Warum ich vor dem LHC-Experiment warne | Otto E. Rössler, Universität Tübingen
Es ist mir eine Ehre, dass ich einen allgemeinverständlichen Beitrag schreiben darf. Meine Hörer aus der Chaosvorlesung und ich sind auf ein neues Faktum in der allgemeinen Relativitätstheorie gestoßen, das uns von fast allen Fachleuten unterscheidet, aber nie bestritten wurde. Wir haben es 1998 unter dem Titel “Gravitative Uhrenverlangsamung impliziert proportionale Größenzunahme“ auf englisch in den “Lecture Notes inPhysics“ des Springer-Verlags veröffentlicht, ohne bisher Kritik dafür zu ernten. Dieses Resultat ist der eigentliche Grund für meine Warnung vor dem geplanten Kollisionsexperiment mit unerhört hochbeschleunigten Protonenstrahlen im CERN.
Unser Befund verändert die Interpretation – nicht die Richtigkeit – der alllgemeinen Relativitätstheorie von Einstein in einem Punkt. Einstein nahm an, dass weiter unten in einem Schwerefeld, wo das Licht, wie er entdeckt hatte, rotverschoben (frequenzverlangsamt) ist und wo die Uhren langsamer gehen, drittens die Lichtgeschwindigkeit verlangsamt wäre. Denn von oben gesehen “kriecht“ das Licht dort unten wirklich mit halber Lichtgeschwindigkeit, wenn seine Frequenz halbiert ist.
Dieser dritte Punkt machte Einsteins älteren Kollegen Max Abraham sehr betrübt, der ihn 1912 daran erinnerte, dass doch gerade die Entdeckung der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit Einsteins größte Leistung wäre. Dennoch hatte Einstein das, was von oben zu beobachten ist, richtig beschrieben. Was wir gefunden haben, ist, dass beide Recht haben. Von oben gesehen kriecht das Licht. Das liegt aber nicht daran, dass die Lichtgeschwindigkeit unten zum Beispiel halbiert ist, sondern daran, dass alle Gegenstände und der Raum selbst dort unten in allen Richtungen verdoppelt sind in ihrer Ausdehnung.
Dagegen spricht scheinbar, dass die Breite unverändert ist. Das liegt daran, dass die (nach dem Äquivalenzprinzip hier anwendbare) Lorentztransformation zwar die Länge eines Körpers verändert, aber nicht seine Breite. Die Erkenntnis, dass die Lorentztransformation den Raum nicht nur kontrahieren kann wie von Lorentz beschrieben, sondern auch vergrößern wie von uns hier gefunden, war zuvor schon von Walter Greiner in seinem vielbändigen Lehrbuch beschrieben worden (wie wir später erfuhren). Die scheinbare Unverändertheit der Querrichtung von oben gesehen ist jedoch ein Verzerrungseffekt. Für die Leute unten im Schwerefeld mit ihrer doppelten Größe ist alles normal (isotrop). Sie sind zwar auch doppelt so breit, aber das sieht man nicht von oben (anisotrop). Deshalb kriecht das Licht unten nur scheinbar.
Das ist schwierig und nicht leicht verständlich zu machen: zeitunabhängige relative Raumexpansion (bzw. in der anderen Richtung -schrumpfung). Über fast 10 Jahre hat sich deshalb nichts getan. Doch letztes Jahr ermöglichte es uns ein besonders leserfreundliches Buch über allgemeine Relativitätstheorie, unser Resultat von 1998 in Einsteins späterer endgültiger Theorie von 1915, der allgemeinen Relativitätstheorie, quantitativ wiederzufinden. Tatsächlich ist die “Radarentfernung“ zwischen oben und unten wie in unserem Resultat auch in der allgemeinen Relativitätstheorie beispielsweise doppelt so groß von oben nach unten und halb so groß von unten nach oben. Die in dem Buch von J. Foster und J.D. Nightingale von 2006 (“A Short Course in General Relativity“ im Springer-Verlag) auf Seite 130 angegebene Formel (4.9) zeigt dies. Dasselbe Integral findet sich natürlich auch in vielen anderen Texten – als Resultat der radialen Schwarzschild-Metrik. Aber dass es in den beiden vertikalen Richtungen verschieden ist, kommt nur in diesem Textbuch so deutlich heraus, dass es uns ins Auge sprang.
So entstand das “ℜ-Theorem“: dass es ein natürliches Entfernungsmaß in der allgemeinen Relativitätstheorie gibt, die ℜ-Entfernung (nicht mit der l-Entfernung, die oft auch R Entfernung genannt wird, zu verwechseln), für das die Lichtgeschwindigkeit universell und nicht nur lokal konstant ist. Es spiegelt die Größenzunahme unten wieder und erklärt, warum Licht unendlich lang braucht, um von der Oberfläche (dem sogenannten Horizont) eines schwarzen Loches nach oben und außen zu kommen: weil die ℜ-Entfernung unendlich ist. Bisher war stattdessen immer angenommen worden, dass die unendliche Zeitverzögerung dadurch bedingt ist, dass das Licht dort unten unendlich langsam kriecht. Beide Annahmen sind formal äquivalent. Aber die neue Interpretation ist einfacher und natürlicher. Und: sie macht neue Voraussagen.
Wir sind damit beim LHC-Experiment angekommen. Für uns besitzen schwarze Löcher (die im Large Hadron Collider des CERN zu erzeugen gehofft werden) physikalisch neue Eigenschaften. Zum Beispiel braucht Licht – jede Strahlung – vom Horizont bis nach außen nun unendlich lang, weil eine unendlich große Entfernung zu überwinden ist. Schwarze Löcher können daher nicht mehr “Hawking-zerstrahlen“. Oder genauer gesagt: erst nach unendlich langer Zeit und unendlich langsam (was auf dasselbe hinausläuft). Daher können sie auch nicht in 10 hoch minus 26 Sekunden in einem Schauer von Sekundärteilchen verschwinden, wie das bis heute angenommen wird. Sie müssen also entweder ungesehen wegfliegen oder, wenn eines langsam genug ist, ungesehen in der Erde verschwinden, um dort herumzukreisen und immer langsamer zu werden, während sie, wenn ihnen ein Quark in den Weg kommt, es aufessen. Das einzige noch offene Problem ist dann die Wachstumsgeschwindigkeit, wobei sich eine neue Vermutung ergibt (exponentielles Wachstum durch Attraktorbildung).
Das ℜ-Theorem unterscheidet uns von den anderen Fachleuten – als kleine Minderheit. Sodass nur wir “Einspruch Euer Ehren“ sagen. Warum sollte man auf uns hören? Das verlangen wir gar nicht. Wir wollen nur, dass unser neues Resultat (siehe
http://www.wissensnavigator.ch/documents/OTTOROESSLERMINIBLACKHOLE.pdf) auf einer Sicherheits-Konferenz diskutiert wird von den Welt-Fachleuten, bevor das Experiment noch in diesem Sommer kritisch wird. Wenn wir dabei widerlegt werden, ziehen wir unseren Widerspruch zurück. Andernfalls sind wir nicht mehr allein. Das nennt man Wissenschaft. Wir riskieren unseren guten Ruf. Mehr steht nicht auf dem Spiel.
Leider will das CERN das nicht zulassen. Auch die Europäische Kommission kann es nicht dazu zwingen. (Robert-Jan Smits, Forschungsgeneraldirektor der EU-Kommission, ist eingeschaltet.) Die Gründe sind nicht leicht nachzuvollziehen. Ein Kind hatte schon immer die Möglichkeit, in der Wissenschaft gehört zu werden, wenn der Kaiser keine Kleider anhat, auch wenn das peinlich ist.
Es gibt aber einen zwingenden Grund, warum das CERN diese Konferenz zulassen muss. Angenommen, wir haben Recht. Dann folgt daraus nicht nur, wie besprochen, dass die eventuell erzeugten schwarzen Löcher nicht verdampfen und, wenn eins auf der Erde bleibt, vermutlich multiplikativ wachsen; sondern auch, dass sie keine Signatur – keine Spuren – bei ihrer Erzeugung hinterlassen. Das Experiment wird also, was die Erzeugung von schwarzen Löchern angeht, als Fehlschlag erscheinen. Das CERN wird dieses Resultat groß verkünden. Leider wird in diesem Fall aber niemand erleichtert sein. Auch eine danach einberufene Expertenkonferenz kann dann nicht mehr helfen. Denn zu sagen (falls das der erzielte Konsens wäre), dass “mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit doch schwarze Löcher erzielt worden sind und sich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit wenigstens eins von ihnen in der Erde aufhält und wächst, vielleicht sehr schnell“, wäre dann nicht mehr verantwortbar. Selbst ein vollkommen ungetrübter Konsens bezüglich des Gegenteils(Entwarnung) wäre aus diesem Grund nicht mehr glaubhaft. Die Welt würde deshalb das Experiment nicht verzeihen: weder der Wissenschaft noch Europa. Sie würde das aufgezwungene Experiment irreversibel als das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte einstufen – selbst, wenn im endgültigen Nachhinein gar nichts passiert wäre.
Natürlich zu Unrecht, denn die CERN-Forscher sind honnete und nette Leute. Aber die Folgen wären Decamerone-ähnlich wie im Italien des 14. Jahrhunderts, nur tausendmal schlimmer. Deshalb kann nach dem Experiment keine glaubwürdige Expertenkonferenz mehr einberufen werden. Deshalb muss sie zuvor in den wenigen noch verbleibenden Wochen einberufen werden. Und dies trotz der Tatsache, dass nur eine kleine Minderheit von Fachleuten gegenwärtig die beschriebene Gefahr sieht.
Dies beendet mein Plädoyer an die Öffentlichkeit. Es ist mir sehr peinlich, hier als Warner auftreten zu müssen. Einstein Weiterdenken hundert Jahre nach dem Erscheinen des Äquivalenzprinzips (am 22. Januar 1908 in Johannes Stark’s Jahrbuch für Radioaktivität) tut immer noch weh. Prophet im mahnenden Sinn zu spielen ist ein ungewohntes Gefühl. Jona war enttäuscht, dass man auf ihn hörte. Ich verzeihe Ihnen, wenn Sie auf mich hören. Bitte verzeihen Sie mir, dass ich Ihre Hilfe benötige, um widerlegt zu werden – mein einziges Ziel. Bitte zeigen Sie mir meinen Fehler. Es liegt alles nur an dem engen Zeitfenster.