@Konvektions-Diskussion:
Der Punkt, ab dem die freie Konvektion bei einem im Deckel montierten Radiator bezüglich der Effektivität der Wakü vollständig zu vernachlässigen ist, wird meiner Erfahrung nach bereits bei minimaler erzwungener Konvektion durch die Radiator-Lüfter erreicht. Selbst die niedrigsten Lüfterdrehzahlen (~300rmpm) übertreffen derlei Effekte in der Regel bereits massiv. Wenn man dann noch vermeidet, dass sich um den Radiator herum ein Warmluftsee unter dem Deckel bilden kann, indem man den Deckel auch außerhalb des Radiators luftdruchlässig gestaltet, ist nicht mal der Minimalsteffekt zu befürchten den die Abstrahlung dieser warmen Luft auf die Seitenflächen des Deckelradiators ausübt (sitzt der Radi oberhalb des Deckels ist das wieder ein bisschen anders).
Wirklich messbare und dann u. U. auch noch kühltechnisch relevante Auswirkungen hat der Aufstieg erwärmter Luft durch natürliche Konvektion erst bei vollkommen passiv arbeitenden Systemen - dann ist der Effekt allerdings nicht mehr vernachlässigbar. Bei einer internen Wakü wird so was allenfalls beim Wunsch nach passivem/semipassivem Betrieb im Idle relevant. Grundsätzlich sind solche Effekte aber etwas was man als normaler Wakü-Bastler komplett außen vor lassen kann. Die Fragestellung nach der Förderrichtung der Lüfter eines Deckelradiators ist jedoch unter anderen Aspekten als der Konvektion durchaus bedenkenswert. Ob es sich nun positiv oder negativ auf die Luft- und Wassertemperaturen (und somit auf die Temperaturen der Komponenten) auswirkt, wenn die Lüftern eines Deckel-Radis ein- oder ausblasend montiert sind, hat nämlich viel mehr mit der Aufteilung der zu kühlenden Leistung auf Luftgekühlte und wassergekühlte Komponenten und die sich dadurch einstellende Temperaturdifferenz zwischen Außentemperatur und Innentemperatur des Gehäuses zu tun, als mit den vernachlässigbaren Effekten der natürlichen bzw. freien Konvektion.
@Liquid-Chillin: Dass du bei deinen Tests der Einbausituation im Deckel mit einblasenden langsam drehenden Lüftern temperaturmäßig einen negativen Effekt erfasst hast, solltest du nicht allzu sehr verallgemeinern. So ein Ergebnis ist wie gesagt auch maßgeblich von anderen äußeren Faktoren abhängig und nicht allein auf ein Arbeiten gegen die freie Konvektion der Innenluft zurückzuführen. Es hängt wie gesagt vielmehr davon ab wie sich die Temperaturdifferenz zwischen der Luft außerhalb des Gehäuses im Vergleich zur Innenluft einstellt, und damit von der Frage welche Komponenten wassergekühlt sind bzw. welche nicht (Verteilung der Abwärmemenge auf die Abgabe direkt an den Innenraum und über das Wasser an den Radiator).
Betrachtungen wie sich die freie Konvektion hier im Zusammenspiel mit der erzwungenen Konvektion durch die Lüfter auswirkt sind angesichts dieser (zumindest bei leistungsfähigen Rechnern) viel größeren Einflüsse ziemlich akademisch. Betrachtet man es aber haarspalterisch, so wirkt sich sogar aus wie der Gehäusedeckel gestaltet ist (sprich wie dicht oder undicht das Case war) - ja selbst die Tatsache, dass du deine Messungen in einem Gehäuse aus Kunststoff durchgeführt hast, würde dann schon wieder eine minimale Rolle spielen. Da es mir selbst sogar mit einem relativ empfindlichen Hitzdrahtanemometer in einem einigermaßen dichten Stahlblechgehäuse Gehäuse bei einen rein passiv gekühlten Rechner (Lukü) unter Last nicht gelungen ist eine messbare freie Konvektionsströmung zu erfassen weil sie einfach zu schwach ist, würde mich im Übrigen sehr interessieren mit welcher Messtechnik du zu deinem Ergebnis gekommen bist. Vor allem würde mich aber interessieren, ob du die im Vergleich zum Effekt der freien Konvektion wesentlich wichtigeren Randbedingungen auch korrekt erfasst hast - denn ohne die ist das Ergebnis leider ziemlich wertlos wenn nicht gar irreführend und sagt über den Einfluss der freien Konvektion eigentlich auch nichts aus.
Aber um mal wider in die Welt des normalen Wakü-Nutzers zurückzukommen: Grundsätzlich sollte man sich bei der Fragestellung der Förderrichtung von Lüftern an Deckelradiatoren die Frage stellen, worauf man die Priorität legt. Eine wirklich ideale Lösung ist ein Radiator im Deckel sowohl in der einen als auch in der anderen Konfiguration nicht. Da bei viele kommerziellen Gehäuse aber nur diese Positionfür den Einbau in Frage kommt, muss man eben damit leben. Im Falle des einblasenden Lüfters profitieren vor allem die wassergekühlten Komponenten von der höheren nutzbaren Temperaturdifferenz durch die kühlere Außenluft. Im Verhältnis zum Rest der Hardware umso mehr, wenn nicht alle heißen Komponenten in die Wasserkühlung eingebunden sind (daher übrigens auch die Empfehlung der Herstellern von CPU-only AIOs stets eine einblasende Förderrichtung zu verwenden - so rechnet man sich nämlich schön, wenn eine heiße Graka den Innenraum aufheizt). Wählt man hingegen die ausblasende Förderrichtung, profitieren vor allem die nicht in die Wakü eingebundenen Komponenten, weil sie nicht zusätzlich mit der Abwärme des wassergekühlten Komponenten belastet werden. Konvektionseinflüsse spielen in beiden Fällen jedoch auch bei sehr langsam drehenden Lüftern eine absolut untergeordnete und in der Praxis vernachlässigbare Rolle, solange man nicht über passiv-Betrieb im Idle nachdenkt. Über den Aspekt der freien Konvektion im Gehäuse kann man also im Normalfall ohne mit der Wimper zu Zucken hinweg gehen, und macht die Wahl der Förderrichtung besser an den tatsächlich relevanten Fragestellungen fest.
Wenn man das Thema Radiatorpositionierung sowie Be- und Entlüftung in einem Tower- oder Cube-Gehäuse im Übrigen optimal lösen will, und dabei auch solche minimalen Randeffekte wie die freie Konvektion als negativen Einfluss vollständig ausschließen will, ist der Gehäusedeckel wie gesagt grundsätzlich die falsche Position für eine Radiator. Idealer Weise kommt weder der Radiator selbst noch die durch ihn durchgeleitete Luft überhaupt mit der Innenluft des Gehäusebereichs in dem die Hardware steckt in Berührung, sondern schiebt die möglichst weit unten angesaugte Umgebungsluft nach der Erwärmung im Radiator seitlich wieder aus dem Gehäuse hinaus. Man kann auch auf einer Seite des Gehäuses ansaugen und die erwärmte Luft auf der anderen Seite wieder hinaus schieben, wenn man keinen nennenswerten Abstand des Gehäusebodens vom Fußboden für die Ansaugung der Kühlluft von unten haben möchte. Dann lässt sich intern allerdings nicht so viel effektive Radiatorfläche unterbringen wie mit Ansaugung unten und beidseitg angebrachten Radiatoren. Die Entsorgung der Abwärme im Gehäusebereich mit der Hardware kann dann vollkommen unbeeinflusst von der Abwärme bzw. ohne Einfluss auf die Wakü vonstatten gehen. Ob man dies dann besser aktiv oder passiv bewerkstelligt, hängt dann nur noch davon ab, wie heiß die Komponenten werden die nicht im Wakü-Kreislauf eingebunden sind.
Für beide geschilderten Varianten gilt: Sobald die durch den Radiator erwärmte Luft sich außerhalb des Gehäuses beruhigt, steigt sie außerhalb des Gehäuses langsam durch natürlich Konvektion auf und es besteht nicht die Gefahr, dass die erwärmte Luft erneut angesaugt wird oder sich über der restlichen Hardware staut. Dieser Aufbau ist jedoch leider nur bei sehr wenigen kommerziell erhältlichen Gehäusen ohne größeren Umbauaufwand zu realisieren. Sowohl theoretisch als auch praktisch sind das aber die Methoden der Wahl, wenn man sowohl einen Einfluss auf die Wakü durch die Erwärmung des Gehäuses wegen der an die Gehäuseluft abgegebenen Abwärme der Hardware als auch einen Einfluss der Radiatorabwärme auf die restlichen Komponenten komplett vermeiden will. Im Übrigen bietet es sich dann auch an das Netzteil unter dem Gehäusedeckel oder ebenfalls außerhalb des Hardware-Einbauraums zu befestigen. Unter dem Deckel ist dann jedenfalls Platz und die Abwärme des Netzteils trifft so ebenfalls weder die Hardware noch beeinflusst sie die Wasserkühlung. Kurzum man trennt den wassergekühlten Teil des Rechners komplett vom restlichen luftgekühlten Teil.
Das sind allerdings alles Optimierungen auf allerhöchstem Niveau und eher was für richtige Perfektionisten. Solange wir nicht von semipassiven oder gar vollständig passivem Wakü-Betrieb reden (was eigentlich sowieso nur extern realisierbar ist), sind negative Effekte durch natürliche Konvektion im Gehäuse im Regelfall jedenfalls vernachlässigbar und wenn überhaupt nur mit großem Aufwand überhaupt messtechnisch nachweisbar.
Wenn man einen Radiator im Deckel verbaut ist die Frage in welche Richtung die Lüfter vorzugsweise arbeiten sollten jedenfalls keineswegs mit einer klaren Aussage pro einblasend oder pro ausblasend zu beantworten - vor allem nicht mit dem Argument der freien Konvektion, die bei aktiven Lüftern allenfalls eine winzige Nebenrolle spielt. Die eigentliche Frage ist die, ob man die Kühlpriorität mehr auf die wassergekühlten Komponenten oder eher auf dem Rest der Hardware legen will, indem man Letzterer auf Kosten geringfügig schlechterer Kühlung der wassergekühlten Bauteile thermische Entlastung schenkt.
Deshalb sollte man sich von Fragen bezüglich freier Konvektion im Gehäuse, und ob die Lüfter nun gegen oder mit ihr arbeiten nicht verrückt machen lassen - das ist wirklich nicht der entscheidende Effekt. Nur wenn man aus reinem Perfektionismus nach der wirklich optimalen Lösung sucht ist diese Fragestellung interessant. Dann fällt eine Lösung mit Radiator im Deckel aber sowieso aus dem Raster, denn sie ist immer suboptimal - auch wenn die negativen Effekte für die normale Praxis nicht dramatisch sind.