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Mercedes-Benz E-Klasse (W213) im Test - Sensoren und Assistenzsysteme

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Damit die neue E-Klasse teilautomatisiert fahren und den Fahrer somit entlasten, warnen, unterstützen und schützen kann, liegt ausgehend vom Fahrassistenz-Paket Plus an einer ganzen Armada an Sensoren, Steuergeräten und weiteren Bauteilen. Die wohl wichtigste Rolle spielen dabei Kameras, Radar- und Ultraschallsensoren. Diese ermöglichen es dem Fahrzeug, einen Bereich von bis zu 500 m vor, 80 m hinter und einige Meter neben sich zu überwachen.

Die Umwelt im Blick

Nach vorn übernehmen zwei Kameras die wohl wichtigste Aufgabe. Diese erfassen ab einer Entfernung von 500 m Fahrzeuge, Fußgänger und Verkehrsschilder somit als erste. Der nächste Schritt erfolgt dann in einer Entfernung von 250 m. Über diese Reichweite verfügt das im Kühlergrill untergebrachte Fernbereichsradar Objekte. Wichtig ist diese Distanz, da Mercedes-Benz sich für ein besonderes Prozedere entschieden hat. Denn nur, wenn zwei unterschiedliche Sensoren ein Objekt erkennen, kann eine Aktion ausgelöst werden - durch das Zusammenspiel von Kameras und Radar ist dies erst ab 250 m Entfernung möglich.

Die weiteren wichtigen Marken sind bei 90, 70, 40 und 1,5 m gesetzt. Die beiden Kameras können bis zu 90 m weit stereoskopisch arbeiten - sprich Objekte dreidimensional erfassen. Bis zu 70 m weit arbeitet das Fernbereichsradar mit einem Winkel von 90°, darüber hinaus sind nur 20° möglich, was für den Drive Pilot ausreichend ist. 40 m weit blicken kann das Multi Mode Radar mit seinem 140-Grad-Winkel, gedacht ist es in erster Linie zur Vorhersage von möglichen Unfallsituationen. Lediglich 1,5 m weit kommen die nach vorn ausgerichteten Ultraschallsensoren, die allerdings nur für ein Einparkhilfe Park Pilot gedacht sind. Nach hinten arbeiten zwei in den hinteren Stoßfänger integrierte Radar-Module, die 40 m weit mit 140° und 80 m weit mit 30° überwachen können, die Ultraschallsensoren erreichen hier ebenfalls nur 1,5 m.

Zur Seite hin arbeiten insgesamt vier Ultraschallsensoren - je zwei rechts und links - sowie die drei Radarsysteme. Damit lassen sich in etwa die beiden Fahrspuren neben dem Wagen überwachen, gedacht vor allem für den aktiven Totwinkel- und Spurhalte-Assistenten. Wann welches System was erkennt, bleibt dem Fahrer in weiten Teilen verborgen, lediglich beim Ein- und Ausparken ist klar, dass die Ultraschallsensoren den vorhandenen Platz auswerten.

Geliefert werden die Daten letztendlich aber an eine ganze Reihe von Systemen.

Sensoren, Systeme und der Schwarm greifen ineinander

Der Drive Pilot kann in einem Bereich zwischen 0 und 210 km/h automatisch das gewünschte Tempo sowie im Zusammenspiel mit der Abstandsregel-Automatik Distronic den nötigen Abstand zum Vordermann halten und aus dem Stand heraus - beispielsweise im typischen Stop-and-Go selbstständig wieder anfahren. Innerhalb welches Zeitrahmens letzteres möglich ist, liegt am Einzelfall. In städtischen Umgebungen sind es nur wenige Sekunden, auf Autobahnen und ähnlichen Straßen hingegen bis zu 30 s. Ebenso wird die Spur gehalten, sofern der Kurvenradius nicht zu groß und das Tempo nicht zu hoch ist - es kann lediglich mit 5 Nm automatisch gelenkt werden. Als Grund für diese geringe Kraft nennt Mercedes-Benz das menschliche Eingreifen. Würde das System mit mehr Newtonmetern agieren, könnte der Fahrer unter Umständen nicht mehr Gegenlenken. Dank einer Art Schwarmintelligenz sind dafür nicht einmal Fahrbahnmarkierungen möglich: Bis zu einem Tempo von 130 km/h kann sich die neue E-Klasse an den vorausfahrenden Fahrzeugen orientieren.

Wird der Wagen zwischen 80 und 180 km/h bewegt, kann dank aktivem Spurwechsel-Assistenten auch auf Wunsch hin die Spur gewechselt werden. Unfreiwillige Wechsel erkennt das System hingegen ebenfalls, auf Wunsch reagiert es dann entweder nur mit Vibrationen im Lenkrad und einem einseitigen Bremseingriff oder aber auch mit einem aktiven Eingriff - beispielsweise um einen Unfall mit entgegenkommenden Fahrzeugen möglichst zu vermeiden. Damit der Drive Pilot nicht schneller als erlaubt fährt, greift er im Idealfall auf das umfangreichere Navigations-System Comand Online zurück. Die beiden Kameras in der Frontscheibe können Verkehrsschilder erkennen und deren Informationen auswerten, zusätzlich kann auf die in der Navigations-Software hinterlegten Informationen zurückgegriffen werden.

Ein sehr umfangreiches Thema betrifft das Bremsen. Schon in der Grundausstattung enthalten ist der aktive Brems-Assistent, der Auffahrunfälle und Kollisionen mit Fußgängern verhindern oder zumindest abschwächen soll. Dazu gehört auch, dass das Fahrzeug den Fahrer bei Ausweichmanövern unterstützt. Nutzbar ist dies bei Stadt-typischen Geschwindigkeiten. Im Assistenz-Paket kommen aber zwei weitere Funktionen hinzu. Bis zu Geschwindigkeiten von 130 km/h können die Sensoren ein Stauende erkennen und im Fall der Fälle eine Notbremsung einleiten. Wiederum für Fahrten in der Stadt ist die Kreuzungsfunktion interessant. Die unterbindet im Idealfall Unfälle mit kreuzendem Verkehr und ist bis etwa 70 km/h wirksam.

Vor Gefahrenstellen soll aber auch der Schwarm warnen. Dank Car-to-X-Kommunikation kann die neue E-Klasse per Mobilfunk entsprechende Hinweise erhalten, der Fahrer wird per Sprache davor gewarnt. Im Gegenzug liefert das Fahrzeug selbst auch Daten, die per Cloud für andere Verkehrsteilnehmer abrufbar ist.

Ist ein Aufprall nicht mehr vermeidbar, greift das Pre-Safe-System. Das sorgt durch Straffung des Gurtes sowie Aufpumpen der Sitzseitenwangen dafür, dass Fahrer und Beifahrer so eng wie möglich im Sitz gesichert sind. In der Plus-Variante greifen diese Maßnahmen auch dann, wenn ein anderes Fahrzeug auf das Heck auffahren würde.

Wenige Tasten steuern die Assistenten

Was komplex klingt, lässt sich im Alltag spielend leicht nutzen. Im Wesentlichen sind nur drei Bedienelemente nötig, um Drive Pilot und Spurhalte-Assistenten zu nutzen. Links neben dem Lenkrad lassen sich Spurhalte- und Lenkassistent ein- und ausschalten, über den links an der Lenksäule platzierten Distronic-Hebel werden sie dann letztlich aktiviert. Einfaches Ziehen aktiviert den Drive Pilot bestehend aus Geschwindigkeits- und Abstandsregulierung sowie aktivem Spurhalteassistenten. Signalisiert wird dies dem Fahrer sowohl im Kombi-Instrument als auch - falls vorhanden - im Head-Up-Display, dargestellt werden gewählte Höchstgeschwindigkeit, derzeit gefahrene Geschwindigkeit sowie über einen Marker das unter Umständen geringere Tempo des Vordermanns.

Ein Druck nach hinten schaltet das System ebenso wie ein Tritt auf das Bremspedal ab, ein kurzes Tippen nach oben oder unten verringert die maximale Geschwindigkeit um 1 km/h, ein längerer hingegen um 10 km/h. Wurden Tempo-Limits erkannt, weist das Fahrzeug optisch auf dieses hin und gibt die Daten an die Geschwindigkeitsregulierung weiter. Bevormunden lassen muss sich der Fahrer aber nicht, auf eigenen Wunsch hin kann das Tempo über das erlaubte gesetzt werden - auch eine Unterschreitung ist jederzeit möglich.

Den Spurwechsel-Assistenten startet man über die Betätigung des Blinkers, gewechselt wird allerdings nur, wenn die Sensoren kein sich schnell näherndes Fahrzeug und keines im toten Winkel erkennen.

Sicherheit geht vor

Die für viele wohl wichtigste Frage dürfte die nach dem Vorgehen bei ausbleibender Reaktion des Fahrers sein. Mercedes-Benz selbst spricht nicht vom autonomen, sondern nur vom assistierten oder teil-automatisiertem Fahren, bei dem die Hand jederzeit am Lenkrad sein soll, um im Zweifelsfall schnell genug eingreifen zu können. Grundsätzlich beschwert sich das Fahrzeug aber erst nach wenigen Sekunden, wenn keine Hand erkannt wurde. In mehreren aufeinander folgenden Schritten erfolgen sich steigender Warnungen, in letzter Instanz wird das Fahrzeug in der eigenen Spur gehalten, bis zum Stillstand abgebremst und die Schaltung in die Parkposition gebracht. Die ab Tempo 60 automatisch eingeschalteten Warnblinker sollen den nachfolgenden Verkehr warnen.

Andere Funktionen wie die Erkennung von Verkehrsschildern lassen sich über die Fahrzeugeinstellungen beeinflussen, der gewünschte Abstand zum Vordermann bei Nutzung der Abstandsregulierung lässt sich über drehen sich des Distronic-Hebels einstellen.

Werden alle Assistenzsysteme gekauft, entspricht die neue E-Klasse Level 2 der SEA-Tabelle für automatisiertes Fahren: Beschleunigung und Verzögerung können ebenso wie die Lenkung unter bestimmten vom Fahrzeug selbst übernommen werden, der Fahrer muss aber jederzeit zum Eingreifen bereit sein und das Verkehrsgeschehen überwachen.

Quellen und weitere Links

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