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Wie Mobilfunkanbieter aktiv am eigenen schlechten Ruf arbeiten

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Wie Mobilfunkanbieter aktiv am eigenen schlechten Ruf arbeiten
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Zu teuer, zu unflexible Tarife, schwache Netze - deutsche Mobilfunkanbieter haben mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Doch wie so oft ist die Kritik nicht unangemessen, wie schon ein kurzer Blick über die Grenzen zeigt. So bietet der österreichische Ableger der Deutschen Telekom eine Flatrate mit voller Geschwindigkeit für die ersten 6 GB für knapp 40 Euro an, hierzulande wird das Doppelte fällig. Einen nachvollziehbaren Grund dafür gibt es nicht, schließlich herrscht jenseits der Alpen nicht mehr oder weniger Wettbewerb als hier.

Für weitaus mehr Unverständnis sorgt hierzulande jedoch mittlerweile die Art und Weise, mit der die deutschen Provider ihre Kunden hinters Licht führen wollen - um bei einer politisch korrekten Ausdrucksweise zu bleiben. Die beiden besten Beispiele der jüngeren Vergangenheit haben dabei ihren Ursprung jeweils - wie der Zufall so will - im Sommer des vergangenen Jahres.

Datenautomatik = Abzockautomatik

Anfang Juni führte die E-Plus-Tochter Base still und heimlich eine Datenautomatik ein. War das ungedrosselte Datenvolumen aufgebraucht, wurde nicht einfach wie bis dato üblich das Tempo gesenkt, sondern ein neues Datenpaket hinzugebucht. Was zunächst komfortabel klang, konnte im Endeffekt zu monatlichen Mehrkosten von 15 Euro führen. Nach viel Protest und einer Abmahnung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ruderte das Unternehmen zurück.

Dass man aus den Fehlern der Anderen nicht zwangsweise lernt, zeigte nun O2, seit kurzem unter dem gleichen Dach zuhause wie auch Base und E-Plus. Denn dort kommt bei Neuverträgen und Vertragsverlängerungen in einigen Tarifen nun das gleiche Prinzip zum Einsatz. Auch dort ist die Rede von einer Datenautomatik - natürlich nur im Sinne des Verbrauchers: „O2 unterstützt die Nutzer auf ihrer digitalen Reise und entwickelt die O2 Blue Tarife für diese Bedürfnisse weiter.“ Bedeutet im Klartext: Wer sich das Kleingedruckte nicht haargenau durchliest, tappt in die Falle. Ist das ungedrosselte Volumen aufgebraucht, wird bis zu dreimal nachgebucht, maximal fällig werden so pro Monat 6 Euro. Geschieht dies drei Monate in Folge, wird - natürlich ganz im Sinne der Kundenfreundlichkeit - ein zusätzliches Datenpaket für 5 Euro aktiviert.

O2 hat aus den Fehlern von Base nicht gelernt

O2 hat aus den Fehlern von Base nicht gelernt

Das Problem: Aktuellen Berichten zufolge lässt sich der neue „Service“ nur über die Kunden-Hotline abbestellen, weder bei Vertragsabschluss noch über das Online-Portal ist eine Deaktivierung möglich. Ob der Kunde im Shop im Rahmen der Beratung darauf hingewiesen wird? Angesichts der Drückerkolonnenmentalität in manchen Filialen der üblichen Anbieter eher fraglich.

Causa Spotify oder das Rätsel des verschwundenen Volumens

Das zweite Beispiel hat seinen Anfang im Juli. Zu diesem Zeitpunkt fiel einigen Kunden der Deutschen Telekom mit gebuchter Spotify-Option auf, dass die Nutzung des Dienstes, die laut Vertrag keinen Einfluss auf das gebuchten Datenvolumen haben sollte, doch zulasten eben dieses ging. Binnen kürzester Zeit erklärte das Unternehmen, dass die Beobachtung korrekt sei, es sich aber um keine Verletzung des Vertrags handeln würde. Denn in diesem sei lediglich die Rede davon, dass das Streaming - also die Übertragung von Musik - nicht berücksichtigt werden würde. Grund für den vermeintlichen Fehler sei jedoch das Herunterladen von Alben-Covern und Zusatzinformationen während des Streamens - beides übrigens nicht abschaltbar.

Statt einen Fehler einzugestehen, will die Deutsche Telekom Kunden besänftigen

Statt einen Fehler einzugestehen, will die Deutsche Telekom Kunden besänftigen

Sagenhafte sieben Monate später haben die Bonner es nun geschafft, eine „Lösung“ zu präsentieren. Von nun an erhält jeder Nutzer pro Monat 100 MB zusätzlich zum gebuchten ungedrosselten Datenvolumen. Bedeutet in diesem Fall im Klartext: Die Deutsche Telekom kann einen eigenen Fehler nicht einräumen und speist Kunden mit einer lächerlichen und eventuell nicht einmal ausreichenden Entschädigung ab, die dann noch nicht einmal rückwirkend gilt.

Völliges Desinteresse

Anführen könnte man noch zahllose Beispiele, die das völlige Fehlen von Kundenfreundlichkeit oder Interesse an Kundenbindung unterstreichen. Dass unter solchen Umständen vermeintliche Billiganbieter, die ja kaum noch etwas schlechter machen können, mehr und mehr Zulauf erhalten, darf in den Zentralen niemanden wundern.

Und Besserung ist nicht in Sicht. Denn die Politik hat sich nicht zuletzt durch die genehmigte E-Plus-Übernahme sowie die derzeitige Behinderung des Markteintritts eines weiteren Netzbetreibers klar auf Seiten der Industrie gestellt. Vielen Dank!

Quellen und weitere Links

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