THE RAID (DE,
imdb) 6/10
Die Begeisterungsstürme um Gareth Evans’ THE RAID waren bzw. sind immer noch recht groß, wurde er doch sehr erfolgreich auf verschiedenen Filmfestivals aufgeführt, durch eine sehr kontroverse und erstaunlich aggressive Berichterstattung durch twitchfilm.com im Westen bekannt gemacht und schlussendlich mit überbordenden Lobpreisungen wie “Der beste Actionfilm des Jahres!” u.ä. beworben.
Aber wird er den dadurch geschürten Erwartungshaltungen – vor allem bei Genrefans – auch gerecht?
Klassische Actionfilme benötigen in aller Regel keine tiefergehende Geschichte, es reicht, wenn sie eine rudimentäre (im besten Fall auch kohärente) Rahmenhandlung und grob ausgearbeitete Charaktere bieten, da sich solche Filme auf das Wesentlichste beschränken: die Action. Genau dieses Konzept wird bei THE RAID aber auf ein Minimum reduziert, lässt sich der Film doch sehr gut mit folgendem Werbetext des amerikanischen Filmplakates beschreiben: “1 Ruthless Crime Lord. 20 Elite Cops. 30 Floors of Hell.”. Mehr muss man nicht wissen, mehr gibt es auch nicht. Dies betrifft aber auch die Charaktere der Geschichte, zu denen es kaum Hintergrundinformationen o.ä. gibt, um auch nur irgendeine Verbindung zu diesen aufzubauen. Sie sind dermaßen blass und eintönig, dass sie dem Zuschauer komplett egal sind. Damit verkommt die inhalts- und charakterlose Geschichte mehr oder weniger nur zum Lückenfüller und um gelegentlich ein paar kleine Pausen in den Film einzubauen. Einige Kinobesucher haben es treffend mit “Es waren zuviel Dialoge.” beschrieben, denn bei dem Minimum an “Geschichte”, hätte man diese gleich ganz weglassen können.
Das erst einmal bei Seite gelegt; kann der Film wenigstens mit dem überzeugen, womit er in erster Linie unterhalten will, nämlich der Action?
Evans’ Passion für die indonesische Kampfkunst Pencak Silat war ihm schon in seinem Debüt MERANTAU anzumerken – welches auch das Debüt der Kampfkunst auf der großen Leinwand selbst war. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Pencak Silat auch in THE RAID wieder zum Einsatz kommt. Dieses mal aber weit aus tödlicher als es in MERANTAU der Fall war.
THE RAID ist brachial, gewaltätig, schmerzvoll, kompromisslos, schnell und unglaublich dynamisch. Er bietet – leider nur im ersten Teil – wunderbare Shootouts und später unglaublich gut choreografierte und inszenierte Kämpfe, die auch schonmal mehrere Minuten andauern können. Aber trotz alledem kann er kaum bis gar keine Akzente setzen, um sich von der Masse der Martial Arts-/Actionfilme abzusetzen, denn dazu ist zum einen die Vielfalt der asiatischen Genrefilme viel zu groß und zum anderen das im Film dargebotene Spektakel – bedingt durch vorigen Punkt – zu normal.
War MERANTAU von der Inszenierung her noch etwas ruhiger und durchdachter, aber nicht weniger dynamisch in den Kampfszenen, so ändert sich dies in THE RAID schlagartig. So bald die Einheit das Hochhaus betritt, wird es rasant, teilweise sogar zu rasant, aber das ist ein Problem welches bei Handkameraaufnahmen generell besteht. Aber nichtsdestotrotz gibt es einige wenige Aufnahmen, die durchaus zu überzeugen wissen. Letztlich bleibt es aber bei einer für Actionfilme standardmäßig schnörkellosen Inszenierung.
Etwas enttäuscht war ich allerdings davon, dass der Film hinsichtlich Score für die Veröffentlichung auf dem westlichen Markt neuvertont wurde und das ausgerechnet von Mike Shinoda. Shinodas elektronische Musik passt nur an ganz wenigen Stellen im Film und baut keinerlei Atmosphäre auf, die das gezeigte entsprechend unterstützt.
Alles in allem, bietet der Film für den Genrefan ganz passable und für andere, dem Actionkino nicht abgeneigte, Filmfans gute bis sehr gute Unterhaltung. Ich wünsche mir nur für die kommende Fortsetzung, dass Evans gerade im Bereich Geschichte mehr Arbeit investiert, um etwas mehr Substanz zu bieten und mehr Mut in punkto Inszenierung, Choreografie etc. beweist, damit er sich vom Genreallerlei abheben kann.
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