Moment mal, ist TC entsprechend dem Antitrust-Gesetz nicht illegal?
In den USA wahrscheinlich nicht. Intel hat eine »Plattformführerschaft«-Strategie ausgefeilt, in der das Unternehmen die Anstrengungen der Industrie bündet, Techniken zu entwickeln, die den PC nützlicher machen, so wie beim PCI-Bus und beim USB. Intels Verfahrensweise beschreiben Gawer und Cusumano in ihrem Buch. Intel gründet ein Konsortium zur Verteilung der Entwicklungsarbeit an der Technik, wobei die Gründungsmitglieder einige ihrer Patente mit einbringen, veröffentlicht Standards und lizenziert diese Technik, sobald das Ganze einmal ins Rollen gekommen ist, an Lizenznehmer die ihrerseits alle kollidierenden Patente kostenlos an alle Konsorten lizenzieren müssen.
Als positiver Aspekt dieser Strategie lässt sich das Wachstum auf dem PC Markt ansehen; der Nachteil ist, dass so jeglicher Mitbewerber daran gehindert wird, eine starke Position mit jeglicher Technik zu erreichen, die Intels Dominanz über PC-Hardware bedroht hätte. Deshalb konnte Intel IBM nicht erlauben, dem Microchannel-Bus zum Durchbruch zu verhelfen; nicht nur als konkurrierender Kern der PC-Architektur sondern auch, weil IBM kein Interesse daran hatte, die Bandbreite zur Verfügung zu stellen, die ein Konkurrieren mit High-End-Systemen ermöglicht hätte. Strategisch betrachtet gleicht dieser Effekt der alten römischen Praxis, alle Hütten und Wälder im näheren Umkreis ihrer Burgen zu zerstören. Keine konkurrierende Architektur ist nahe Intels Plattform erlaubt; alles muss vereinheitlicht werden. Dies aber schön, ordentlich und wohl-reguliert: Schnittstellen sollten »offen aber nicht frei« sein.
Der Konsortium-Ansatz hat sich zu einer sehr effektiven Methode entwickelt, die Antitrust-Gesetzgebung zu umgehen. Bisher scheint sich die Obrigkeit nicht allzu viele Sorgen über solche Konsortien zu machen - so lange wie die Standards für alle Firmen offen und zugänglich sind. Sie sollte vielleicht ein bisschen cleverer werden.
In Europa beziehen sich die Gesetze ausdrücklich auch auf Konsortien, und sie werden noch verschärft. In Berlin wurde vom Wirtschaftsministerium eine Konferenz veranstaltet, bei der Sprecher der Pro- und Kontra-TC-Fraktionen ihre Standpunkte vertraten. Professor Christian Koenig hat dazu auf Deutsch eine sehr gründliche Analyse der wettbewerbspolitischen Zusammenhänge veröffentlicht. Sein Fazit: TC verletzt europäisches Wettbewerbsrecht in mehrfacher Hinsicht. Das Kartellrecht erlaubt Standardisierungsgremien nur dann, wenn sie offen, nicht zwingend, und nicht diskriminierend sind. All das ist die TCG nicht. Sie diskriminiert Nicht-Mitglieder: die hohen Mitgliedskosten sind für kleinere Unternehmen unerschwinglich. Zudem diskriminiert die kostenpflichtige- statt kostenlose Lizensierung freie Software. Zudem gibt es viele Probleme mit Marktmacht und Marktabhängigkeiten. Die EU ist dabei, Microsoft des Versuchs schuldig zu sprechen, ihr Monopol von PCs auf Server durch Verschleierung der Schnittstellen auszudehnen. Wenn Schnittstellen durch TC abgeschottet werden können, wird das Ganze noch schlimmer. TC könnte es Microsoft zudem ermöglichen, ihr Monopol bei Betriebssystemen auf Onlinemusikdienste und Handysoftware auszudehnen.
Wie auch immer, ein Gesetz zu erlassen und dessen Einhaltung durchzusetzen, sind zwei verschiedene Dinge. Ende 2003 sollte die EU Microsoft für wettbewerbswidrige Maßnahmen gegenüber Netscape und bzgl. Serverschnittstellen verurteilt haben. Dieses Urteil wird jedoch zu spät kommen, um Netscape wiederzubeleben oder den Wettbewerb im Browsermarkt herzustellen. Bis die EU Microsoft wegen TC verurteilt, wird es 2008 sein. Bis dahin könnte unsere Gesellschaft bereits süchtig nach TC geworden und jegliche politischen Maßnahmen bedeutungslos geworden sein.