Tja, gestern habe ich mein erstes Bewerbungsgespräch geführt. Sprich zusammen mit HR suche ich weitere Mitarbeiter für das Team.
Erster Bewerber hat technische Informatik studiert, frisch von der Uni. Er hatte im Studium keine für uns relevanten Projekte durchgeführt oder irgendwo gejobbt. Im Lebenslauf stand Geschlecht: diverse. Habe ich nicht weiter beachtet, der Konzern fördert Diversität und mir ist das schlichtweg egal. Typ kommt rein, schulterlange Haare, braungebrannt, blond, Wacken-Bändel, eher Typ Rocker, aber gepflegt. Uralte Turnschuhe, kurze Jeans, noch älteres T-Shirt mit verwaschenen Heavy-Metal Logo drauf. Ok, ich bin altmodisch und hätte zumindest Business Casual angezogen, Aber er wäre ohne Kundenkontakt, was solls.
Ich frage ihn, ob die Anreise in Ordnung war, ob er was zu trinken möchte, was man so sagt, um das Eis zu brechen. Antwort: „Was hat das jetzt mit der Stelle zu tun?“ HR-Dame hebt die Augenbrauen. Ich frage ihn also direkt, ob er etwas über sich erzählen möchte, damit wir ihn kennenlernen können. „Haben Sie meine Unterlagen nicht gelesen?“ … doch, aber ich möchte Sie sehr gerne besser kennenlernen…“Ja, also ich bin der XY aus Z. ich habe technische Informatik an der XXX studiert und suche jetzt einen Job“.
Ich war leider unprofessionell und habe mich zu Sarkasmus hinreißen lassen, was mir direkt einen strafenden Blick von HR bescherte: „Gut, dann haben wir Sie ja nun ausführlich kennen gelernt. Vielen Dank.“
Ich erzähle über unser Unternehmen, die Sparte, in der er arbeiten würde, die möglichen Aufgaben, die Fortbildungsmöglichkeiten, unsere Benefits (sehr lange Liste da internationaler, gut vernetzter Konzern).
„Haben Sie noch Fragen?“
„Ich will 80k!“
HR-Dame übernimmt, weist sehr freundlich auf die Stellenausschreibung hin, dass wir nach Tarif bezahlen, das Einstiegsgehalt bei 4600 Brutto + 2 Monatsgehälter + Bonus liegt.
„Gibt es vegane Gerichte in der Kantine?“
Wir haben ein täglich wechselndes veganes Menü, Salat-Bar, Obst-Bar.
„Nur eines? Ganz schön altmodisch“
Wir nehmen das gerne als Anregung mit.
„Liefert die Kantine nach Hause, wenn ich HO mache?“
Das ist leider nicht möglich.
„Gibt es WC-Räume für Diverse?“
Haben wir leider nicht, da sich über 98% der Belegschaft gegen Unisex Toiletten ausgesprochen hat und wir aus Baurechtlichten Gründen die vorhandenen M/W Toiletten nicht reduzieren dürfen.
„Gibt es Klima mit Pollenfilter?“
Selbstverständlich."
„Wie sieht es aus mit Fitness-Studio?“
Ja, kostenfrei selbstverständlich, gehört 2h/wöchentlich zur Arbeitszeit.
"Wie sieht das aus mit Homeoffice?"
Sie müssen einige Pflichtschulungen vor Ort durchführen, dazu sind wir als KRITIS Unternehmen verpflichtet. Auch das Onboarding ist vor Ort. In den ersten 14 Tagen ist alles erledigt. Danach müssen sie alle 14 Tage für 2 Tage im Office sein. Wir stellen selbstverständlich die Hardware und bieten ihnen ein frei verfügbares Budget von 3000€ um ihren HO-Arbeitsplatz einzurichten.
…er überlegt kurz …
„Ich fühle mich zu wenig willkommen. So als Feedback: sie müssen schon dankbarer sein, wenn jemand wie ich bei ihnen anfängt. Und voll 14 Tage vor Ort, Euer Ernst??
Für 4.6k fange ich sowieso nicht an.
Aber Danke für das Gespräch.“
HR und ich schauen uns verdutzt an, HR bringt ihn noch raus (niemand Fremdes darf ohne Begleitung durch das Gebäude, da KRITIS).
Ich denke ich muss noch sehr viel lernen um solche Gespräche irgendwie zu retten oder zumindest besser zu führen. Darauf war ich komplett nicht vorbereitet.
Das zweite Gespräch lief deutlich besser. Am Montag bekommt der zweite Kandidat die Zusage.