen Flächen liegt die durchschnittliche Farbtemperatur bei etwa 7.150 Kelvin, was einen leichten Blauschimmer zur Folge hat. Wichtiger ist, dass das Display eine möglichst hohe Helligkeit erreicht, was mit 436 bis 469 cd/m2 bei höchster Einstellung der Fall ist. Wie bei solchen Werten üblich, stellt erst direkte Sonneneinstrahlung ein Problem dar. Was die an sich gute Homogenität - 92 Prozent - verschweigt: Bei dunklen Bildschirminhalten lässt sich die Position der einzelnen LEDs problemlos am Rand der Anzeige erkennen. Mit 1.254:1 fällt immerhin der Kontrast tadellos aus.
Den weitaus wichtigeren Sprung haben die beiden Unternehmen jedoch beim SoC vollzogen. Denn nach dem eher betagten S4 Pro aus dem Hause Qualcomm kommt nun NVIDIA mit seinem Tegra K1 zum Zug. Allerdings verlassen sich Google und HTC nicht auf die Quad-Core-Variante, die unter anderem im Shield-Tablet steckt, statt dessen sind nur zwei CPU-Kerne vorhanden. Was zunächst wie ein Nachteil klingt, ist tatsächlich aber ein großes Plus. Denn die Dual-Core-Version des Tegra K1 setzt auf die von NVIDIA entwickelte Denver-CPU mit 2,3 GHz, zu deren Stärken unter anderem die 64-Bit-Kompatibilität zählt; im Quad-Core-Modell steckt ARMs 32-Bit-CPU Cortex A15. Kurzfristig profitieren Nutzer lediglich von der höheren Leistung pro Takt, langfristig dürfte sich jedoch die 64-Bit-Tauglichkeit als wahrer Vorteil entpuppen - mit Android 5.0 kommt das passende Betriebssystem zum Einsatz.
Weiterer wichtiger Bestandteil des in 28 nm gefertigten SoCs ist die Kepler-basierte GPU. Diese verfügt über 192 Unified Shaker und soll es mit Standanlone-PC-Grafikkarten der Einsteigerklasse aufnehmen können. Die Rohrechenleistung bestätigt dies: Mit 364 GLOPS bewegt sich die Tegra-K1-Grafikeinheit auf dem Niveau einer GeForce GT 820M. Wichtiger als die reine Berechnung von Grafiken sind jedoch die GPGPU-Fähigkeiten, die die CPU - entsprechende Software vorausgesetzt - spürbar entlasten können. Insgesamt, so die Bewertung NVIDIAs, übertrumpfe der Tegra K1 die Leistung der Last-Gen-Konsolen - eine Aussage, die wie üblich mit Vorsicht zu genießen ist.
Ausgerechnet den bekanntesten Vorteil der 64-Bit-Technik nutzen HTC und Google aber nicht. Denn in Sachen Arbeitsspeicher setzt man beim Nexus 9 auf konservative 2 GB, in so manchem Android-Smartphone steckt mehr. Gleiches gilt für den internen Speicher, der - wie bereits erwähnt - je nach Modell 16 oder 32 GB umfasst. Auf eine Erweiterungsmöglichkeit muss man wie bei Nexus-Hardware üblich verzichten. Angesichts des Umfangs, den Android 5.0 auf dem Nexus 9 einnimmt, sollte der Griff zur Variante mit mehr Speicher erfolgen. Denn schon ab Werk sind lediglich 8,8 GB für den Nutzer verfügbar.
Erfreulicher ist die Bestückung mit aktueller Schnittstellentechnik. Fällt die Wahl auf das WLAN-Modell, sind dank ac-Standard und zwei Antennen (2x2 MIMO) Übertragungsraten von bis zu 300 Mbit pro Sekunde möglich. Deutlich langsamer arbeiten hingegen Bluetooth 4.0 und NFC, was angesichts der Einsatzbereiche nicht ins Gewicht fällt. Greift man auf Kabel zurück, steht lediglich USB 2.0 in Form der üblichen Micro-Buchse zur Verfügung. Soll das Nexus 9 hingegen auch abseits von WLANs genutzt werden, sollte zur LTE-Version gegriffen werden. Dank Cat 4 werden im Downstream bis zu 150 Mbit pro Sekunde erreicht, bei fehlendem Ausbau steht HSPA+ zur Verfügung.
Während man technisch neue Wege beschreitet, bleibt man sich beim Design in weiten Teilen treu. Denn auf optische Spielereien hat man auch beim Nexus 9 verzichtet, vor allem die Front wirkt sehr nüchtern. Auffällig sind hier nur die beiden BoomSound-Lautsprecher am oberen und unteren Ende. Für ein Tablet produzieren diese einen klar überdurchschnittlichen Klang und erreichen eine hohe Maximallautstärke. Auffälliger ist die Rückseite, die vom Nexus-Logo sowie der Kamera dominiert wird. Einen Hauch von Oberklasse strahlt der aus Aluminium bestehende Rahmen aus, die Kunststoffrückseite kann hier nicht ganz mithalten - auch wenn die leicht raue Textur zu gefallen weiß. In Sachen Verarbeitung verhält sich das 153,6 x 228,2 x 7,9 mm große und 425 g schwere Nexus 9 weitestgehend unauffällig. Dass man diesbezüglich aber nicht mit den iPads mithalten kann, liegt zum einen am nicht einheitlichen Übergang zwischen Aluminium-Rahmen und Gorilla-Glass-Abdeckung des Displays, zum anderen an den wackeligen Tasten am rechten Rand; Lautstärkewippe und Standby-Schalter haben mehr Spiel als nötig. In Sachen Ergonomie sieht die Bewertung besser aus. Das Nexus 9 liegt gut und sicher in den Händen, aufgrund der breiten Ränder ober- und unterhalb des Displays lassen sich beim Halten des Tablets mit beiden Händen aber nicht alle Bereiche des Displays erreichen. Hier rächt sich die schlechte Ausnutzung der Front, die nur zu 70 Prozent vom Bildschirm besetzt wird.