Vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan
Mit der Eröffnungs-Partie Dortmund gegen Bremen wird am Freitag die 50. Bundesliga-Saison angepfiffen. SPORT1 blickt zurück.
Von Rainer Kalb
München - Ein "hässliches Entlein" war die Fußball-Bundesliga eigentlich nie. ( DATENCENTER: Die Bundesliga)
Aber nach den Geburtswehen vom 28. Juli 1962, als heftiger Widerstand gegen die Einführung einer Lizenzliga auf dem Bundestag des DFB im Goldsaal der Westfalenhallen zu Dortmund gebrochen werden musste, war es zu Beginn noch nicht der "stolze Schwan" von heute. Als an jenem 24. August 1963 ab 17 Uhr in acht Stadien erstmals um Bundesliga-Punkte gekämpft wurde, war noch vieles anders als im heutigen Medienzeitalter.
Erstes Tor ohne Kameras
Dazu gehört auch, dass das erste Bundesliga-Tor, erzielt vom damaligen Dortmunder Timo Konietzka, der Anfang des Jahres freiwillig aus dem Leben schied, weder von einem Fotografen, geschweige denn von einer Filmkamera aufgenommen wurde.
Nach 58 Sekunden war Konietzka in Bremen zum 1:0 für den BVB erfolgreich, die 2:3-Niederlage der Borussia an der Weser konnte er aber trotzdem nicht verhindern.
Das erste Tor für den 1. FC Köln in der Bundesliga-Geschichte schoss im Übrigen kein Geringerer als ein gewisser Wolfgang Overath auf Vorarbeit eines gewissen Hans Schäfer, seines Zeichens Weltmeister von 1954 und am Wunder von Bern beteiligt.
Köln holt den ersten Titel
Die neue Spielergeneration (Overath) und die alte (Schäfer) gab zum Bundesligastart ihr Stelldichein. Aber die neue obsiegte, und der erste Meister hieß in souveräner Manier am Ende 1. FC Köln.
Erster Torschützenkönig wurde Uwe Seeler (30 Treffer), einer der ersten ganz großen Protagonisten der neuen deutschen Eliteklasse, die sich schnell als Erfolgsmodell entpuppte.
Herthas Zwangsabstieg
Allerdings verlor sie schon in der zweiten Saison ihre Jungfräulichkeit. Unerlaubte Gehalts- und Handgeldzahlungen wurden Hertha BSC nachgewiesen.
Auch der Berlin-Bonus half nichts, der Zwangsabstieg war die Folge. Auf einem außerordentlichen Bundestag wurde zum die Aufstockung der Bundesliga auf 18 Teams beschlossen.
Nach zwischenzeitlicher weiterer Aufstockung aufgrund der Wiedereinigung umfasst die Liga auch heute noch 18 Teams.
Bayern und Gladbach prägen die Liga
Und zu diesen zählten ab 1965/1966 auch zwei Klubs, die maßgeblich den deutschen Fußball in den nächsten Jahren und Jahrzehnten prägen sollten.
Der heutige Rekordmeister Bayern München mit klingenden Namen wie Franz Beckenbauer, Gerd Müller und Sepp Maier schaffte ebenso den Aufstieg in die Bundesliga wie das Pendant vom Niederrhein, Borussia Mönchengladbach.
Dort hatte ein knorriger Trainer namens Hennes Weisweiler quasi aus dem Nichts eine Mannschaft aufgebaut.
Günter Netzer, Jupp Heynckes und Berti Vogts kickten damals schon auf dem Bökelberg, der Jahre später fast zu einer uneinnehmbaren Fußball-Festung werden sollte und als Heimstätte der sogenannten "Fohlen" europaweit Bedeutung erlangte.
Merkel wird mit den "Löwen" Meister
Doch Meister 1966 wurde nicht der FC Bayern, sondern vielmehr der Lokalrivale TSV 1860.
Erfolgscoach der "Löwen" war der Österreicher Max Merkel, der den Ruf des knallharten, kompromisslosen Trainers besaß.
Allerdings hatten die Sechziger nicht nur Asse wie Konietzka, Rudi Brunnenmeier oder Peter Grosser in ihren Reihen, der eigentlich Star war Torwart Petar Radenkovic. Der schlaksige Jugoslawe war nicht nur bekannt für seine weiten Ausflüge außerhalb des Strafraums, sondern machte sogar als Sänger ("Bin i Radi, bin i König") Karriere. Radenkovic gehörte zu den zahlreichen Unikaten in 50 Jahren Bundesliga-Geschichte.
Müller verwewigt sich
1967 holte sich zwar Eintracht Braunschweig den Meistertitel, aber darüber hinaus verewigte sich erstmals als Torschützenkönig "kleines dickes" Müller in den Annalen.
Gerd Müller, Mittelstürmer von Bayern München, musste sich die Torjägerkanone zwar mit Lothar Emmerich (je 28Treffer) teilen, aber erstmals deutete der pummelig wirkende Angreifer an, dass ein Jahrhundert-Torjäger in den nächsten Jahren der Bundesliga seinen Stempel aufdrücken sollte.
Nürnberg schreibt Geschichte
Ein Jahr später führte erneut Max Merkel eine Mannschaft zur Meisterschaft. Allerdings nicht die Münchner "Löwen", sondern den 1. FC Nürnberg.
Auch in der darauffolgenden Saison spielte der FCN eine entscheidende, wenn auch tragische Rolle. Denn der ruhmreiche Club, der Meister von 1968, stieg nur ein Jahr später ab.
Am 7. Juni 1969 kam es beim 1. FC Köln zum "Abstiegsendspiel" - die "Geißböcke" siegten 3:0 und besiegelten den Abstieg der "Clubberer".
Meister wurde unterdessen der FC Bayern – viele Titel sollten folgen.
Die 70er Jahre standen dann aber zunächst ganz im Zeichen von Borussia Mönchengladbach.
1970 und 1971 holten die "Fohlen" vom Niederrhein unter Fußball-Professor Hennes Weisweiler die Meisterschale.
Gladbach begeistert ganz Deutschland
Die Borussia spielte schnörkellosen Offensivfußball, begeisterte die Fans in ganz Deutschland. Netzer, Vogts und Heynckes spielten immer noch oder wieder am Bökelberg.
Das Geheimnis des Erfolgs war die Weisweilersche Kontertaktik.
Keine andere Mannschaft konnte damals so schnell von Abwehr auf Angriff umschalten und die gegnerische Verteidigung damit aus den Angeln heben.
Am berühmten Pfostenbruch 1971 im Heimspiel gegen Werder Bremen waren ebenfalls die Gladbacher beteiligt.
Der Bundesliga-Skandal
Aber für noch mehr Schlagzeilen sorgte am Tag nach Bundesliga-Ende der Präsident von Kickers Offenbach.
Horst-Gregorio Canellas machte mit Hilfe von Tonbandaufnahmen auf einer Gartenparty zu seinem 50. Geburtstag den Bundesliga-Skandal von 1971 publik.
Gegen Schmiergeldzahlungen waren Spiele verschoben worden. Es folgte eine Prozessflut und drakonische Strafen unter anderem gegen Spieler von Schalke 04, Hertha BSC, Arminia Bielefeld und den 1. FC Köln.
Zuschauerzahlen im Keller
Die Bundesliga hatte endgültig ihre Unschuld verloren und lange an den Folgen des Manipulationsskandals zu knabbern. Die Zuschauerzahlen gingen in den Keller, keiner traute mehr den Profis.
Erst nach und nach kamen die Fans in die Stadien zurück. Dass dies gelang, hatte die Liga in dieser Phase vor allem dem FC Bayern zu verdanken. Denn nun waren die Münchner an der Reihe, dominierten die Liga. 1972 wurden dabei zwei Torrekorde aufgestellt, die noch heute Bestand haben:
Die Bayern erzielten in 34 Spielen sage und schreibe 101 Tore.
Bestmarke für die Ewigkeit
Müller, der Bomber der Nation, war allein 40-mal in dieser Spielzeit erfolgreich und stellte eine Bestmarke für die Ewigkeit auf. Eine Saison später
(1972/73) holten die Bayern einen Start-Ziel-Sieg. Vom ersten bis zum letzten Spieltag thronten Beckenbauer, Müller, Maier und Co. an der Tabellenspitze.
So ging die erste Bundesliga-Dekade zu Ende.