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Apple Music wird ein Erfolg!

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Apple Music wird ein Erfolg!
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Zu Zeiten des 2011 verstorbenen Apple-Mitgründers Steve Jobs konnte das „One more thing“ zum Ende einer Apple-Keynote noch eine echte Wundertüte sein und wurde vermutlich deswegen im Laufe des letzten Jahrzehnts Kult. Das erste wirkliche „One more thing“ gab es 1998 als Jobs nach seiner Rückkehr zu Apple erstmals wieder auf der Bühne stand und den iMac präsentierte. Damals aber gab man lediglich bekannt, wieder profitabel zu arbeiten. In den folgenden Jahren präsentierte man als „One more thing“ das PowerBook G4, welches mit einer Dicke von etwa einem Zoll neue Standards setzte, iTunes für Windows, das erste MacBook Pro, den Apple TV oder das Aluminium-Unibody-Gehäuse, welches in seinen Grundzügen so noch heute in den Geräten zum Einsatz kommt und wohl für Apple eine der bislang wichtigsten und erfolgreichsten Entwicklungen ist. Am vergangenen Montag aber war das „One more thing“ alles andere als spektakulär.

Schon im Vorfeld der Entwicklerkonferenz WWDC 2015 war klar, dass Apple die nächste Generation von Mac OS X und iOS vorstellen würde, ohne dabei wirklich bahnbrechende Features einzubauen, sondern seinen Fokus vielmehr auf Stabilität und Geschwindigkeit zu legen. Dass man irgendwann auch einen eigenen Musikstreaming-Dienst vorstellen würde, war nur eine Frage der Zeit und hatte sich schon in den letzten Wochen und Monaten durch den einen oder anderen Firmen-Zukauf in der Gerüchteküche angedeutet. Eine Vorstellung des Dienstes im Rahmen der WWDC 2015 galt als sicher.

Schade, dass Apple dieses Mal das „One more thing“ nutzte, um lediglich dick aufzutragen und ohne dabei eine wirkliche Neuheit zu präsentieren, denn Apple Music wurde am Montag nach einer 100-minütigen Vorstellung von Max OS X El Capitan und iOS 9 als „One more thing“ präsentiert. Hierfür hatte man unter anderem Jimmy Iovine, einst Aufnahmeleiter für John Lennon und Produzent sowie Manager von U2, aber auch einen der Gründer von Beats Electronics, das Apple im vergangenen Jahr kaufte, auf der Bühne. Vermutlich wollte Apple damit bewiesen, dass man enge Kontakte zur Musikbranche pflegt, oder diese zumindest eingekauft hat.

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Ein eher enttäuschendes „One more thing“: Apple Music

Apple Music soll laut Firmenchef Tim Cook „das nächste Kapitel der Musikindustrie“ darstellen. Sicher, mit iTunes und dem iPod konnte Apple in der Vergangenheit die Musik-Industrie revolutionieren, zumindest aber in Schwung bringen. Wirklich neu ist Apple Music allerdings nicht, geschweige denn als Revolution oder das nächste Kapitel der Musikbranche zu bezeichnen, denn nüchtern betrachtet ist der Dienst ein einfacher Klon eines Konkurrenten und der ist in Form von Spotify schon seit 2006 auf dem Markt.

Mit Apple Music können gegen eine Monatsgebühr alle Titel aus iTunes unbegrenzt gestreamt werden. Das sind immerhin rund 30 Millionen Songs. Hinzu kommt mit Beats 1 ein eigenes Radio, welches moderiert und von bekannten DJs aus den USA und Großbritannien bestückt werden soll. Solche Funktionen gibt es in ähnlicher Form auch bei Spotify, Google Play Music, Deezer und Co., wenngleich hier die Moderation fehlt und die Songs lediglich anhand von Playlisten aneinandergereiht werden.

Hat man durch eine vollwertige Radiostation tatsächlich einen wirklichen Mehrwert? Ich glaube nicht, besonders innovativ ist das jedenfalls nicht.

Zu wenige Plattformen, geringe Bitrate

Hinzu kommt, dass Apple Music zu Beginn an lediglich für Mac OS X, Windows, iOS und ab Herbst auch für Android verfügbar sein wird. Für einen Musikstreaming-Dienst mit der finanziellen Power von Apple ist das zu wenig. Wenn ich Musik hören möchte, dann will ich das unabhängig meiner Plattform tun können. Zumindest eine App für Windows-Phone-Nutzer und eine für Linux-Systeme wäre zum Start angebracht gewesen. Vor allem aber vermisse ich bei Apple Music eine Webversion. Wenn ich bei Freunden und Bekannten bin, will ich auch dort auf einer Party oder einem gemütlichen Grillabend meine Lieblingsmusik streamen können, ohne dabei meine eigenen Geräte mitbringen oder auf den Systemen meiner Freunde zunächst einen Clienten herunterladen zu müssen. Und was ist mit Nutzern, die gerne auf der Arbeit Musik hören, aufgrund der strengen Regularien der Administratoren aber keine Software auf ihrem Arbeitsrechner installieren dürfen? Auch die bleiben bei Apple Music außen vor.

Zudem haben qualitativ andere Anbieter die Nase vorn. Apple Music soll Songs mit einer Bitrate von 256 Kbits streamen, Spotify macht dies teilweise mit 320 Kbits. Müde belächelt habe ich außerdem „Connect“, worüber sich Künstler in kleinen Videos, Insights und kurzen Demos sowie weiteren PR-Möglichkeiten selbst präsentieren können und so näher an die Fans gelangen. Dieses soziale Netzwerk für Musiker und Fans gab es mit „Ping“ schon einmal in ähnlicher Form und wurde von Apple schnell wieder klanglos begraben und eingestellt.

Im Vergleich zu Spotify, einem der bekanntesten und größten Musikstreaming-Dienste, ist Apple Music damit auf den ersten Blick ein billiger Klon dessen. Billig ist die Kopie vielleicht nicht, dafür aber preisgünstig. Zwar bezahlt man als Single-Nutzer bei beiden Diensten 9,99 Euro monatlich, dafür aber ist die Familienlizenz deutlich günstiger. Während man bei Spotify für jeden weiteren Nutzer 4,99 Euro zuzüglich zum regulären Hauptaccount bezahlt, werden bei Apple Music pauschal für bis zu sechs Nutzer 14,99 Euro fällig. Bei Spotify belaufen sich die monatlichen Kosten für vier zusätzliche Nutzer schon auf rund 30 Euro. Spotify hat allerdings angekündigt, hier nachziehen zu wollen, zumindest aber seine Family-Option zu überarbeiten.

  Spotify Apple Music Deezer Napster Google Play Music Xbox Music MixRadio
Preis

4,99 € (Student)

9,99 €

ab 14,99 € (Familie)

9,99 €

14,99 € (Familie)

9,99 €

7,95 € (Browser)

9,95 €

 9,99 € 9,99 € 9,99 €
Kostenlose Version ja nein ja nein nein nein ja
Anzahl der Titel Über 30 Million Über 30 Million Über 30 Million Über 30 Million Über 30 Million Über 30 Million Über 30 Million
Audioqualität 320 kb/s 256 kb/s 320 kb/s  keine Angabe 320 kb/s  320 kb/s 320 kb/s
Radio ja (generiert) ja ja (generiert) ja (generiert) ja (generiert) ja (generiert) ja
Exklusive Stücke ja ja keine Angabe keine Angabe ja keine Angabe keine Angabe
Betreute Playlists ja ja ja ja ja ja ja (Mixe)
Offline Musik ja ja ja ja ja ja ja
Onlinespeicher nein ja ja nein ja ja nein
Soziale Features ja ja ja ja ja nein ja
Desktopprogramme

Windows

Mac

Linux

Windows

Mac

Windows

Mac

Windows

Windows 8 (App)

Mac

Browser

Windows 8 (App)

Browser

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Mobile Apps

iOS

Android

Windows

iOS

Android

iOS

Android

Windows

iOS

Android

Windows

iOS

Android

Windows

iOS

Android

Windows

iOS

Android

Partnerschaft
Logo Telekom Tabelle

 

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Vodafone Tabelle
group o2 eplus tabelle
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Apple Music wird trotzdem ein Erfolg

Alleine aufgrund des günstigeren Preises für mehrere Nutzer und eben des nahezu identischen Funktionsumfangs habe ich mir schon während der Keynote am Montag überlegt, Ende Juni von Spotify auf Apple Music zu wechseln. Auch wenn mir das Design der Apple-App mehr zusagt – da liegen nun einmal die Stärken von Apple – werde ich das nicht tun: Der Grund ist Spotify Connect. Ich habe zu Hause schon einige Geräte, die Spotify Connect unterstützen. Dabei fungiert mein Smartphone lediglich als Fernbedienung für meine Playlisten, während die Connect-Geräte direkt über das Netzwerk mit dem Internet verbunden sind und die Streams direkt darüber beziehen. Das spart nicht nur Akku am Smartphone, sondern ist auch noch super bequem – ein Feature, das ich nicht mehr missen möchte, bei Apple Music allerdings darauf verzichten müsste. Vermutlich aber wird Apple im Laufe der Zeit ebenfalls mit einigen Sound-Herstellern zusammenarbeiten und eine ähnliche Funktion anbieten. Davon bin ich überzeugt.

Aber nicht nur deswegen glaube ich, dass Apple Music mit der Zeit allen anderen großen Musikstreaming-Diensten den Rang ablaufen wird und trotz eines anfänglich „schlechten“ Produkts für Apple ein wirtschaftlicher Erfolg werden dürfte. Apple hat dank iTunes die Kreditkartennummern von über 800 Millionen Nutzern, die damit sicherlich schon einmal für eine App oder einen Musik-Download bezahlt haben. Sie sind es gewohnt, für digitale Inhalte zu bezahlen und damit auch potentielle Kunden für Apple Music.

Hinzukommt die nahtlose Integration von Apple Music in alle anderen Dienste; denn wer schon einmal einen Song über iTunes gekauft hat, hört diesen direkt über die neue Musik-App von Apple. Wer iTunes Match nutzt und darüber seine eigenen MP3-Songs in die Apple-Cloud lädt, hört diese unterwegs ebenfalls über die neue App. Der Musikstreaming-Dienst von Apple ist da nur ein Fingertab weiter – ohne, dass Nutzer erneut ihre Zahlungsdaten hinterlegen müssen. Wer also schon einen der Apple-Dienste nutzt und noch keinen anderen Musikstreaming-Dienst abonniert hat, dürfte vermutlich schnell bei Apple Music landen.

Schwere Zeiten für die Konkurrenz?

Vor allem aber hat Apple die Macht und das Geld einen solchen Dienst in den Markt zu drücken. Alleine fast 175 Milliarden US-Dollar liegen als Barreserve auf der hohen Kante. Damit könnte Apple nicht nur einen ordentlichen Betrag für Marketing ausgeben, sondern es sich auch leisten, einen zunächst nicht profitablen Service zu betreiben. Andere brauchen dafür geduldige Geldgeber mit Risikokapital (Spotify ist selbst nicht profitabel, gelangt aber immer wieder in neuen Finanzierungsrunden an frisches Geld). Wenn Apple den Dienst mit aller Gewalt in den Markt hätte drücken wollen, dann wäre man wohl schon jetzt deutlich günstiger als die Konkurrenz. Im Hintergrund dürften die Verträge aufgrund der jahrelangen Erfahrung mit iTunes vielleicht auch etwas anders aussehen also bei anderen Streamingdiensten – ohne genaue Zahlen zu kennen, ist das aber reine Spekulation.

Spotify wird sich warm anziehen müssen, hat aber noch ein weiteres Ass im Ärmel: Seine Free-Nutzer. Wer für Musikstreaming nicht bezahlen möchte, der wird mit Sicherheit nicht bei Apple landen, dann hier gibt es lediglich das Bezahlmodell, wobei man den Dienst ab Ende Juni drei Monate lang kostenlos ausprobieren darf. Bei Spotify ist das anders. Hier kann Musik unbegrenzt im Monat kostenlos gestreamt werden, man muss dafür aber Werbung zwischen den Songs und im Player in Kauf nehmen. Zudem ist das Free-Abo bei den Funktionen etwas abgespeckt, beispielsweise fehlt der Offline-Modus. Bei Spotify nutzen dieses Angebot immerhin über 55 Millionen Nutzer.

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Die Free-Accounts und Spotify Connect sind die größten Stärken des Dienstes

Fazit

Auch wenn Apple Music zum jetzigen Zeitpunkt eine freche Kopie anderer Dienste ist, die lediglich um ein paar (in meinen Augen unnötige) Features erweitert wurde, wird Apple schnell eine Vielzahl von Nutzern erreichen und vermutlich den einen oder anderen von der Konkurrenz abziehen. Davon bin ich überzeugt. Ich selbst werde Apple Music ab Ende Juni sicherlich drei Monate lang testen. Von Spotify wechseln aber werde ich wohl nicht.

Was denken unsere Leser über Apple Music?

Ein Kommentar von Andreas Stegmüller. Die Ausführungen spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der gesamten Redaktion wider.

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