Wieso sollte ich nichts auf die Kette bekommen haben? Begründe! Das es unweigerlich stimmt, das seit der Privatisierung der Bahn, Misswirtschaft betrieben wurde ist ein Fakt. Das es heute mehr Manager bei der DB gibt als früher Direktoren bei der Bundesbahn ist auch Fakt. Und das genau die, die diese Misswirtschaft mitverursacht haben, jetzt das operative Personal bluten lassen will ist nunmal fürn Arsch. Und dann wird im gleichem Atemzug noch erwähnt, das man uns Wertschätzt. Die feinen Herren in den Managerpöstchen konnten schön vom Homeoffice arbeiten, während das operative Personal tagtäglich während Corona vor Ort ist. Sei es der Reiniger, Fahrdienstleiter, Kundenbetreuer usw.
Da ist es einfach nur frech von uns zu erwarten, das wir sparen sollen, Wertschätzung sieht anders aus.
Solche Probleme des “von oben nach unten” hast du in vielen Arbeitsbereichen... Dazu kann ich dir ein Beispiel aus meinem Bereich geben. Mein Beispiel wird zwar die meisten hier nicht interessieren, aber ich schreibe es insbesondere für dich um einen kleinen Vergleich zu geben bezüglich dem Punkt der
Wertschätzung.
Studien und Reviewartikel müssen bei Journalen (wissenschaftliche Fachzeitschriften) eingereicht und publiziert werden.
Die Journale nutzen dafür ein Peer-Review Verfahren. Hier schauen “Experten” aus aller Welt über den eingesendeten Artikel (z.B. in Form einer Studie) und entscheiden dann ob der Artikel angenommen, abgelehnt, oder für eine Verbesserung zurückgeschickt wird. Im letzten Fall wird der Artikel mit Anmerkungen des Reviewers und Bedarf nach kleineren oder größeren Korrekturen (bis hin zu kompletten angeforderten Umstrukturierungen des Artikels) zurückgesendet.
Bei vielen Journalen, aber nicht bei allen, besteht ein double-bind Reviewverfahren. D.h. es werden zwei Reviewer ausgewählt (die beide nicht wissen dass sie den gleichen Artikel begutachten) während du nicht weißt wer die Reviewer sind. Zusätzlich wissen die Reviwer nicht von welchen Wissenschaftlern der Artikel stammt; für die Reviewer wird nur der Inhalt ohne Autorenangabe sichtbar solange der Artikel nicht angenommen und publiziert wird.
Soweit so gut. Das ganze Verfahren verspricht natürlich dass grundsätzlich nur qualitativ gute Studien und Reviews veröffentlicht werden. Zumindest in der Theorie. In der Realität hast du nämlich oftmals Reviewer die einfach “dumm” und dogmatisch eingestellt sind. Mit diesen kannst du dann in eine Diskussion über deinen Artikel einstiegen indem du den Versuch übernehmen musst diese Personen von deinen Aussagen zu überzeugen, damit der Artikel final angenommen wird.
Beispiel Neurowissenschaften: grob gesagt gibt es 3 Typen von Reviewern:
- Typ a) findet Studien zur resting-state activity toll, mag oder glaubt aber keine Aussagen zu Studien der task-evoked activity.
- Typ b) der gleiche Sachverhalt wie oben nur umgekehrt.
- Typ c) findet allemeinen fMRI doof und glaubt hier sowieso erst Recht keinen fMRI Studien.
Dann ist publizieren mitunter auch politisch beeinflusst. Aktuelle Trends, Paradigmen... Dein Artikel kann toll sein wird aber trotzdem abgelehnt weil der Reviewer aus einem anderen Lager als du kommst...
Jetzt kommen wir Mal zur “Wertschätzung”. Wir/Ich sind diejenigen die den ganzen Arbeitsaufwand der Forschung, der Theoriebildung sowie das Schreiben der Artikel umsetzen, während die Journale mit den Artikeln dann das große Geld machen und uns zum Dank noch tausend Feinarbeiten auferlegen (jedes Journal hat seinen eigenen Zitierstil, generellen Aufbau, Beschränkungen etc.). Ich erinnere an die dummen und dogmatischen Reviewer. Es gibt genügend Wissenschaftler die sich etwas darauf einbilden dass sie hier Editor und dort Reviewer sind, sodass sie ihren Narzissmus super ausleben können.
In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass nicht nur die Journale Geld mit den Artikeln verdienen, sondern dass der Wissenschaftler die Publikation dieser (und sei es nur die eigene Universität/Uniklinik etc.) noch selbst bezahlen muss. So wird z.B. der Druck für jede Farbgrafik angerechnet etc. Openaccess (d.h. das jeder deinen Artikel gratis im Internet lesen kann statt z.B. 38€ dafür zu bezahlen) kostet pauschal mehrere tausend Euro/Dollar.
Ich erinnere kurz: Wertschätzung? Ich erwarte diese ja nicht einmals... Aber weniger (überflüssige) Widerstände wären gut.
Damit die Artikel eher sofort angenommen werden besprechen wir jeden Artikel z.B. in Skypemeetings mit ca 50 Personen der Forschungsgruppe. Hier schaut man dann mit allen Personen noch einmal drüber und diskutiert direkt aus was man wo vielleicht wie ändern müsste um die Dogmatiker und Unwissenden Reviewer zu umgehen bzw. ihnen erst gar keine Angriffsfläche zu bieten.
Man könnte nun natürlich naiv annehmen, dass man doch nicht unbedingt publizieren müsste. Immerhin könnte man auch selbst eigene Bücher schreiben, selbstständig publizieren etc. Vergiss es. So etwas ging im wissenschaftlichen Betrieb noch vor 50 Jahren. Wer heute nicht regelmäßig publiziert fliegt irgendwann raus. Dich kennt dann schlichtweg auch niemand. Du erhälst keine Kontakte, internationale Vernetzungen etc. Kurzum: man würde seine Arbeitsstelle verlieren. Die oberen Geldgeber fragen dann nämlich was man denn bitte die ganze Zeit anstellt (es kämen so ja keine “Ergebnisse”–also wenn man ewig lange forscht und nichts entsprechendes veröffenlicht).
Wie du siehst sitzen auch hier Menschen mit am “oberen” Hebel jene die ganze “untere” und notwendige Arbeit nicht immer wertschätzen um deinen Punkt wieder aufzugreifen.