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Renovieren oder neu bauen? Eine Frage, die potentielle Smartphone-Käufer in den kommenden Wochen häufiger stellen dürften. Denn mit dem Galaxy S6 und dem One M9 kommen in diesem Frühjahr fast zeitgleich zwei neue Topmodelle in den Handel, die trotz ähnlicher Preise unterschiedlicher kaum sein könnten. In drei Teilen klären wir, ob die Philosophie der kleinen Schritte oder der radikale Schnitt die jeweils bessere Lösung ist.
Im ersten Teil dreht sich dabei alles um die Punkte Gehäuse, SoC und die weitere Ausstattung, in den nächsten Tagen folgen dann die Einschätzungen zu den Themen Kamera, Display, Laufzeit und Software. Wer das Rennen am Ende für sich entscheidet, ist dabei völlig offen. Denn die Vergangenheit hat bereits mehrfach gezeigt, dass das Festhalten am Bewährten nicht zwangsläufig ein Nachteil und das Über-Bord-Werfen aller bisherigen Ansätze nicht immer ein Vorteil sein muss.
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SoC
Ein Stück weit muss dies schon beim SoC im Hinterkopf behalten werden. Denn während die Galaxy-S-Reihe zuletzt ebenso wie die One-Familie mit Qualcomm-Chips ausgestattet war, wenn auch nicht immer mit den gleichen Modellen, gibt es hier nun erstmals einen zunächst drastisch wirkenden Unterschied. Samsung verlässt sich auf die Eigenentwicklung Exynos 720, auf die wir bereits im Test das Galaxy S6 edge ausführlicher eingegangen sind, HTC bleibt hingegen Qualcomm treu und verbaut die derzeit schnellste Lösung der Kalifornier, den Snapdragon 810.
Doch abseits der Namen ähneln sich die SoCs in vielen Punkten. Beide basieren sowohl auf ARMs Big.Litlle-Konzept als auch auf den Cortex-A53- und A57-CPUs der Briten. So stecken in beiden Chips jeweils vier Kerne der genannten Typen, die auch in Hinblick auf die Taktraten dicht beieinander liegen. Im Galaxy S6 arbeitet der A57-Part mit 2,1 GHz, im One M9 sind es 2,0 GHz; die A53-Kerne takten in beiden SoCs mit 1,5 GHz. Entsprechend des Big.Little-Konzepts können allen Kernen unterschiedliche Aufgaben zugewiesen werden, um einerseits so viel Leistung wie möglich bereitzustellen, andererseits aber auch so sparsam wie möglich zu arbeiten - hier nehmen sich beide SoCs nichts, der Nutzer spürt in der Praxis vom schnellen Umschalten nichts.
Dafür macht sich an vielen Stellen unter Umständen eine andere Veränderung gegenüber den beiden Vorgängermodellen bemerkbar. Denn anders als noch beim Galaxy S5 und One M8 kommt nun Arbeitsspeicher von Typ LPDDR4 zum Einsatz, der von beiden SoCs unterstützt wird. Daraus resultiert eine deutlich höhere Speicherbandbreite, was wiederum eine Steigerung der Systemperformance bedeutet. Ebenfalls identisch: Sowohl im Galaxy S6 als auch im One M9 stecken gleich 3 GB RAM. Auch deshalb liegt die Leistung beider Smartphones teils deutlich über der des Vorjahres.
Interessanter sind aber die mitunter gravierenden Unterschiede zwischen den beiden aktuellen Modellen. So erreicht das Galaxy S6 im AnTuTu-Benchmark (64 Bit) eine Gesamtwertung von über 59.200 Punkten, das One M9 kommt hingegen nur auf etwa 49.900 Punkte. Ähnlich das Bild in der CPU-Bewertung - hier erreicht Samsung etwa ein Drittel mehr als HTC. Dafür liegen die Taiwaner jedoch in Sachen GPU vorn: Die in den Snapdragon 810 integrierte Adreno 430 liefert im 3D-Test 17.000 Punkte, die Mali-T760 des Exynos 7420 hingegen nur 12.000 Punkte. Auf etwa einem Niveau liegen die beiden Testmuster hingegen laut 3DMark (Ice Storm Unlimited), hier werden dem Galaxy S6 22.100 Punkte attestiert, die One M9 21.100 Punkte. Etwas weiter die Nase vorn hat Samsung im PCMark für Android, hier entscheidet man den Benchmark mit 4.900 zu 4.100 Punkten für sich. Anders sieht es am Ende in den browser-lastigen Tests aus: Sowohl im SunSpider- als auch im Browsermark-Durchlauf liegt das One M9 vor dem Konkurrenten.
Im Alltag machen sich all diese Unterschiede jedoch nicht bemerkbar, weder in grafisch aufwendigen Spielen noch beim Surfen. Beide Smartphones bieten für diese Aufgaben mehr als genügend Leistung und dürften auch in zwei oder drei Jahren noch über genügend Reserven verfügen.
Unterschiede gibt es bei der Hitzeentwicklung. Denn während sich der SoC des Galaxy S6 im PCMark auf maximal etwa 30 Grad Celsius erwärmt, überschreitet das One M9 mitunter die Marke von 40 Grad Celsius. Bei Applikationen, die mehr Leistung benötigen, dürfte sich der Unterschied vergrößern, was Diskussionen rund um die Hitzeentwicklung des Snapdragon 810 weiter befeuern dürfte. Beim Galaxy S6 bleibt zu erwähnen, dass die Leistung innerhalb von Benchmarks wie schon beim Galaxy S6 edge starken Schwankungen unterworfen war.
Weitere Ausstattung
In Hinblick auf die weitere Ausstattung liegen beide Smartphones auf einem hohen Niveau und unterschieden sich lediglich in kleineren Punkten. So kommt in beiden WLAN nach ac-Standard zum Einsatz, nur Samsung setzt jedoch auf eine MIMO-Antennenkonfiguration, was höhere und stabilere Datenraten verspricht. Bluetooth 4.1 und NFC kommt hingegen in beiden Geräten zum Einsatz, ebenso ist jeweils ein Infrarot-Sender im oberen Rand platziert, der den Einsatz als Fernbedienung möglich macht. Einheit herrscht auch bei den kabelgebundenen Schnittstellen. USB-Kabel werden in Form von Micro-USB unterstützt, mehr als USB 2.0 wird jedoch nicht geboten. Dafür können Display-Inhalte auf gleichen Wege dank MHL 3.0 übertragen werden. Wer Kopfhörer oder Headsets anschließen möchte, kann auf die in beiden Fällen unten platzierte Audio-Buchse im Standard-Format zurückgreifen.
Kleinere Unterschiede lassen sich bei den Sensoren feststellen: Während der Standard von beiden Geräten geboten wird, setzt nur Samsung auf die Erkennung von Fingerabdrücken sowie das Messen des Herzschlags. Im Gegenzug bietet HTC mehr bei der Audiowiedergabe abseits von Kopfhörern. Denn wie gewohnt sitzen ober- und unterhalb des Displays Stereo-Lautsprecher, die sowohl in Sachen Lautstärke als auch in Hinblick auf die Qualität deutlich vor Samsungs einzelnem Lautsprecher rangieren. Einen weiteren kleinen Pluspunkt verdient HTC ebenfalls in die Sparte Multimedia: Denn im One M9 steckt ein FM-Tuner, beim Galaxy S6 muss man auf diesen Weg des Radio-Empfangs verzichten.
Für Interessenten aber weitaus wichtiger: Während Samsung erstmals bei einem Modell der Galaxy-S-Reihe auf eine microSD-Slot zum kostengünstigen Erweitern des internen Speichers verzichtet, hält HTC daran fest. Für die Praxis bedeutet das: Beim Galaxy S6 muss vor dem Kauf feststehen, wie viel Speicher in den kommenden zwei oder drei Jahren benötigt wird, beim M9 kann im Fall der Fälle zur günstigen Speicherkarte gegriffen werden. Allerdings bieten beide Grundmodelle bereits 32 GB, mehr fest verbaute Kapazität - 64 oder 128 GB - steht gegen Aufpreis nur bei Samsung bereit. Erwähnenswert ist an dieser Stelle die von den Südkoreaner eingesetzte UFS-2.0-Technik, die im Test des Galaxy S6 edge bereits vorgestellt wurde und deutlich höhere Übertragungsraten als die übliche eMMS-Technik bieten soll.
Zu guter Letzt gibt es noch zwei derzeit für deutsche Nutzer uninteressante Unterschiede. So steckt im Galaxy S6 die MST-Technik, die zu einem späteren Zeitpunkt für Samsung Pay genutzt werden kann, das One M9 ist zumindest in der Theorie auch in LTE-Netzen nach Cat 9 mit bis zu 450 Mbit pro Sekunde im Downstream einsatzbar. Denn laut Qualcomm ist das zum SoC gehörige LTE-Modem entsprechend ausgestattet, HTC spricht im Datenblatt jedoch lediglich von Cat 6.
Den Schlussstrich setzten die Telefonieeigenschaften, die bei beiden Geräten als gut zu bewerten sind. Störende Nebengeräusche werden jeweils zuverlässig unterdrückt, die generelle Gesprächsqualität liegt auf einem hohen Niveau.