Grundsätzlich will ich Freelancer nicht schlecht reden. Ich kenne wirklich super Leute denen so schnell keiner das Wasser reichen kann. Die arbeiten auch sauber, schnell und professionell. Allerdings ist deren Auftragsbuch auch so voll, dass die sich die Kunden quasi aussuchen können.
Aber ich bin 25 Jahre im Projektgeschäft tätig und kenne mittlerweile die Geschäftsgebahren von vielen. Wenn ich deren Rechnung sehe wird mir übel.
Vor 15 Jahren war ich mal bei einer Firma stellvertretend für einen Kollegen eingesprungen und habe mich geweigert die Rechnungen freizugeben. Ich habe die abgerechnete Leistung weder gesehen und konnte auch nicht feststellen, dass die Themen abgeschlossen sind, noch gab es eine offizielle Abnahme der Teilprojekte der verantwortlichen Teilprojektleiter. Aber mit 12 Mann immer tageweise Rechnungen gestellt. Nicht nach Stunden abgerechnet, es ging um Tage. Immer nur volle Tage. Teilweise wusste ich, dass die entsprechenden Kollegen nicht mal vor Ort waren. Es grenzte schon an ****** (B e t r u g). Edit: Warum wird das Wort zenziert?
Die haben das Budget für 3 Jahre in 0,75 Jahren durchgebracht.
Ich habe auch die Projektberichte, die mein Kollege alle mit Grün (alles planmäßig) bewertet hat, mit Gelb (Terminverzug) und teilweise in Rot (Projekt gefährdet) bewertet.
Da war was los. Das ging rauf bis zur Geschäftsleitung. Die Freelancer haben den Aufstand geprobt. Der Hauptverantwortliche (mein damaliger Chef (US-Amerikaner)) wollte, dass ich meine Projektbewertung korrigiere und freigebe. Hab ich nicht getan. (Mein Verantwortungsbereich, meine Entscheidung) Dann war der Kollege wieder da und der hat alles wieder auf Grün gesetzt.
Ich konnte die Situation mit meinem Gewissen nicht vereinbahren und hab zum Ende des Jahres den Job gewechselt.
Am Ende haben die sich alle gegenseitig auf die Schulter geklopft und das Projekt in Rekordzeit abgeschlossen. Allerdings waren von den enthaltenen Teilprojekten nur 3 von 11 fertig und der Rest nicht.
Alles Politik was da betrieben wurde. Im Folgejahr wollten die mich erneut wieder einstellen und mich abwerben weil deren Projekte aus dem Ruder liefen.
Hab mal Jahre später mit dem Kollegen gesprochen, ob denn jetzt alles läuft. Er meinte, die sind immer noch dran.
3 Jahre später haben die den Laden dichtgemacht. Ich bilde mir aber nicht ein, dass ich das gerettet hätte. Lief eben auch in der gesamten Firma so chaotisch. Budgets waren nur eine Zahl an der Wand, die man jederzeit ändern konnte.
In meiner jetzigen Firma habe ich 2 Freelancer vor die Tür setzen lassen. Nur heiße Luft produziert. Also ich habe empfohlen, deren Projekte und Tätigkeiten mal genau zu prüfen. Auf einmal waren sie nicht mehr da. Keiner hat einen Unterschied zu vorher bemerkt.
@YoJo Ich war auch einer von denen, die immer als MacGyver dann zu den festgefahrenen Projekten hingeschickt wurden um die wieder aufs Gleis zu setzen. Und um mal richtig auf die Kacke zu hauen: Wie viele Kundenprojekte ich gerettet habe, wo der Kunde drohte alles rückabzuwickeln, ist verrückt.
Aber auch meine alte Firma hat meinen Einsatz immer sehr relativiert und wenn, nur kurz zu schätzen gewusst. Hinterher natürlich. Als Alarmstufe rot war, musste ich manchmal von heute auf morgen bei einem Kunden alles stehen und liegen lassen und bin zum anderen Kunden gejettet.
Herrlich, da im Nachhinein nochmal drüber nachzudenken.
Und Ja: Ich lasse mir meinen aktuellen Job auch relativ gut bezahlen. Habe selbst lange über eine Freelancer-Tätigkeit nachgedacht. Da hätte ich jetzt schon wesentlich mehr Kohle anhäufen können. War aber zu feige dafür.
Im Nachhinhein hab ich mir unnötig Sorgen gemacht.
Aber in meiner jetzigen Firma bleibe ich als Festanstellung. Hab mein eigenes kleines Team, volle Rückendeckung der Geschäftsführung und kann die Projekte alle so gestalten wie ich es für richtig halte. Besser geht es nicht in meinen Augen. Die Workload von 50-60 Stunden pro Woche ist allerdings etwas hoch und ich plane das in den nächsten 2 Jahren auf ein normales Niveau zu bringen.