d.h. dass die Boards mit übermäßig Rubycon Sanyo und co doch eher "wertig" bestückt wurden.
Korrekt. Leider bedeutet das nicht, dass das aus heutiger Sicht unbedingt besser ist. Man muss das in zwei Betrachtungen aufbrechen, wenn wir von
Japan-Caps aus der Zeit sprechen:
Rubycon
Rubycon war der Urvater der (Ultra-)Low-ESR Caps. Die haben damals die
Z* Serien mit drastisch reduziertem Innenwiderstand entwickelt, was durch einen erhöhten Wasseranteil realisiert wurde. Gleichzeitig haben Sie, stark vereinfacht gesprochen, Reaktionshemmer in ihre chemische Formel eingebaut, die eben verhindern sollten, dass die uns heute bekannten Reaktionen stattfinden. Dank dieser Reaktionshemmer sind deren Kondensatoren z.B. aus den Serien ZL*, MBZ und MCZ mit Abstand
deutlich weniger von katastrophalen Ausfällen betroffen als vergleichbare Konkurrenzprodukte. Wir reden hier, nach meiner nebenher geführten Statistik ungefähr von einem Ausfallverhältnis von ca.
1:6 bis 1:16 im Ultra-Low-ESR Bereich. Statistisch gesehen kommen z.B., Datenstand aus 07/2024, auf
einen defekten MBZ gleich 7,73 defekte Nichicon HM aus damaliger Produktion.
Vermutung am Rande: Ich weiß es nicht sicher, aber ich vermute mal, dass Matsushita, heute bekannt als Panasonic, damals als einziges Unternehmen entweder selbst entwickelt hat oder hier ein gewollter Techtransfer zwischen Rubycon und Matsushita stattgefunden hat, denn es ist auffällig, dass z.B. die [M]
FJ Serie quasi exakt so selten sichtbar defekt ist, wie die äquivalente
MBZ Serie.
Wie gesagt – nicht falsch verstehen – aus heutiger Sicht sind
auch diese Serien gefährlich und tickende Zeitbomben, die man nicht mehr in Betrieb halten sollte, alleine schon auf Grund der hohen Reaktivität und des Alterungsprozesses / schlechtere Filterleistung, yada yada.
Das bringt uns zu...
Andere japanische Hersteller (Nichicon, Sanyo, Nippon Chemicon...)
So wie man es mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutet, wurde diese damals neuartige Chemiezusammensetzung durch Arten von Industriespionage anderen Herstellern zugänglich gemacht, allerdings nicht in ihrer vollständigen / finalen Form, da scheinbar wichtige Bausteine zur Reaktionshemmung fehlten. Daraus resultierte also erstmal zwar ein scheinbar ebenbürtiges Produkt mit ebenfalls niedrigem Innenwiderstand, allerdings sind diese Serien durch die chemische Instabilität in erhöhtem Maße von vorzeitigen Ausfällen betroffen gewesen. Die Speerspitze in der Statistik bilden die
KZG-Caps mit 15,66
sichtbar defekten KZGs auf einen Rubycon MBZ. Wohlgemerkt ->
sichtbar defekt <-, also die Defekte, die erst durch Messreihen (wie die Tage hier gezeigt) sichtbar werden, sind davon sogar noch ausgenommen.
Das wiederum steht in krassem Gegensatz zu den anderen "gemäßigten" Serien dieser Hersteller. Nehmen wir z.B. mal eine Serie wie die
Nichicon HE oder
Chemicon KY und vergleichen diese mit dem
Rubycon YXG, dann gibt es hier natürlich auch inzwischen altersbedingte Ausfälle / Degeneration etc., allerdings über alle Japan Hersteller hinweg auf einem vergleichbaren Niveau und in Relation z.B. zu den (Ultra-)Low-ESR Serien in einem viel kleineren Rahmen. Auch das heißt
nicht, dass diese Caps unkritisch sind, sie sind inzwischen alt und können sterben, nicht mehr wie gewünscht filtern und damit Hardware grillen usw., aber das zeigt, dass prinzipiell alle japanischen Hersteller qualitativ auf einem recht hohen Niveau liegen und wir wahrscheinlich heute von einem KZG ein ganz anderes Bild hätten, wäre dieser aus einer fundierten Eigenentwicklung heraus entstanden und nicht als vermutlich mangelhafte Kopie. Dass sie es alle sehr gut können, sehen wir ja auch am
heutigen Produktportfolio dieser genannten Hersteller, wo man sowohl Nichicon, als auch Rubycon und United Chemicon über alle Serien hinweg
völlig bedenkenlos einsetzen kann.
Meinung am Rande: Ich halte die Sache mit der damaligen Industriespionage auch für sehr wahrscheinlich. Es wäre schon ein bemerkenswert erstaunlicher Zufall, wenn mehrere Hersteller unabhängig voneinander Produkte entwickeln, welche dann in unabhängigen Tests fürs Datenblatt zufällig bis aufs
mOhm oder mA exakt identisch sind und absolut keinerlei Unterschiede bestehen sollen.
Chinesische Hersteller
Bei den chinesischen Herstellern sieht es dann hingegen über das gesamte
damalige Produktportfolio eher mau aus. Da ist fast eine Serie so schlecht wie die andere. Das muss nicht immer nur darauf bezogen sein, dass die Caps auf Grund ihrer Zusammensetzung frühzeitig sterben, aber z.B. gerade im General-Purpose und leichten Low-ESR Bereich, wo wir viele lösungsmittelbasierte Caps haben, sind die Specs, mit denen im Datenblatt geworben wird, schlicht das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Das sind teilweise absolute
Phantasiewerte, wo auch in manchen Fällen ganz offensichtlich einfach Datenblätter von den Japanern kopiert wurden – übrigens sehr offensichtlich sogar inkl. der Fehler darin
– das Produkt die Specs hinterher aber gar nicht bringt.
Deswegen haben wir dann bei den chinesischen Caps, meist vor allem auf günstigen Boards / GPUs / in günstigen Netzteilen nicht nur stark fokussiert auf den (Ultra-)Low-ESR Bereich viele Ausfälle gesehen, sondern über breite Bereiche hinweg, weil dann z.B. so Situationen entstanden sind, wo ein Hersteller Caps verbaut hat, die zwar lt. Datenblatt genügen sollten, in der Realität aber z.B. längst nicht dem Ripple gewachsen waren und sich somit vorzeitig zerstört haben.