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Kann nun vor dem Hintergrund dieser Entwicklung des Konflikts von einer Zäsur durch das richterliche Urteil am Freitag (wir berichteten) gesprochen werden? Vieles spricht dafür, denn nun herrscht Gewissheit darüber, dass die GEMA sich nicht durch weitere Verfahren erhoffen kann, die Tochter des Google-Konzerns für vergangene Rechtsverstöße zur Verantwortung zu ziehen.
Die wegweisende Entscheidung klassifiziert YouTube nicht als „Täterin“ sondern als „Störerin“. Damit haftet die Video-Plattform für Verstöße gegen das Urheberrecht, sobald ihr der Missbrauch angezeigt wird und sie nichts dagegen, zum Beispiel durch Löschung des Videos, unternimmt. Indem die Richter die rechtliche Position YouTubes verortet haben und die Aktivität prinzipiell zulässig nannten, herrscht für YouTube nun einerseits Rechtssicherheit und andererseits kann die GEMA nicht mehr darauf spekulieren, durch Schadensersatzforderungen eine Einigung in dem Konflikt hinauszuzögern.
Das Content-ID-Programm und der Wortfilter
Die Richter sahen es als zumutbar an, dass die Video-Plattform mit einem Algorithmus erneut hochgeladene Videos überprüft und nicht in Deutschland veröffentlicht, sollten deren ID mit der eines gesperrten Titels übereinstimmen – dieses Software-Verfahren wird Content-ID genannt. Damit soll einem erneutem Einstellen von bereits gesperrten Musiktiteln vorgebeugt werden. Darüber hinaus muss Google die Begleittexte und Titel hochgeladener Dateien scannen, um Live-Aufnahmen oder Remixe eines geschützten Songs erkennen zu können – ob der Wortfilter bei chiffrierten Texten funktioniert ist unklar.
In der Vergangenheit stritten die beiden Kontrahenten darüber, wer das Content-ID-Verfahren anwenden müsse. YouTube besaß bereits eine Softwarelösung, um die Dateien zu scannen und zu vergleichen, wollte die Aufgabe aber der GEMA aufbürden. Diese wehrte sich gegen den zusätzlichen Aufwand und vertrat die Ansicht, dass der Inhaltsanbieter diese Tests durchführen müsse. Da über den Vorschlag YouTubes nicht viel bekannt ist, kann über den genauen technischen Vorgang und den Aufwand nur spekuliert werden. Es lässt sich aber immerhin feststellen, dass von der richterlichen Entscheidung beide Parteien profitieren: Die GEMA muss nicht mit dem erhöhten Aufwand rechnen, um Rechteverletzungen anzuzeigen und das Google-Tochterunternehmen ist immerhin nicht verpflichtet, das bereits bestehende Repertoire zu scannen, sondern muss lediglich zukünftig hochgeladenes Material überprüfen. Ein nicht zu unterschätzender Aufwand, wenn man der Darstellung Googles folgt, dass jede Minute 60 Stunden Filmmaterial hochgeladen würden.
Nicht überraschend feierten beide Parteien den Urteilsspruch als Erfolg. Die GEMA-Anwältin Kerstin Becker sah in dem Urteil einen „herausragenden Erfolg“ und der Google-Sprecher Kay Oberbeck bemerkte, dass es ein „wichtige[r] Teilerfolg für YouTube“ sei. Allein für die User bringt das Urteil keine unmittelbare Erlösung, da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Beide Parteien könnten mit dem Verfahren in die nächste Instanz ziehen.