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Huawei Mate S im Test

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Spätsommer 2015: Die versammelte Technikpresse folgt Huaweis Einladung und erwartet die Vorstellung eines Nachfolgers für das Ascend Mate 7. Doch nach gut einer Stunde steht fest, dass es zumindest vorerst keine Wachablösung geben wird. Stattdessen soll das Mate S eine Lücke zwischen dem ein Jahr alten Phablet und dem P8 schließen. Ob das gelingt, zeigt der Test.

Warum der aber alles andere als leicht ist, wird beim gleichzeitigen Blick auf die beiden Schwestermodelle und den Preis deutlich. Zwar stellt das Konzept eine Mischung beider Baureihen dar, mit unverbindliche 649 Euro ist das Mate S aber nicht nur deutlich teurer als das Ascend Mate 7 und P8 (in beiden Fällen liegt die UVP bei 499 Euro), sondern auch das bislang teuerste Smartphone des inzwischen drittgrößten Herstellers. Entsprechend hoch waren und sind die Erwartungen.

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Überzeugendes Gehäuse

Zunächst ein Blick auf das Gehäuse. Mit 149,8 x 75,3 x 7,2 mm und 156 g ist das Mate S dem P8 (144,9 x 72,1 x 6,4 mm, 144 g) näher als dem Ascend Mate 7 (157,0 x 81,0 x 7,9 mm, 185 g). Dies liegt in erster Linie am Display, das mit 5,5 Zoll ebenfalls dichter am P8 mit seinen 5,2 Zoll platziert ist; das Ascend Mate 7 bringt es auf 6,0 Zoll.

Bei den verwendeten Materialien gibt es hingegen keinen Unterschied, auch das Mate S besteht aus Aluminium und Glas. Der Unibody wird lediglich von den Antennen-Isolatoren unterbrochen und beherbergt die obligatorischen Tasten für Lautstärke und Standby am rechten Rand, Audio-Buchse und Micro-USB-Port sind hingegen oben und unten untergebracht; links sitzt der Einschub für Nano-SIM und microSD-Karte. Auf der Rückseite fällt der Fingerabdrucksensor auf, der ein gutes Stück kleiner als beim Ascend Mate 7 ist – mehr zu dessen Funktionen später. Die Kamera steht gut einen Millimeter vom restlichen Gehäuse ab, daneben ist ein Dual-LED-Blitz untergebracht. Einen echten Eyecatcher gibt es weder auf der Vorder-, noch auf der Rückseite.

Optisch ist das Mate S dichter am Ascend Mate 7, die Verarbeitung ähnelt der des P8
Optisch ist das Mate S dichter am Ascend Mate 7, die Verarbeitung ähnelt der des P8

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Dies ist allerdings auch nicht nötig, da das Design im Ganzen überzeugt. Die Rückseite ist in der Horizontalen gebogen, was der Handform entgegenkommt, und geht mit einer umlaufenden Fase in den schmalen Rand über. Dieser ist zwar nicht viel breiter als beim Samsung Galaxy S6 edge, dennoch liegt das Smartphones besser als sein Konkurrent in der Hand. Weiter Richtung Front folgt eine weitere Fase, die direkt in das Schutzglas des Displays übergeht. Aufgrund dessen leichter Biegung spricht Huawei von 2.5D-Glas – ein Begriff, der zuletzt immer häufiger von Herstellern genutzt wird. Insgesamt wirkt das Mate S optisch harmonisch, wenn auch nicht auf den ersten Blick.

Der schmale Rand stört in der Hand kaum - anders als beim Samsung Galaxy S6 edge
Der schmale Rand stört in der Hand kaum - anders als beim Samsung Galaxy S6 edge

Dass es keinerlei Kritik an der Verarbeitung des Smartphones gibt, ist angesichts Huaweis Vergangenheit keine Überraschung. Denn spätestens seit dem P8 genießt das Unternehmen den Ruf, in diesem Punkt auf einer Stufe mit Apple und Samsung zu stehen – alle Tasten sowie der Kartenschuber sind perfekt integriert, unterschiedliche Spaltmaße gibt es nicht. Schon besser ausgenutzt hat Huawei jedoch die Front. Denn mit knapp 74 % nimmt das Display im Vergleich zu den Schwestermodellen nur wenig Platz ein, in puncto Ergonomie ein kleiner Makel.

Renovierter SoC

Von Evolution kann man beim Thema SoC sprechen. Vor einem Jahr überraschte das Ascend Mate 7 mit seinem Kirin 925. Gut ein halbes Jahr später folgte dann der Kirin 930 im P8, der erneut acht CPU-Kerne setzte, aber erstmals 64-Bit-tauglich war und nur auf einen CPU-Typ setzte. Mit dem Kirin 935 kommt im Mate S die nächste Entwicklungsstufe zum Einsatz. Wie schon der direkte Vorgänger besteht auch dieser im Wesentlichen aus acht Cortex-A53-Kernen, die nun aber teilweise höher takten. Je vier erreichen 1,5 und 2,2 GHz; beim Kirin 930 wird das Maximum bereits bei 1,5 und 2,0 GHz erreicht. Ungewöhnlich ist der Einsatz von acht gleichen CPU-Kernen nicht, auch wenn Branchenprimus Qualcomm und auch andere Chip-Entwickler auf eher ungleiche Zusammenstellungen setzen. Zwar bietet eine homogene Bestückung wie im Kirin 935 weniger Leistung, dafür sind die A53-Kerne aber effizienter als das Gegenstück A57.

Der SoC bietet auch unter Last eine konstante Leistung, kann mit der Spitze aber nicht immer mithalten
Der SoC bietet auch unter Last eine konstante Leistung, kann mit der Spitze aber nicht immer mithalten

Leider geht dieser Vorteil jedoch ein Stück weit verloren, denn Huawei fertigt den SoC im nicht mehr ganz aktuellen 28-nm-Prozess. Ebenfalls der Konkurrenz hinterher hinkt man in puncto Arbeitsspeicher. Zwar bestückt man das Mate S mit 3 GB, zum Einsatz kommen jedoch DDR3-Chips. Und zu guter Letzt ist die Mali-T628 MP4 inzwischen keine Offenbarung mehr, schon vor einem Jahr war sie im Kirin 925 für GPU-Berechnungen zuständig.

Insgesamt landet das Mate S im oberen Performance-Mittelfeld. Überzeugen kann das Smartphone vor allem dann, wenn es um Multi-Thread-CPU-Berechnungen geht. Die GPU bremst das System hingegen eher, weshalb man beispielweise die aktuelle Samsung-Riege nicht einholen kann. Der gegenüber dem P8 leicht höhere Takt resultiert in den Benchmarks in einer etwa 5 bis 10 % höheren Punktzahl. Im Alltag dürfte sich dies aber nicht bemerkbar machen. Auch, weil das Mate S sich hier keine Blöße gibt und bei anspruchsvolleren Apps nicht ins Stocken gerät. Gleiches gilt für die Benutzeroberfläche, die ohne Ruckler dargestellt wird.

Ausstattung mit Luft nach oben

Eine Überraschung im negativen Sinne gibt es hinsichtlich der Schnittstellen und der weiteren Ausstattung. Denn angesichts des Oberklassepreises, den Huawei verlangt, darf der Kunde auch entsprechende Komponenten erwarten – und kein WLAN-Modul, das vor zwei oder drei Jahren dem Stand der Dinge entsprach. Im Mate S arbeitet es mit nur 150 Megabit pro Sekunde (802.11n) und zudem nur in 2,4-GHz-Netzen. Hinzu kommt, dass Bluetooth nur bis Version 4.0 unterstützt wird, beim P8 kann auch das sparsamere 4.1 genutzt werden. Ebenfalls auffällig: Huawei setzt im Vergleich zum P8 auf ein anderes LTE-Modem, im neuen Smartphone wird lediglich Cat 4 erreicht; mehr als 150 Megabit pro Sekunde sind im Downstream nicht möglich.

Hinter der Rückseite befindet sich nicht immer aktuelle Technik
Hinter der Rückseite befindet sich nicht immer aktuelle Technik

Immerhin fiel es im Test nicht negativ auf, auch unter ungünstigen Bedingungen brach die Verbindung zum Netz nicht ab. Beim Telefonieren profitiert man von der guten Geräuschunterdrückung, die auf gleich drei Mikrofone zurückgreifen kann. Der Klang des Lautsprechers ist insgesamt gut, lediglich die etwas zu geringe Maximallautstärke stört. Wer ohne Headset telefonieren oder Musik hören will: Was nach Stereo-Lautsprechern aussieht, ist tatsächlich nur eine Mono-Lösung, bei der eindeutig die Höhen dominieren.

Pluspunkte sammelt das Mate S mit dem großen internen Speicher, dessen 32 GB per microSD-Karte erweitert werden können. Dann muss jedoch auf die Dual-SIM-Funktion verzichtet werden, bei der es aber einen Haken gibt. Denn im Umlauf sind zwei Versionen des Mate S – bei Providern dürfte überwiegend die ohne Dual-SIM Angeboten werden. Wer bei der richtigen zugreift, darf sich über die den vollen Funktionsumfang bei beiden SIMs freuen, das Modem kann über beide per LTE auf das Netz zugreifen. Als Standard darf NFC bezeichnet werden, mittlerweile eine Seltenheit ist der verbaute FM-Tuner.

AMOLED-Display mit Schwächen

Auch wenn an anderen Stellen zu lesen ist, dass Huawei beim Mate S zum ersten Mal auf ein OLED-basiertes Panel greift, um eine Premiere handelt es sich tatsächlich nicht. Denn unter anderem das 2012 erschienene Ascend P1 verfügte über ein solches Display. Seit dem hat sich viel getan, vor allem in Sachen Farbdarstellung und Auflösung.

Verbaut wird ein 5,5 Zoll großes AMOLED-Panel mit Pentile-Matrix und 1.920 x 1.080 Pixeln. Huawei bleibt damit seiner Linie treu und verzichtet erneut auf Experimente mit höheren Auflösungen, die am Ende fast nur – negativen – Einfluss auf die Laufzeit haben. Einen Vorteil hätten mehr Pixel aber gehabt. Denn bei sehr genauem Hinschauen kann man die qualitätsmindernde Pentile-Matrix mit bloßem Auge erkennen, eine höhere Pixel-Dichte würde dem entgegenwirken. Somit bleibt es bei im Alltag immer noch ausreichenden 401 ppi. Die maximal erreichbare Helligkeit liegt bei leicht unterdurchschnittlichen 337 cd/m², die Farbtemperatur bei schlechten rund 7.800 Kelvin. Zwar können diese in den Systemeinstellungen verändert und auf das Optimum von 6.500 Kelvin eingestellt werden, ohne Messgerät kommt man aber nicht weit.

Das AMOLED-Panel bietet tolle Farben, ist aber zu dunkel
Das AMOLED-Panel bietet tolle Farben, ist aber zu dunkel

Dank AMOLED-Technik wird Schwarz dafür wirklich Schwarz dargestellt, im Test wurde ein Schwarzwert von 0,0 cd/m² ausgegeben. Und auch die Farbdarstellung gefällt mit kräftigen, aber noch natürlichen Tönen – vorausgesetzt, die Farbtemperatur wurde angepasst.

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