@silverbullet ...wir entfernen uns immer weiter vom Thema, aber egal
Geleitwort zum Volkstrauertag 2003
In der Reihe der Gedenktage, die unser Kalender aufweist, nimmt der Volkstrauertag eine besondere Stellung ein. Wir gedenken der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Wir gedenken der Gefallenen und in Kriegsgefangenschaft Verstorbenen, wir erinnern uns an die Schrecken der Vertreibung, an die Not der Bombenopfer und gedenken auch derer, die aus ideologischen und rassistischen Gründen verfolgt wurden oder weil sie Widerstand leisteten.
Dabei erfüllen wir ein Gelöbnis der Kriegsgeneration, das da lautet: Vergesst die Toten nicht, erhaltet ihre Gräber und auch ihre Namen - es sind Millionen. Erinnert euch daran, wie es zu diesem Unheil kommen konnte, und setzt euch dafür ein, dass sich derartiges nie wiederholen kann. Es ist das Versprechen einer ganzen Generation, die Erbschaft eines durch zwei Weltkriege geprägten Jahrhunderts und die Verpflichtung eines ganzen Volkes.
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge erfüllt dieses Versprechen und wird dabei durch ungezählte Helfer und Förderer unterstützt. Noch heute suchen wir nach den Gräbern der Gefallenen in Osteuropa, wir versuchen Schicksale zu klären, und die Zahl der Kriegsgräberstätten, die wir in 43 Staaten pflegen, ist auf über 800 gestiegen. Unter dem Motto „Versöhnung über den Gräbern - Arbeit für den Frieden“ fördern wir die Begegnung zwischen den Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und wir setzen uns im Rahmen unserer Jugend- und Schularbeit seit nunmehr 50 Jahren dafür ein, dass auch in den nachfolgenden Generationen die Erinnerung an die beiden Weltkriege und deren Schrecken nicht erlischt.
Auch im neuen Jahrhundert hat diese Aufgabe nichts an Aktualität eingebüßt. Das Streben nach Verständigung und Versöhnung als Grundlage für den Frieden erfordert Beharrlichkeit, es gibt keine Alternative dazu.
Und noch immer gibt es 1,4 Millionen ungeklärte Schicksale allein von deutschen Opfern des Zweiten Weltkrieges. Die Befürchtungen, mit zunehmendem zeitlichen Abstand zu 1945 würde sich kaum noch jemand für diese Menschen interessieren, sind nicht eingetroffen. Vielmehr stellen wir fest, dass es neben der Kindergeneration heute vor allem die Enkel der Gefallenen und Vermissten sind, die nachfragen und auch selbst nachforschen. Sie geben sich nicht mit der vagen Auskunft zufrieden, der Großvater sei irgendwo in Russland gefallen. Statt dessen wollen sie möglichst genau wissen, was damals passiert ist: wo und unter welchen Umständen er gefallen, wo er begraben ist und was für ein Mensch er war. Dabei gehen die Enkel weit unbefangener vor als die Generation der Kinder, denn in der zeitlichen Distanz zu den Geschehnissen von damals ist der Umgang mit diesen erheblich leichter. Das zunehmende Interesse am Schicksal der einzelnen Menschen bestärkt den Volksbund in seinen Bemühungen, noch möglichst vielen Gefallenen in Osteuropa eine würdige Ruhestätte zu schaffen, die vorhandenen Gräber zu erhalten und für die Begegnung der Menschen an den Ruhestätten der Toten zu sorgen. Es ist unsere Pflicht, das Gedenken an die Opfer zu bewahren und den nachfolgenden Generationen als Vermächtnis einer Zeit zu übergeben, in der der Idealismus und die Opferbereitschaft eines ganzen Volkes auf skrupellose Weise missbraucht wurden.
Reinhard Führer
Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.