Der Vertrag von Maastricht und die Einführung des Euro seien „wie Versailles ohne Krieg“, meinte der indessen verstorbene legendäre „Spiegel“-Herausgeber Rudolf Augstein seinerzeit: Deutschland müsse zahlen und zwar ungeheure Summen. Wie recht er hatte, wissen wir erst jetzt. Dieser Tage haben nämlich der Berliner Bundestag und das Wiener Parlament beschlossen, den Euro-Rettungsschirm entsprechend mitzutragen. Von den gut 700 Milliarden Euro die dieser Rettungsschirm nach offizieller Lesart umfassen solle, würden die Deutschen gute 200 Milliarden übernehmen, die Österreicher 20 Milliarden. Jedermann weiß allerdings, daß diese Summen sich geschätzterweise verdoppeln würden, wenn die Haftungen schlagend werden, weil Zinsen, Kosten und ähnliches dazu kämen. Und wir dürfen einiges darauf verwetten, daß diese Haftungen auch in der Tat schlagend werden.
Ein Drittel dieses gesamten Haftungsschirms, den die Schuldenstaaten nach und nach zweifellos in Anspruch nehmen werden, müssen also die beiden deutschen Staaten berappen. Und von den übrigen beiden Dritteln wissen wir nicht einmal, ob die dafür offiziell gerade stehenden Länder jemals in die Verantwortung genommen werden können. Italien oder Frankreich, was können die schon bezahlen, wo sie selber am Rande des Abgrunds stehen?
Und natürlich wird die Bonität Deutschlands und damit auch jene Österreichs sinken, womöglich von den großen Ratingagenturen auch herabgestuft werden. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, daß noch zusätzliche Kosten auf die Deutschen und auf die Österreicher zukommen, für zukünftige Zinsen, für zukünftige Kreditaufnahmen nämlich. Die Kassandra-Rufer, wie Hans Werner Sinn, wie Peter Gauweiler, wie die Professoren Schachtschneider, Henkel oder Otte, sie werden nicht nur recht behalten mit ihren Warnungen, diese dürften von der Realität sogar noch überholt werden: Deutschland und Österreich sind nicht nur unversehens voll in eine Transfer-Union hineingeraten, nein, sie haben mehr oder weniger indirekte Reparationszahlungen zu leisten, wie seinerzeit nach den Verträgen von Versailles und Saint Germain.
Wofür eigentlich? Noch immer als Strafe für zwei verlorene Weltkriege? Oder wird erfolgreiches Wirtschaften bestraft? Oder haben wir tatsächlich so unglaublich von der Euro-Einführung profitiert, wie manche Krisen-Schönredner behaupten? Hätte Deutschland ohne den Euro, ausgestattet nur mit der guten alten D-Mark, nichts exportiert?
Alles ein ausgemachter Quatsch und eine gigantische Lüge. Die Wahrheit ist vielmehr, daß es längst keinen moralischen Grund mehr gibt, warum Deutschland wegen der beiden Weltkriege derart gewaltige finanzielle Lasten quasi als Strafe für irgendwelche historischen Verbrechen auf sich nehmen muß. Die Wahrheit ist auch, daß die anderen Europäer und darüber hinaus alle Welt längst kein moralisches Recht mehr haben, Deutschland als Melkkuh zu betrachten. Und wenn von Deutschland geredet wird, darf immer Österreich mitgedacht werden. Wir sitzen diesbezüglich – ob wir es wollen oder nicht – tatsächlich im gleichen Boot. Und die Wahrheit ist, daß es die dekadenten und unfähigen deutschen Pseudo-Eliten sind, in erster Linie natürlich die Vertreter des politischen Establishments, die nicht den Mut haben, die Interessen ihres Landes und ihres Volkes zu vertreten.
Geradezu regelmäßig akzeptieren sie über kurz oder lang jede weitere Erpressung. Die politischen Vertreter Berlins und Wiens lassen sich bei internationalen Konferenzen und bei den Tagungen in Brüssel stets weichklopfen, und der deutsche und österreichische Steuerzahler hat zähneknirschend zu zahlen. Das politische Establishment verläßt sich darauf, daß es trotz alledem bei den nächsten Wahlen wieder zum Zug kommt. All das ist keine Tragödie mehr, sondern nur mehr eine politische Farce.
Solange es denn auch in Deutschland keine vernünftigen Alternativen im Angebot der politischen Mitbewerber gibt, wird sich nicht viel ändern können. In Österreich besteht hingegen sehrwohl die Chance, daß eine Kraft wächst, die gegen das Establishment bereit ist, Politik zu machen. Dem Vernehmen nach beobachten daher auch vor allem Brüsseler EU-Establishment-Kreise mit Sorge die Umfrage-Höhenflüge der FPÖ. Umso wichtiger wird es daher auch für die FPÖ sein, sich auf die so schwierigen Herausforderungen gut vorzubereiten.