Werbung
Ein leeres Versprechen oder doch eine Überraschung? Der hierzulande kaum bekannte und noch junge chinesische Smartphone-Hersteller OnePlus hat rund um sein Topgerät One einen Hype erzeugt, den man so bislang allenfalls von Apple erwartet hätte. Doch seit der Vorstellung im April ist die Stimmung gekippt: Zunächst in den Himmel gelobt, muss sich OnePlus mittlerweile einiges an Kritik gefallen lassen, sowohl für das One selbst als auch für seine Marketing- und Support-Politik. Unser Test soll zeigen, was das Smartphone wirklich bietet und ob sich das Warten auf eine Kaufeinladung lohnt.
Doch zunächst muss geklärt werden, was nicht in das Fazit einfließt, aber dennoch vor dem Kauf berücksichtigt werden sollte. So ist derzeit beispielsweise viel Geduld erforderlich, um überhaupt ein Exemplar zu erhalten. Denn ohne weiteres - sieht man einmal von Händlern ab, die deutlich mehr als den unverbindlichen Preis verlangen - ist der Erwerb nicht möglich. OnePlus verteilt über diverse Kanäle Einladungen, deren Code den Kauf per Online-Shop möglich macht; einen offiziellen Vertrieb über Ladengeschäfte gibt es hierzulande nicht.
{jphoto image=60349}
Gleiches gilt für den Kundendienst, den das Unternehmen komplett per Internet abwickelt. Zwar hat OnePlus versprochen, Logistik und Support über europäische Standorte abwickeln zu wollen, getan hat sich in diese Richtung aber noch nichts. Dementsprechend häufen sich im Internet die Berichte über langwierige Garantie- und Gewährleistungsabwicklungen.
Hardware
Besteht dennoch Interesse am One, lohnt ein Blick auf die Ausstattungsliste. Für viele an erster Stelle dürfte dabei das Display stehen. OnePlus setzt hier auf ein 5,5 Zoll messendes IPS-Panel mit 1.920 x 1.080 Pixel. Tendenziell bewegt sich das Gerät damit auf in einer Größenklasse wie das das LG G3, bietet aber lediglich die Auflösung des Galaxy S5 oder One (M8). Deutlich wird dies beim Blick auf die Pixel-Dichten: Das G3 erreicht 534 ppi, das One 401 ppi, das One (M8) 441 ppi. Zu stark bewerten sollte man den Unterschied gegenüber LGs Flaggschiff nicht, mit bloßem Auge sind derartige Unterschiede im Alltag kaum bis gar nicht zu erkennen. Dementsprechend weiß die Schärfe der One-Anzeige zu gefallen, sowohl beim Surfen im Internet als auch bei der Video-Wiedergabe.
Hilfreich ist in beiden Fälle die nahezu komplett überzeugende Hintergrundbeleuchtung. Denn mit 418 cd/m2 in der Spitze ist auch in hellen Umgebungen alles erkennbar. Und selbst der bei maximaler Einstellung dunkelste Punkt der Anzeige erreicht noch 362 cd/m2, mit 86 Prozent fällt die Homogenität gut aus.
Allerdings leistet sich das Display auch drei klare Schwächen. Zunächst betrifft dies den Kontrast, der mit 844:1 eher mittelmäßig als gut ausfällt. Regelrecht ins Auge sticht jedoch das zweite Manko. Denn mit durchschnittlich knapp 10.000 Kelvin driftet dargestelltes Weiß unübersehbar ins Blaue ab. Zu guter Letzt spielt aber auch Gelb eine Rolle. Denn auch unser Exemplar des One ist punktuell gelbstichig. OnePlus begründet dies mit noch nicht komplett ausgehärtetem Kleber, im Herstellerforum ist aber auch von defekten Displays die Rede.
Ein alter Bekannter ist der SoC. Qualcomms Snapdragon 801 ist in mehreren Oberklasse-Smartphones verbaut, die im OnePlus One zum Einsatz kommende Version 8974-AC steckt beispielsweise auch im Galaxy S5 und Xiaomi Mi 4. Der einzige Unterschied zur ebenfalls gängigen Version 8974-AC, die unter anderem im europäischen One (M8) und Xperia Z2 steckt: Die CPU erreicht maximal 2,45 statt 2,36 GHz. Der Aufbau des Chips selbst ist in beiden Fällen jedoch identisch. Im Mittelpunkt stehen vier Krait-400-Kerne sowie eine Grafikeinheit vom Typ Adreno 330, die 578 MHz erreicht. Gefertigt wird der SoC, dem OnePlus gleich 3 GB Arbeitsspeicher zur Seite stellt, in 28 nm. In Sachen Leistung sollte das One damit zwischen einem Galaxy S5 und Xperia Z2 stehen. Dazu jedoch später mehr.
Aber nicht nur beim SoC glänzt der selbsternannte „Flaggschiff-Killer“ mit Oberklasse-Niveau, auch in Hinblick auf die Schnittstellen hat OnePlus das verbaut, was derzeit aktuell im obersten Preisbereich geboten wird. Dazu gehören natürlich ein LTE-Modem nach Cat 4, was Download-Raten von bis zu 150 Mbit pro Sekunde ermöglicht, sondern auch Dual-Band-WLAN nach ac-Standard sowie Bluetooth 4.0 und NFC. Bei der Nutzung von LTE sollte jedoch beachtet werden, dass das One nur zwei von drei in Deutschland genutzten Frequenzbändern - Band 3 (1.800 MHz) und 7 (2.600 MHz) - unterstützt. Auf Band 20 mit seinen 800 MHz kann hingegen nicht zugegriffen werden, was vor allem Kunden der Deutschen Telekom und von O2 in ländlichen Regionen betreffen dürfte; in Großstädten werden überwiegend die zuerst genannten Frequenzen angeboten.
Soll nicht auf drahtlose, sondern kabelgebundene Verbindungen zurückgegriffen werden, bietet das Gerät den obligatorischen Micro-USB-Port (USB 2.0) sowie eine kombinierte Audio-Buchse. Beim Telefonieren und Übertragen von Daten via Mobilfunk fiel das One nicht negativ auf. Dank dreier Mikrofone werden störende Nebengeräusche effektiv herausgefiltert, eine auf Wunsch hohe Maximallautstärke der Lautsprecher sorgt dafür, dass auch die Anrufpartner gut zu verstehen ist. Mitunter neigte das Gerät jedoch dazu, früher als andere Smartphones von LTE auf HSPA(+) zu wechseln.
Während die technischen Parallelen gegenüber der etablierten Oberklasse nicht zu übersehen sind, geht OnePlus zumindest beim Gehäuse eigene Wege. Angesichts der gleichen Display-Größte bietet sich zunächst ein direkter Vergleich mit LGs G3 an, den das One jedoch verliert. Denn wo der südkoreanische Mitbewerber mit 146,3 x 74,6 x 8,9 auskommt, sind es beim Testgerät in Höhe und Breite jeweils einige Millimeter (152,9 x 75,9 x 8,9 mm) mehr; der Vergleich mit einem Galaxy S5 oder 5-Zoll-Geräten ist überflüssig. Doch nicht nur bei den Maßen liegt OnePlus hinten, mit 162 g fällt der chinesische Vertreter auch schwerer aus.
Wer sich an Dimensionen und Gewicht nicht stört, erhält eines der derzeit am besten verarbeiteten Smartphones. Alle Teile sind millimetergenau aufeinander abgestimmt, ungleiche Spaltmaße oder Grate sind nicht vorhanden. Dabei hat OnePlus nicht auf optische Spielereien verzichtet. Unter anderem fällt das Display mitsamt Einfassung etwas kleiner als das eigentlichen Gehäuse aus, was nicht nur aufgrund des Metallrahmens - das restliche Gehäuse besteht aus Kunststoff - einen hochwertigen Eindruck hinterlässt: Das Gerät wirkt dadurch kleiner als es tatsächlich ist - ein Kniff, den vor allem Sony Ericsson mit dem Xperia Sola geprägt hat. Recht unscheinbar wirken hingegen die beiden am unteren Ende platzierten Lautsprecher. OnePlus hat zwar auf eine Stereo-Lösung verzichtet, die hohe Lautstärke und die überdurchschnittliche Klangqualität machen dies aber wieder wett.
Aber auch einen anderen Punkt hat OnePlus überzeugend gelöst. Denn dass die Rückseite austauschbar ist, ist weder auf den ersten noch auf den zweiten Blick zu erkennen. Zwar wird hierfür Werkzeug und ein wenig Geschick benötigt, im Gegenzug kann das One auf diesem Wege ein Stück weit personalisiert werden, auch wenn die passenden Nachrüstschalen erst in den kommenden Wochen verfügbar sein sollen - unter anderem in Holzoptik - und der Tausch ohne Werkzeug schwierig ist. Bis dahin müssen Interessenten mit den beiden verfügbaren Versionen Silk White und Sandstone Black auskommen.
Letztere Variante bietet auf der Rückseite eine schleifpapier-artige Haptik, die zunächst irritierend, schnell aber angenehm wirkt. Zwar entpuppt sich die Oberfläche schnell als Magnet für Flecken und Staub, das One liegt aufgrund der Rauheit aber sicher in der Hand. Für die Bedienung reicht eine jedoch nicht aus. Zwar sind die beiden Tasten - Standby rechts, Lautstärke links - problemlos einhändig zu erreichen, in alle vier Ecken des Display kommt man jedoch nicht. Einen gewissen Anteil daran hat aber auch die nur durchschnittliche Ausnutzung der Front. Denn die Anzeige nimmt nur 70 Prozent der Vorderseite ein.