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Der Rechts- und Streitfall Internet – Die Kernkompetenzen einer nachhaltigen Netzpolitik - Die Politikverdrossenheit der Netzgemeinschaft

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Fakt ist: Ein Medium von bedeutender Rolle im Prozess der politischen Entscheidungsfindung nicht zu Rate zu ziehen, ist gerade in Bezug zur jüngeren Generation fast schon fahrlässig. Nach der diesjährigen ARD-ZDF-Online-Studie nutzen 73,3 Prozent aller Deutschen den Zugang zum Internet, Tendenz steigend. Die durchschnittliche Nutzungsdauer aller Medien variiert dabei stark nach Altersgruppe, insbsondere bei den jüngeren Nutzern (14 bis 29 Jahre) liegt der Anteil der Internetnutzung signifikant höher als bei allen anderen Zielgruppen.

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Im Umkehrschluss bedeutet das wiederum, dass das Internet gerade bei der jüngeren Generation - im Vergleich zu "analogen Medien" - immer mehr an Bedeutung gewinnt. Schaut man sich weiterhin die teils einseitige Informationspolitik oder die Möglichkeit der aktiven Bürgerbeteiligung über das Internet an, wird es schnell sehr übersichtlich in der Bundesrepublik. Zwar gibt es Möglichkeiten wie die Stellung einer Online-Petition an den Bundestag oder die Entquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft", an der der Bürger als sogenannter 18. Sachverständiger teilnehmen kann, ihre Zulassung zum politischen Entscheidungsprozess obliegt jedoch einer "Kann-Regelung". Das beste Beispiel dafür ist die Online-Petition zum Thema "Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten" aus dem Jahr 2009. Mit über 134.000 Unterzeichnern verzeichnete diese die bisher größte Befürwortung einer deutschen Online-Petition, zugelassen wurde sie jedoch nicht. Es scheint daher nicht verwunderlich, dass sich nach der Shell-Jugend-Studie 2010 lediglich 33 Prozent der Befragten von 12 bis 25 Jahren aktiv über Politik informieren, das "Einmischen in die Politik" wird sogar nur von 24 Prozent der Befragten als "in" bewertet. Vielleicht eine Reaktion auf die bisher eher begrenzten Möglichkeiten einer (aktiven) Beteiligung über das Netz, die sich altersunabhängig auch in der Gesamtheit der Netzgemeinschaft wiederfindet?

Würde man die demokratisch-repräsentative Ordnung Deutschlands (auf Bundesebene) grafisch darstellen, käme man zu folgendem vereinfachten Schema. Die Wechselbeziehung aus Politik, Medien und den Bürgern ist zwar allgegenwärtig, aber nicht auf allen Ebenen. Bürger und Politik erreichen sich nur durch die Vermittlung der Medien und damit in Form einer Sekundärquelle, die ihrerseits auch eine Meinung vertritt und damit als möglicher Filter tätig ist. Die Möglichkeit von direkter Bürgerbeteiligung ohne die Beteiligung einer dritten Partei oder Volksentscheidungen auf Bundesebene, wie sie das Grundgestz nicht ausschließt, sind als Teil einer möglichen Form der direkten Demokratie nur sehr eingeschränkt oder noch nicht gegeben.

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Vereinfachte Darstellung einer rein repräsentativen Demokratie ohne die Möglichkeit der direkten Bürgerbeteiligung

An dieser Stelle setzten Konzepte wie die Formulierung des gemeinsamen Online-Antrages der SPD-Bundestagsfraktion mit der Netzgemeinschaft im August dieses Jahres oder das der "Liquid Democracy" der Piratenpartei an. Auf demokratietheoretischer Basis gesehen schaffen sie, wie die bereits genannten aber eher halbherzigen Verfahren der Online-Petition oder Enquete-Kommission, neue Möglichkeiten der direkten Bürgerbeteiligung und der Förderung des Dialoges zwischen Bürger und Politik. Alle "traditionellen" Medien bieten diese Möglichkeit nicht.

„Liquid Democracy“ soll zum einen als Konzept die direkte mit der repräsentativen Demokratie verknüpfen und dabei die Vorteile von beiden vereinen. Statt sich für ein System zu entscheiden, entsteht ein fließender Übergang. Ob man seine Stimme an einen Delegierten abgibt, bei Abstimmungen immer selber entscheiden möchte oder ob man sich nur bei bestimmten Themen selber vertreten möchte, obliegt jedem Einzelnen. Dabei besteht die Möglichkeit seine Stimme an jeden zu delegieren, dem man in der Sache vertraut. So kann man vielleicht bei Thema A einer Partei seine Stimme geben, bei Thema B einer einzelnen Person und bei Thema C selber abstimmen. Dieses „Delegated Voting“ findet derzeit vor allem innerhalb der Piratenpartei als Teil des „Liquid Feedback“ Anwendung. Aktuell entscheidender ist aber „Liquid Democracy“ als Mittel zur politischen Meinungsbildung und Teilhabe an der Entscheidungsfindung. Derzeit meist über die „Adhocracy“-Software oder bei den Piraten mit der eigenen Plattform „LiquidFeedback“ abgewickelt, können darüber registrierte Mitglieder Initiativen starten, diese mitformulieren, verbessern, kommentieren und am Ende darüber abstimmen.

In dem von der SPD gestarteten Online-Antrag wurden ebenso die gemeinsam formulierten Ziele im Positionspapier der Bundestagsfraktion „Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität in der Digitalen Gesellschaft“ im Kapitel „Arbeit und Wirtschaft in der Digitalen Gesellschaft“ niedergelegt und werden auf dem SPD-Bundesparteitag im Dezember diskutiert werden. Von den anderen etablierten Parteien werden bisher leider keine ähnlichen Möglichkeiten angeboten. MdB Lars Klingbeil im Interview mit der Redaktion: "Die Menschen wollen wieder mehr mitreden und sich in die Politik einbringen, es ist an der Zeit für einen Schritt zur Öffnung."

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Vereinfachte Darstellung einer repräsentativen Demokratie mit der Möglichkeit der direkten Bürgerbeteiligung

Dass direkte Demokratie dabei auch ihre Grenzen finden muss, darf indessen nicht vergessen werden. Während die Piraten nach ihrem Modell der "Liquid Democracy" auf eine Auslegung nach reinen Mehrheitsverhältnissen zusteuern und im Fall der Fälle der Vorstellung "die Mehrheit hat immer Recht" folgen, muss direkte Bürgerbeteiligung immer einer Beschränkung unterliegen. Diese Beschränkung sollte aber einer Art "Notfallregelung" entsprechen und nicht einem politisch motivierten Beschnitt gleichen, wie er aktuell noch zu oft angewandt wird. Es gilt, Grundrechte zu erhalten und nicht partielle, zeitlich orientierte Grundwerte einiger Interessengruppen durch teils populistische Mobilmachung gesetzlich festlegen zu wollen. Grundwerte, also Moral- und Wertevorstellungen in der Gesellschaft, mit den Grundrechten oder gar Bürgerrechten vergleichen zu wollen, ist eine vollkommen widersprüchliche Auslegung der Demokratie. Exemplarisch genannt sei hier die Volksabstimmung in der Schweiz "Gegen den Bau von Minaretten" im Jahr 2009, die nach dem Grundgesetzt Artikel 4 die jedem garantierte Freiheit seiner Religionsausübung verletzten würde und einer rein populistischen Meinungsmache folgte. Die Mündigkeit des Bürgers, wie die Piraten sie voraussetzen, ist kein Garant für eine demokratische Gesellschaft im Sinne jedes Einzelnen. Ein Filter im Interesse des Gemeinwohls nach der Identitätstheorie scheidet deshalb zwangsweise aus.

Zusammenfassend verlangt gerade der netzaffine Bürger oder auch die jüngere Generation nach mehr Möglichkeiten der politischen Diskussion über das Internet. In den nächsten Jahren wird es Aufgabe der Politik sein, hier entsprechende Infrastrukturen zu schaffen und einer möglichen Politikverdrossenheit, wie sie sich gegenwärtig ankündigt, aktiv zu begegnen. Die Politik kann ihrerseits diese neue Plattform nutzen, um direkt an die Bürger heranzutreten.

Quellen und weitere Links

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