Damit wollte ich auch nicht deine Aussage in Frage stellen bzw. sie relativieren. Der Aspekt von Leibniz war im historischen Sinne von Interesse. Denn es kann einfacher sein, aktuelle Hypothesen und Theorien zu verstehen, wenn man dazu die historische Entwicklung kennt und die Weiterentwicklungen. Ich stimme dir da zu und heute vertritt eigentlich niemand mehr einen psychophysischen Parallelismus wie Leibniz.
Ca. 98% vertreten heute einen Idealismus, Dualismus oder Materialismus/Physikalismus. Wobei die aller meisten einen Materialismus vertreten, entsprechend auch der meisten heutigen Wissenschaften. Bei allen drei Positionen bestehen natürlich zahlreiche Unterkategorien bzw. "Spielweisen". Das Thema kann insofern interessant im Zusammenhang mit der Frage nach Außerirdischen sein, da es weitere Sichtweisen einbringt, wie sich auch fremdes Leben vorgestellt werden kann usw.
Ach, edit: Freier Wille. Ich habe deinen Beitrag dazu gerade ausversehen überflogen. Werde noch was dazu schreiben...
Bezüglich deiner Frage: Ich schreibe hier fast nur im Auto-Thread und hatte gestern Langeweile, darauf bin ich dann auf diesen Thread hier gestoßen. Ich habe selbst Psychologie studiert und studiere nun Neurowissenschaften und Philosophie, daher hat mich das Thema der Außerirdischen im Zusammenhang mit möglichen psychischen Aspekten dieser ebenfalls interessiert. Mir fehlt leider Wissen in der Physik. Wenn ich hier lese: Hut ab. Ich wünschte, dass ich in diesem Bereich mehr Wissen hätte, nur fehlt auch die Zeit ernsthaft damit zu beginnen.
Bezüglich der Thematik kann man zuerst einmal folgende drei Hypothesen aufstellen. Diese werden üblicherweise (wenn auch unterschiedlich formuliert) gegeben:
- Mentale Phänomene sind nicht-physische Phänomene (dies ist die Position des Dualismus). (1)
- Mentale Phänomene können auf physische Phänomene kausal wirksam sein. (2)
- Die physische Welt ist kausal geschlossen (Hypothese physikalische Geschlossenheit). (3)
Wir können nur zwei der drei nach Wahl bzw. persönlicher Überzeugung annehmen. Alle drei anzunehmen ist logisch nicht möglich. Die zahlreichen Positionen bezüglich der Thematik zeichnen sich nun u.a. dadurch aus, welche zwei Hypothesen sie annehmen und welche sie negieren. Keine von diesen ist bisher bewiesen/widerlegt! Das ist natürlich wichtig zu wissen.
Man könnte die drei Hypothesen auch alternativ formulieren, damit die Verständlichkeit noch besser wird:
- Mentale Entitäten bestehen und sie gehören einem Bereich an, der nicht physisch ist (Dualismus).
- Mentale Entitäten bestehen und sie gehören nicht einem Bereich an, der physisch unabhängig ist. Das mentale ist abhängig von der physischen Basis, ohne das es auf jene komplett zurückgeführt werden kann (Materialismus).
- Mentale Entitäten bestehen und sie gehören nicht einem Bereich an, der physisch unabhängig ist. Das mentale ist abhängig von der physischen Basis, und kann komplett auf jene zurückgeführt werden kann (Materialismus).
- Mentale Entitäten gibt es nicht (eliminativer Materialismus usw.).
Bezüglich deiner Aussagen:
Kausale Interaktion zwischen Körper und Geist gibt es.
Dies wäre die Bejahung von der Hypothese 2 oben. D.h. mentale Phänomene (oder psychische) sind kausal wirksam. Es kommt natürlich darauf an, was du jetzt darunter verstehst. Bewiesen ist diese Hypothese nämlich keineswegs! Ich fasse es kurz zusammen:
Deine Position des Materialismus ist mit der Hypothese mentaler Verursachung vereinbar. Aber sie gehören nicht zwangsweise zusammen. D.h. eine materialistische Position kann die Hypothese mentaler Verursachen auch negieren.
Dies wäre dann der Epiphänomenalismus. Dieser postuliert, dass mentale Phänomene letztendlich physische Eigenschaften sind und das psychische lediglich ein Epiphänomen, d.h. eine Begleiterscheinung, die aber nicht kausal zurück auf die physische Basis wirkt. Konkret bedeutet an einem Beispiel verdeutlicht sähe das wie folgt aus:
- Du hebst den Arm und meinst, dass du den Arm gehoben hast, weil es dein Wunsch bzw. deine Intention war innerhalb deines phänomenalen Erlebens. Der Epiphänomenalismus würde dies negieren. Er behauptet hingegen, die cerebrale Aktivität der Neurone deines Gehirns hat diese Handlung ausgelöst, das Mentale ist nur ein nachträgliches Begleitphänomen, das uns als kausal erscheint, es aber nicht wirklich ist. Er stützt sich hier z.B. gerne mit den Erkenntnissen der Neurowissenschaften, dass Millisekunden vorher bereits die neuronale Aktivität vorlag. Das ist aber kein Beweis entgegen der Hypothese mentaler Verursachung! Es gibt für diesen Punkt Pros und Cons, die also dafür und dagegen sprechen. Final bewiesen haben die Neurowissenschaften hier noch nichts (die Pros und Cons lasse ich aus, da es sonst zu lange wird und ja nur ein kleines Beispiel ist).
Aber in dem Moment, indem man einen psychischen Prozess – und meiner Meinung nach gibt es nur psychische Prozesse und keine psychischen Zustände – als Wirkung eines materiellen Prozesses betrachtet, stellt man sofort eine Trennung zwischen Geist und Körper her. Ich halte es für sinnvoller, geistige und materielle Prozesse als Aspekte ein und desselben anzusehen. Ich sehe auch keine Notwendigkeit, für dieses Ein-und-dasselbe, das ja ein Drittes ist, einen Begriff zu finden, der beides zusammenfasst.
Die Trennung von Körper und Geist, die heute auch das Alltagsverständnis vieler Menschen beeinflusst, stammt insbesondere von Descartes. Diese hat in unserer Geschichte sozusagen bis heute im naiven Laienverständnis angehalten. Aber zu deinem Punkt:
Hier verstehe ich nicht komplett, wie die Aussage von dir gemeint ist. Es gibt z.B. Positionen wie von Spinoza, die etwas drittes neben Geist und Materie postuliert haben, auf die sich beide beziehen. Aber das meinst du ja wohl nicht, soweit ich deine Ansichten bisher kenne.
Ja (gerade nochmals gelesen), damit entspricht deine Ansicht wohl die einer Identitätstheorie. Übrigens, vielleicht ist dir die Einordnung ja auch völlig egal. Ich hoffe, du verstehst mich hier nicht falsch; man könnte es ja auch als überheblich missintepretieren. Aber eventuell interessiert es dich ja und der Diskussionsstandpunkt wird so klarer.
Die Identitätstheorie geht davon aus, dass Punkt 2 und Punkt 3 der Hypothesen oben zutreffen. Der Dualismus (1) wird negiert. D.h:
- Mentale Verursachung ist möglich.
- Die physische Welt ist kausal geschlossen.
Man hätte ja auch ein ernstes Problem, wenn man die Hypothese negiert, dass die physische Welt nicht kausal geschlossen ist. Beispiel: Das "seelische" führt im Substanzdualismus dem Körper Energie zu. D.h. der Energieerhaltungssatz wäre gebrochen. Eccles vertrat hier damals die Hypothese, dass eben dies nicht passiert, in Bezug auf die Quantenprozesse im Gehirn. Wie gesagt war seine empirische Ausarbeitung bezüglich der Thematik sehr wackelige und unvollständig. Immerhin war es ein Versuch den Dualismus auch empirisch zu begründen. Sein Kollege diesbezüglich (Karl Popper) formulierte auch vorsichtiger, entsprechend einer Forschungsbasis usw. Das passt ja auch zu ihm, wir kennen ihn ja. Popper postulierte dagegen aber sogar 3 Welten, aber das ist ein anderes Thema...
Das mentale Verursachung möglich ist, ist in der Identitätstheorie natürlich automatisch eine Schlussfolgerung: Wenn psychische Prozesse im Endeffekt physische sind, so wird die kausale Geschlossenheit der physikalischen Welt ja nicht verletzt (kurz und genial gelöst). Daher kann die Hypothese innerhalb der Identitätstheorie angenommen werden. Psychophysische Gesetze werden mitunter auch negiert, denn sie sind ja nicht mehr notwendig, bedingt durch die Einheit. Für diese Position gibt es natürlich auch wieder viele Pros und Cons. Ich kenne sie hier aber nicht auswendig und habe ehrlich gesagt auch jetzt keine Lust darauf zu abzuschreiben, hoffe, das ist verständlich.
Je nachdem, was man gerade beschreiben will, nutzt man halt die Sprache der Neurologie oder die der Psychologie oder einfach Alltagssprache.
Das sehe ich auch so wie du. Aber es gibt eben Positionen, die dies negieren und ander wiederum, die diese Negation für falsch halten bzw. ein Programm für undurchführbar. Geht man von einem reduktiven Materialismus aus, ja gar von einem eliminativen, so besteht bei manchen Vertretern ja die bereits genannte Hypothese, das man alles auf die Neurowissenschaften und zuletzt noch auf die reine Physik zurückführen kann, wenn die Wissenschaften erst einmal weit genug sind. Andere sprechen dagegen und begründen dies z.B. damit, dass phänomenales Erleben (unser subjektives, das wir selbst erfahren) nicht mit der Physik beschreibbar ist, d.h. nicht komplett reduktiv auf die physische Basis zurückgeführt werden kann.
Ja, ich halte freien Willen für eine Illusion. Aber mit dieser Illusion lässt es sich leben, ohne sich dabei von der Natur fremdbestimmt zu fühlen. Für viele Menschen scheint die Vorstellung, sie hätten keinen freien Willen, aber unerträglich zu sein. Sie fühlen sich gekränkt, wenn man sie damit konfrontiert. Ich bilde mir auf meine Menschlichkeit nicht allzu viel ein. Deswegen findest du auch in vielen meiner Beiträge Formulierungen wie: ›Menschen, andere Säugetiere und Vögel.‹ Der Begriff Menschlichkeit ist zum Euphemismus verkommen. Alles, was Menschen denken und tun, ist menschlich. Unmenschlich kann logischerweise nur das sein, was Menschen nicht denken oder tun. Der freie Wille lässt sich erhalten, indem man vermeidet, ständig daran zu denken, keinen zu haben.
Diesbezüglich gehen die Meinungen in der Wissenschaft auch weit auseinander.
Es besteht also die Frage, ob Determinismus und freier Wille tatsächlich vereinbar sein können. Man unterscheidet hier zwei grundsätzliche Richtungen:
- Inkompatibilismus: Freier Wille und Determinismus sind nicht vereinbar.
- Kompatibilismus: Beides ist miteinander vereinbar (wie gilt in den einzelnen Subpositionen zu klären).
Wenn es dich interessiert, könntest du nach diesen beiden Begriffen googeln und etwas lesen.
Ich persönlich vertrete die Meinung, dass freier Wille möglich ist und wir nicht determiniert sind durch die Physik bzw. durch einen allgemeinen Determinismus in der Natur, der dies bedingen würde. Es gibt keine vollständige Theorie über die Physik, die Natur, über die gesamte Welt. Es geht schon damit los, welche Theorie der Kausalität vertreten wird. Ob unsere Handlungen determiniert sind wird ja bereits seit der Antike diskutiert. Aufgrund des Weltbildes der Naturwissenschaften heute besteht eine Gewichtung in die Richtung, dass wir kausal determiniert sind und somit nicht frei. Es ist aber Absurd, dass die Personen, die diese Position behaupten, auch für die Freiheit kämpfen, für Menschenrechte, für die Freiheit der Wissenschaften usw. Sie könnten sich auch beruhigt zurücklegen, wenn der freie Wille sowieso eine Illusion ist und der Werdegang kausal determiniert besteht. Praktisch lässt sich diese Annahme kaum bis gar nicht mehr halten. Kant ging von einer Freiheit aus, die er in Kritik der reinen Vernunft gut erörtert hat. Es gibt keine Theorie, die menschliches Verhalten komplett erklärt. Wir können bisher gar nicht beweisen, dass der freie Wille eine Illusion sei, auch nicht durch apriorische Konzeptionen. Natürlich könnte die Hypothese wahr sein, das spreche ich nicht ab, ich könnte mich ja irren. Die meisten Handlungen können Psychologie und Neurowissenschaften nicht kausal erklären. Es bestehen Gründe seitens der Personen, die ich dem freien Willen zuschreiben würde. Man müsste natürlich noch viel mehr schreiben, aber die Argumente, die ich diesbezüglich nutze, sind für dich mit Sicherheit absolut dürftig und würden dich wohl eher langweilen.
Ein Punkt, den ich strengen Deterministen entgegenhalte, ist aber (etwas lustig) der, dass ich sie nicht ernst nehmen kann (Spaß
). Denn sie sind ja auch selbst nicht frei in ihrem Willen alles was sie sagen, ist sowieso determiniert, durch äußere und innere physikalsiche Faktoren und nicht durch sie selbst.
Aus Sicht der Evolution erscheint es mir fraglich, wieso sich Bewusstsein entwickelt hat, wenn es ansich in der natürlichen Selektion nicht Vorteilhaft gewesen wäre, wenn Erleben und Verhalten ja determiniert sind und eigentlich keine Willensfreiheit besteht.