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Nichts weniger als die bester ihrer Art soll die rückwärtige Kamera des U11 sein. Das zumindest behauptet und bewirbt HTC ganz offensiv und verweist dabei auf Messungen von DxOMark. Dort konnte das Smartphone 90 Punkte und damit die tatsächlich bislang höchste vergebene Bewertung erreichen - minimal vor dem Google Pixel und HTC 10 mit 89 und 88 Punkten. Es muss also etwas dran sein, schließlich warben zuletzt immer mehr Hersteller mit dem Fazit der Kamera- und Linsentester. Doch Zweifel an der Aussagekraft der Noten sind durchaus angebracht, was spätestens das U11 zeigt.
Die Kamera ist automatisch schlechter
Denn im Test fiel die Kamera - die 90 Punkte dabei immer im Hinterkopf - eher negativ auf. Aufnahmen wiesen mehrfach Unschärfen, blasse Farben oder auch völlig falsche Helligkeiten auf - all das vor allem dann, wenn die Lichtverhältnisse nicht optimal waren. Doch schon mit einer einzigen Änderung innerhalb der Kamera-Applikation konnten fast alle Probleme beseitigt werden. Der Grund: Der Automatik-Modus, der von DxOMark gar nicht berücksichtigt wird, im Smartphone-Alltag aber mit Sicherheit der am mit Abstand meist genutzte Modus sein dürfte, entpuppt sich als enttäuschend.
Besonders abstrus daran ist, dass der simple Wechsel in den Pro-Modus mit aktivierter Nacht-Automatik fast alle Schwächen beseitigt und das U11 tatsächlich sehenswerte Aufnahmen produziert. Und das, obwohl prinzipiell auch nur eine Automatik genutzt wird. Es zeigt sich also, dass auch die DxOMark-Bewertung mit äußerster Vorsicht zu genießen ist - wie eigentlich alle Benchmarks.
Gut möglich, dass HTC per Software-Update etwas an der Automatik ändert, angesichts der verbauten Hardware sind die Mängel aber besonders ärgerlich. Der 12,2-Megapixel-Sensor bietet eine Pixel-Kantenlänge von 1,4 µm, ein optischer Bildstabilisator sowie ein kräftiger Dual-LED-Blitz sollen ebenso bei schlechten Lichtverhältnissen helfen wie die lichtstarke Optik mit Blende f/1,7.
Der sogenannte UltraSpeed-Autofokus soll besonders schnelles Scharfstellen gewährleisten und weckt Erinnerungen an das Galaxy S8. Denn hinter dem UltraSpeed-Autofokus versteckt sich das, was Samsung als „Dual Pixel"-Kamera bezeichnet. Letztlich ist jedem herkömmlichen Pixel des Sensors ein Fokus-Pixel zugeordnet, der für das Scharfstellen per Phasenvergleich genutzt wird. Es wäre also keine Überraschung, wenn im U11 der gleiche Sensor steckt - die übereinstimmenden technischen Daten bekräftigen diese Vermutung. Nicht vorhanden ist hingegen ein Laser-Fokus, der das Fokussieren auf kurze Entfernungen und bei schlechten Lichtverhältnissen beschleunigen würde. Dafür gibt es wieder vier Mikrofone, die bei Video-Aufnahmen 3D-Audio sowie einen akustischen Fokus ermöglichen.
Aber nicht nur technisch will HTC viel bieten, auch der Funktionsumfang soll überzeugen. Hervorzuheben ist dabei HDR-Boost. Dabei handelt es sich um eine erweiterte Version des HDR-Modus', der bei geöffneter Kamera-Applikation permanent Fotos schießt. Verwendet werden die aber erst dann, wenn der Nutzer tatsächlich den Auslöser betätigt. Aus dieser Aufnahme sowie einigen vorherigen berechnet das U11 dann das fertige Bild. Diese Methode soll nicht nur Zeit sparen, sondern auch bessere Ergebnisse liefern. Doch ausgerechnet HDR-Aufnahmen sind nicht die Stärke des Smartphones. Der Dynamik-Umfang fällt geringer als beim Galaxy S8 oder Huawei P10 aus, zudem wirkt der Fokus träge.
Wer sich auf den Pro-Modus beschränkt, in dem die wichtigsten Parameter direkt beeinflusst werden können, dürfte hingegen sehr zufrieden sein. Fast unabhängig von den Lichtverhältnissen überzeugen die Aufnahmen mit gut festgehaltenen Farb- und Helligkeitsverläufe, auch feine Details bleiben erhalten, so lange der ISO-Wert nicht den vierstelligen Bereich erreicht. Auffällig ist allerdings, dass es schon bei ISO 200 zu leichtem Bildrauschen kommt.
Auf ausgerechnet die wohl beste Fotofunktion des U Ultra wurde jedoch verzichtet. Denn den UltraPixel-Modus der Frontkamera hat man mit HDR-Boost ersetzt - qualitativ klar ein Rückschritt. Zwar schneidet das U11 bei Selfies und anderem immer noch gut ab, doch so scharf und farbsicher wie das Schwestermodell ist es beim Einsatz der vorderen Kamera nicht. Die bietet einen Sensor mit 16 Megapixeln sowie eine Optik mit Blende f/2,0, allerdings auch nur einen Fixfokus. Während das Rauschverhalten bei den Testaufnahmen grundsätzlich gut ausfiel, macht sich bei einigen Fotos jedoch ein unschöner Blaustich bemerkbar.
Kaum etwas auszusetzen gibt es an den Video-Fähigkeiten der Hauptkamera. Die erlaubt maximal UHD-Auflösung mit 30 Bildern pro Sekunde und punktete dabei mit selbst bei schnelleren Bewegungen nur geringer Artefaktbildung. Farben und Helligkeitsunterschiede werden gut festgehalten. Auch 3D-Audio kann wahrgenommen werden, stellenweise klingt es allerdings etwas blechern. Warum man bei UHD-Videos aber auf eine maximale Clip-Länge von sechs Minuten beschränkt ist, ist unklar. Der verbaute SoC sollte hier nicht das Problem sein, allerdings kommt auch das Galaxy S8 nicht ohne zeitliche Begrenzung aus. Alternativ stehen aber auch 1080p und 720p zur Auswahl. Und auch Zeitraffer- und Zeitlupen-Modus dürfen nicht fehlen. In beiden hat der Nutzer aber keine Einstellmöglichkeiten, geboten werden lediglich 720p mit 60 Bildern pro Sekunde sowie 1080p mit 120 Bildern pro Sekunde.
Die Kamera-Applikation stimmt mit der des U Ultra überein. Das bedeutet einen einfachen Einstieg, da der Nutzer nicht gleich mit Optionen erschlagen wird, mit zunehmender Erfahrung steigt aber auch die Enttäuschung. Denn tatsächlich kann auf keim etwas Einfluss genommen werden, sieht man einmal von Auflösung, Geo-Tags etc. ab. Pluspunkte sammelt hier nur noch der Pro-Modus mit seinen Teil-Automatiken, die weniger erfahrene Nutzer an die Hand nehmen.
Das Design bleibt ein Hingucker
Wie das U11 aussehen würde, war schon Anfang Januar klar. Denn während der Vorstellung des U Ultra und U Play wurde mehr oder weniger deutlich verraten, dass mit beiden Modellen eine neue Design-Philosophie eingeführt wird. HTC spricht von Liquid Surface und bezieht sich damit auf die Rückseite des Smartphones. Die besteht aus mehreren miteinander verklebten Glasschichten und sorgt so dafür, dass einfallendes Licht je nach Blickwinkel unterschiedlich reflektiert wird - ein Effekt wie bei einem Wassertropfen. Wie stark der Effekt ausfällt, hängt dabei in erster Linie von der gewählten Farbvariante ab.
Davon abgesehen zeichnet sich das Design vor allem durch die Orientierung an der natürlichen Formgebung ab, Ecken und ähnliches gibt es kaum, es dominieren Rundungen. Dadurch wirkt das U11 optisch sehr harmonisch. Gerade das schwarze Modell fällt dadurch allerdings auch optisch eher schlicht aus, wenn man das Farbspiel auf der Rückseite einmal ignoriert. Die Front lockert lediglich der Fingerabdrucksensor unterhalb des Displays auf, auf der Rückseite gehen lediglich Unternehmens-Logo und Kamera als eine Art Eyecatcher durch. Im direkten Vergleich mit dem HTC 10 ist das U11 deutlich unauffälliger - was aber kein Nachteil sein muss.
Keinen Spielraum für Diskussionen bieten hingegen Materialwahl und Verarbeitung, die beim Testgerät tadellos ausfiel. HTC verlässt sich beim 153,9 x 75,9 x 7,9 mm großen Gehäuse auf einen umlaufenden Rahmen aus Aluminium sowie Glas auf Vorder- und Rückseite. Vorne handelt es sich dabei um Gorilla Glass 5, das in dem Ruf steht, weicher und somit anfälliger für leichte Kratzer zu sein. Auf der Rückseite kommt hingegen ein nicht näher genannter Glastyp zum Einsatz, vermutlich handelt es sich dabei um ein hartes Mineralglas; eine Version mit Saphirglas analog zum U Ultra ist bislang nicht angekündigt. Wert legt HTC darauf, dass die Rückseite aufgrund des Fertigungsverfahrens einen hohen Grad an Stabilität aufweist. Erst durch dieses Verfahren sei es möglich, das Glas so stark zu verformen und den 3D-Look zu ermöglichen.
Letztlich führt das laut Unternehmen auch zu der sehr hohen Verwindungssteife, die der Test auch bestätigt. Stürze dürfte das Smartphone allerdings weniger gut verkraften als seine Vorgänger . Auch deshalb dürfte HTC das U11 mit einer einfachen Schutzhülle aus transparentem Kunststoff ausliefern.
Nicht zuletzt aufgrund des Galaxy S8 ist das Thema Ergonomie stärker in den Vordergrund gerückt. Denn das Samsung-Smartphone zeigt eindrucksvoll, dass ein schmaler Display-Rahmen kein Allheilmittel ist und welchen Einfluss die Platzierung des Fingerabdrucksensors haben kann. Punktabzug gibt es zunächst für die schlechte Ausnutzung der Front. Denn das Display nimmt nur rund 71 % der Vorderseite ein, was vor allem am breiten Rand ober- und unterhalb der Anzeige liegt. Je nach Größe der Hand des Nutzers kann zudem die fehlende Griffigkeit der Rückseite ein kleineres Problem werden. Denn während das U11 in großen Händen dank des gerundeten Rahmens genügend Halt findet, fehlt es in kleinen Händen unter Umständen an Angriffsfläche. Dafür sind die rechts untergebrachten Tasten für Lautstärke und Standby auch mit kurzen Fingern gut zu erreichen, an die Bedienung des Smartphones mit nur einer Hand ist allerdings allein schon aufgrund der Display-Größe nicht zu denken. Mit 169 g ist das U11 für seine Größe nicht zu schwer.
Android 7.1.1 ist da, Alexa soll folgen
Die Basis für Edge Sense und Co. ist Android 7.1.1 in Verbindung mit HTCs eigenem Aufsatz Sense. In nahezu allen Punkten entspricht das Gespann dem, was man vom U Ultra kennt - selbst zum HTC 10 gibt es viele Parallelen. Das liegt vor allem daran, dass man die Software zuletzt behutsam, aber dennoch konsequent weiterentwickelt hat. Optisch orientiert man sich stark an Vanilla-Android, ohne dabei jedoch auf eigene Akzente zu verzichten. Das Design kann schnell und vergleichsweise umfangreich den eigenen Vorstellungen entsprechend angepasst werden, die Systemeinstellungen fallen übersichtlicher aus.
Nach wie vor gilt zudem, dass Android-Komponenten nur dann durch andere Applikationen ersetzt werden, wenn man dies für wirklich angebracht hält. So muss dass U11 ohne dedizierte Galerie-App auskommen, stattdessen steht Google Fotos bereit. Im Gegenzug vertraut HTC unter anderem aber auf Eigenlösungen für Telefonie und Kamera. Vergleicht man Vanilla-Android und die Mischung, die Sense darstellt, dürfte die Mehrheit HTCs Ansatz für den richtigen halten.
Pluspunkte sammelt man aber auch für den eher einsteigerfreundlichen Aufbau der Oberfläche inklusive der gut gemachten und oftmals mit Animationen versehenen Einrichtungsprozeduren für USonic, Edge Sense und anderes. Positiv anzumerken ist zudem, dass Sense keine spürbaren negativen Auswirkungen auf die System-Performance hat. Insgesamt gehört HTCs Oberfläche somit zu den besten, die derzeit angeboten werden.
Durchwachsen fällt das Fazit hingegen mit Blick auf Assistenten aus. Zwar wird das U11 ab Werk sowohl mit dem Google Assistant als auch dem Sense Companion ausgeliefert, letzterer muss aber auch Wochen nach dem Start weiterhin als große Baustelle bezeichnet werden. Vom versprochenen Funktionsumfang ist HTCs Eigenentwicklung noch weit entfernt, oftmals gibt es auch keine Tipps oder Hinweise. Ob sich das in den kommenden Wochen und Monaten ändern wird, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch, dass Alexa Einzug halten wird. Wann genau Amazons Helferin per Update nachgereicht wird, steht noch nicht fest. Nutzer sollen aber die Wahl haben, welche Aufgabe welcher Assistent übernehmen soll.
Am Ende gibt es dann aber noch deutliche Kritik. Denn leider verzichtet HTC anders als einige andere namhafte Hersteller nicht auf störende Drittanbieter-Applikationen, die ab Werk installiert sind - immerhin können sie aber problemlos deinstalliert werden. Schlimmer jedoch: Während der Ersteinrichtung versucht man dem Nutzer verschiedene Applikationen anzudrehen. Die müssen zwar aktiv ausgewählt werden, einen gewissen Beigeschmack hat das aber dennoch.