TEST

PS5-Custom-Chip mit Einschränkungen

Das Ryzen 4700S Desktop Kit im Test - Fazit

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Was also ist vom Ryzen 4700S Desktop Kit zu halten? Aus technische Sicht ist es interessant, sich mit einer solchen Hardware zu beschäftigen, die ursprünglich gar nicht in der Form für den Endkunden vorgesehen war. Dass AMD zusammen mit seinem Auftragsfertiger TSMC bei der Produktion der Chips für die PlayStation 5 und Xbox Series X nur eine gewisse Ausbeute erreicht und es zwangsläufig dazu kommt, dass in Teilen funktionsfähige Chips nicht in die Konsolen wandern können, sollte dabei jedem bewusst sein. AMD war offenbar auf der Suche nach einer Zweitverwertung dieses Ausschusses und hat diese in Form des Ryzen 4700S Desktop Kits gefunden.

Grundsätzlich kann man für die Leistung des Ryzen 4700S festhalten: Der Prozessor erreicht die zu erwartende Leistung für acht Zen-2-Kerne mit einem Takt zwischen 3,6 und 4 GHz und einem Power-Budget von etwa 45 - 50 W. An die alten Ryzen-3000-Prozessoren reicht er damit natürlich ebenso wenig heran, wie an die aktuelle Generation. Für ein Office- oder Einsteiger-Gaming-System ist die gebotene Leistung aber mehr als ausreichend.

Was zunächst nach einer APU mit deaktivierter Grafikeinheit und acht Zen-2-Kernen aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen dann doch als etwas spezieller als erwartet. Offenbar haben AMD und Sony hier Anpassungen an den Zen-2-Kernen vorgenommen, die für leichte Unterschiede zum Standard-Design und der Leistung sorgen. Eine Anpassung für Konsolen-Anwendungen, sprich Spiele, ist hier sehr wahrscheinlich. Eine gewisse Kostenoptimierung dürfte ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Ebenfalls interessant ist die Kombination eines x86-Prozessors mit GDDR6 – dies sieht man auch nicht alle Tage bzw. es dürfte das erste Mal sein, dass ein solcher Prozessor mit GDDR-Speicher betrieben wird. Die hohe Speicherbandbreite des Speichers kommt vor allem der integrierten Grafikeinheit entgegen – diese ist beim Ryzen 4700S allerdings nicht aktiv. Im Gegenzug sind die Latenzen etwas höher. Dieses Verhalten kennen wir schon von Prozessoren, die auf LPDDR4X oder LPDDR5 setzen bzw. dies wird uns mit der Einführung von DDR5 ebenfalls blühen. 

Das Ryzen 4700S Desktop Kit gewährt uns also einen interessanten Einblick in das Custom-Geschäft von AMD.

Nun aber zur Einschätzung des gesamten Ryzen 4700S Desktop Kit: Die Kombination aus fest verlötetem Prozessor und dazugehörigem Speicher lässt spätere Update-Möglichkeiten natürlich völlig unmöglich erscheinen. Einzig über den PCIe-Steckplatz und die SATA-Anschlüsse ist eine gewisse Auswahl der weiteren Komponenten möglich. Da die integrierte Grafikeinheit des Ryzen 4700S deaktiviert ist, muss eine diskrete Grafikkarte eingesetzt werden. Hier zeigt sich das Desktop Kit aber wenig flexibel, denn die schnellsten Karten sind eine Radeon RX 590 von AMD oder eine GeForce GeForce GTX 1060 von NVIDIA. Ein Knackpunkt ist hier sicherlich die langsame Anbindung per PCIe 2.0 x4. Da in der PS5 die integrierte Grafikeinheit eingesetzt wird, braucht Sony diese Schnittstelle nicht bzw. allenfalls die NVMe-SSD wird per PCI-Express angebunden. Die 3D-Leistung des Desktop Kits orientiert sich also an der Leistung der schnellsten Karten, die hier eingesetzt werden können. Für aktuelle AAA-Titel wird es daher eng.

Dies ist dann auch gleich der nächst Punkt, denn einen M.2-Steckplatz gibt es beim Ryzen 4700S Desktop Kit nicht. Stattdessen können nur SATA-SSDs verwendet werden. Zumindest bei den USB-Anschlüssen sind sowohl die Auswahl als auch die Geschwindigkeit ausreichend. Ein WLAN-Modul wird ebenfalls nicht angeboten, zumindest Gigabit-Ethernet gibt es aber.

Bei den weiteren Messwerten wird es ebenfalls nicht besser. Der Idle-Stromverbrauch ist einfach zu hoch, unter Last passt der Wert dann in etwa zu einem vergleichbaren Gesamtsystem mit Achtkern-Prozessor. Der Aluminium-Kühler ist mitsamt des 80-mm-Lüfters aber schnell überfordert und dreht schon nach wenigen Sekunden Volllast ebenfalls voll auf und wird entsprechend Laut. CPU-Temperaturen von fast 90 °C kann er aber dennoch nicht verhindern. Der Einsatz einer leisen Alternative durch einen einfachen Tausch des Lüfters wird daher empfohlen.

Das Ryzen 4700S Desktop Kit besetzt als Komplettsystem mit Prozessor und Speicher einen Markt, den es in der Form eigentlich gar nicht gibt. Sicherlich gibt es Anwendungsbereiche, in denen ein kleines Mini-ITX-System mit Prozessor sinnvoll ist, hier setzen die Hersteller aber Prozessoren ein, die mit zwei oder vier Kernen genau auf ein gewisses Anwendungsprofil ausgelegt sind. Acht Zen-2-Kerne wären hier in den meisten Fällen zu viel des Guten.

Etwa 380 Euro kostet das Ryzen 4700S Desktop Kit. Ein Ryzen 5 5600G ist für 262 Euro zu haben, bietet dann zwar nur sechs Kerne, dieser aber basieren auf der schnellen Zen-3-Architektur. Hier ist die Grafikeinheit dann funktionsfähig. Als Mainboard kann zu einem günstigen B450/B550-Modell im Mini-ITX-Format gegriffen werden und man liegt preislich bei 360 Euro. 16 GB DDR4-3200 kommen mit 65 Euro hinzu und dennoch sehen wir ein solches System dem Desktop Kit in vielerlei Hinsicht überlegen an: Freie Wahl bei der Grafikkarte, Arbeitsspeicher erweiterbar und selbst die CPU kann getauscht werden, der AMD Wraith Stealth dürfte besser funktionieren als der Kühler auf dem Ryzen 4700S, M.2 und vieles mehr ...

Es spricht am Ende also nicht wirklich viel dafür, sich ein Ryzen 4700S Desktop Kit anzuschaffen. Dazu sind die Alternativen zu gut und die Einschränkungen beim Desktop Kit zu groß.

Positive Aspekte des Ryzen 4700S Desktop Kit:

  • technisch interessanter Einblick in das Custom-Design
  • hohe Speicherbandbreite dank GDDR6-Speicher
  • ausreichend USB-Anschlüsse

Negative Aspekte des Ryzen 4700S Desktop Kit:

  • keine Speichererweiterung möglich
  • nur PCIe 2.0 x4
  • Einschränkungen in der Auswahl der Grafikkarte
  • kein M.2
  • laute und ineffektive Kühlung
  • für das Gebotene zu teuer