9.1. Training und Erkältung
Darf ich mit einer Erkältung trainieren gehen und welche Risiken birgt mein Training im Hinblick auf eine Erkältung?
Liebe Fitnessfreunde,
wir befinden uns mitten im Herbst und somit in der Hauptsaison für Erkältungen. In dieser Zeit tauchen regelmäßig Fragen rund um das Thema Erkältung und Training auf. Dieser Artikel soll einen kurzen Einblick in das Problem Erkältung und die damit verbundenen sportlichen Beeinträchtigungen geben. Denjenigen die nur eine kurze Zusammenfassung wünschen empfehle ich einfach zum nächsten Paragraphen zu springen.
Bevor wir über das Training reden, müssen wir erstmal klären was eine Erkältung ist. Zu den Symptomen gehören: laufende Nase, verstopfte Nase, regelmäßiges Niesen, Kratzen im Hals vor allem beim Schlucken oder eine raue Stimme. Die Erkältung ist eine Virusinfektion, somit helfen Antibiotika bei der Therapie nicht. Bakterien spielen dann eine Rolle wenn es zu einer so genannten Superinfektion kommt, wo Bakterien die Gunst der Stunde nutzen um sich neben den Viren ebenfalls auszubreiten. Das ist dann aber keine einfach Erkältung mehr. Der Körper wehrt sich gegen die Erkältung durch die Aktivierung des Immunsystems. Somit ist es für uns von Interesse dass unser Immunsystem so stark wie möglich ist. Nieman et al.(1) kamen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass sowohl kurzes und intensives, als auch länger andauerndes und moderates Training, negative Folgen für das Immunsystem haben können. Allerdings kam der gleiche Autor in einer weitere Studie(2) zu dem Ergebnis dass regelmäßiges, moderates Training zu einer Stärkung des Immunsystems führte. In einer 1992 veröffentlichten Review(3) kam Nieman letztendlich zu dem Schluss, dass Menschen die garkeinen Sport betreiben das größte Risiko haben eine Erkältung zu entwickeln, dicht gefolgt von Hochleistungssportlern. Sportler die ein moderates Training verfolgen tragen das geringste Risiko. Ich muss dazu sagen, dass Nieman in seinen Studien Marathonläufer als Hochleistungssportler verwendet hat. Er nannte hierbei Stresshormone wie Adrenalin und Kortisol als Hauptakteure für die Beeinflussung des Immunsystems. Diese werden natürlich auch bei unserem Krafttraining freigesetzt. Fehr et al.(4) sowie andere Autoren(5,6,7) kamen alle zu dem Ergebnis dass tägliches Training über einen längeren Zeitraum ebenfalls das Immunsystem schwächen können. Tomasi(8) kommt zu dem Ergebnis dass der Level an welchem moderates in exzessives Training umschlägt für jeden Menschen anders ist. Genug zum Thema Immunsystem.
Kommen wir zum Thema wie sich der Virus überträgt und wann ich eine Gefahr für andere bin. Der Virus wird über Aerosole (Gemisch aus Luft und Feststoff, zB Tröpfchen) übertragen. Die Übertragung kann direkt (der Infizierte niest Dir ins Gesicht) oder indirekt (Du berührst etwas was davor von dem Aerosol benetzt wurde und reibst es Dir danach ins Gesicht) stattfinden. Folgend ein paar Beispiele aus unserem Fitnessalltag zur Veranschaulichung: Der Infizierte macht Bankdrücken, hat einen Spotter über sich. Dann niest er plötzlich dem Spotter mehr oder weniger ins Gesicht. Das wäre eine direkte Übertragung. Eine indirekte Übertragung wäre zum Beispiel, dass der infizierten Person die Nase läuft, sie zieht ein Taschentuch raus und putzt sich die Nase. Die Hände sind jetzt mit dem Virus versehen. Der infizierte macht jetzt Kniebeugen und überträgt den Virus dabei auf die Langhantel. Der nächste Trainierende kommt und fasst die Langhantel direkt an der gleichen Stelle an. Danach muss er sich nur noch einmal den Schweiß aus dem Gesicht wischen und schon hat der Virus einen Zugang zum nächsten Wirt gefunden. Der direkte Weg birgt ein großes Risiko die Infektion zu übertragen. Der indirekte Weg birgt ein eher geringes Risiko. In zwei Studien folgte man infizierten Personen und untersuchte danach die angefassten Gegenstände auf Virusrückstände. In der ersten Studie(9) fand man Rückstände des Virus auf sechs von 40 Gegenständen. In der zweiten Studie(10) waren es sieben von 114 Gegenständen. Ihr seht, das Risiko ist eher gering aber vorhanden. Interessante Anmerkung hier: D'Alessio et al.(11) führten eine Studie durch in welcher sie kinderlosen Ehepaaren in denen ein Partner eine Erkältung hatte, für eine Woche folgten um zu sehen wie hoch das Risiko ist, dass sich der andere Partner ansteckt. Am Ende infizierten sich 38% der Partner mit dem Virus. Kommen wir zu den Effekten welche eine Erkältung auf unseren Organismus hat. Hier kurz ein paar Worte was passieren kann wenn man trainiert obwohl man es nicht sollte. Generell kann sich eine Erkältung, wenn ignoriert, gut zu einer Bronchitis oder einer Lungenentzündung weiterentwickeln. Es gibt desweiteren Virenstämme (zB. Coxsackie Viren), welche das Risiko einer Herzmuskel oder Herzbeutelentzündung bergen, insbesondere wenn das Immunsystem geschwächt ist (siehe oben durch übermäßigen Sport). Diese Erkrankungen können zu Herzrhytmusstörungen und dem damit verbundenen plötzlichen Herztod führen(12,13). Jokl und McClellan(14) untersuchten den Tod von 78 Sportlern, welche während, oder kurz nach dem Sport an plötzlichen Herztod starben. Es stellte sich heraus dass fünf der Sportler in den vorangegangenen Tagen unter Erkältungen litten. Roberts(12) kommentiert in seiner Review dass es zahlreiche Fallberichte von jungen Athleten gibt, welche während ihrer Erkältung hart trainierten und dabei verstarben. Ich bitte Euch zur Kenntnis zu nehmen dass es sich hierbei um wenige Fälle handelt. Folgert jetzt also nicht daraus, dass jeder der mit einer Erkältung zum Sport geht einen plötzlichen Herztod erleidet. Allerdings gibt es oben gennante Berichte und man sollte entsprechende Schlüsse daraus ziehen.
Jetzt also zu der Frage: Kann ich zum Sport gehen bzw wann und wann nicht. Roberts(12) empfiehlt in seiner Review bei den Anzeichen einer Erkältung zu pausieren und mit dem Sport einige Tage nach dem Ende der Symptome wieder zu beginnen. Sollte der Sportler allerdings Beschwerden wie übermäßige Müdigkeit, schmerzende Muskeln oder stark geschwollene Lymphknoten haben bzw gehabt haben, dann empfiehlt er das Training für einen Monat auszusetzen. Eichner(15) empfiehlt „...very competitive athletes who cannot afford to miss any training days, even when ill...“ einen „neck-check“ durchzuführen. Dabei unterteilt er die Sportler in eine Gruppe die ausschließlich Symptome überhalb des Halses (verstopfte oder laufende Nase, Niesen, leichter trockener Husten, kratzender Hals) und in eine weitere die Symptome unterhalb des Halses (Fieber, schmerzende Muskeln, Husten mit Auswurf, Erbrechen, Durchfall) haben. Die Gruppe „below the neck“ sollte definitiv keinen Sport machen. Die Gruppe „only above the neck“ sollte langsam mit 50% der gewohnten Intensität beginnen. Wenn sich nach einigen Minuten die Atemwege etwas öffnen, kann die Intensität erhöht werden. Sobald sich der Athlet schlechter fühlt sollte er das Training unterbrechen. Fitzgerald(16) sagt diesbezüglich noch dass das Ausmaß der Erkrankung zunehmen kann wenn man in der frühen Phase Sport treibt.
Zusammenfassend kommen wir zum Schluss dass sportliche Aktivität während einer Erkältung nur negative Folgen haben kann. Wir setzen andere Trainierende dem Risiko aus sich ebenfalls anzustecken, wir verlängern den Verlauf der Erkrankung und haben das Risiko dass sich Komplikationen wie Bronchitis, Lungenentzündung, hin bis zum plötzlichen Herztod ausbilden. Die Behandlung einer Erkältung ist rein symptomatisch (heißt wir können die Ursache nicht behandeln, nur die Symptome welche daraus entstehen). Dazu gehören Ruhe, heiße Flüssigkeiten wie Tee und einige Medikamente welche in der Apotheke frei verfügbar sind. Bei Fieber oder Kopfschmerzen kann man Paracetamol nehmen, für Schmerzen beim Schlucken gibt es Lutschpastillen und für verstopfte Nasen Nasensprays. Die Apotheker werden euch da sicher gerne beraten.
Dieser Artikel ersetzt selbstverständlich nicht den Besuch bei Eurem Hausarzt. Ich übernehme keinerlei Haftung für die in diesem Artikel gemachten Empfehlungen.
Fragen könnt ihr natürlich gerne als Kommentar hier stellen. Ansonsten wünsche ich euch frohes Pumpen und bleibt gesund.
Kai
(1) Nieman DC, Johanssen LM, Lee JW, Arabatzis K. Infectious episodes in runners before and after the Los Angeles marathon. J Sports Med Phys Fitness. 1990;30:316-328.
(2) Nieman DC, Johanssen LM, Lee JW. Infectious episodes in runners before and after a road race. J Sports Med Phys Fitness. 1989;29:289-296.
(3) Nieman DC. Exercise, immunity and respiratory infections. Sport Sci Exch. 1992;4:39.
(4) Fehr HG, Lotzerich H, Michna H. The influence of physical exercise on peritoneal macrophage functions: histochemical and phagocytic studies. Int J Sports Med. 1988;9:77-81.
(5) Green RL, Kaplan SS, Rabin BS, Stanistki CL, Zdziarski U. Immune function in marathon runners. Ann Allergy. 1981;47:73-75.
(6) Lewicki R, Tchorzewski H, Denys A, Kowalska M, Golinska A. Effect of physical exercise on some parameters of immunity in conditioned sportsmen. Int J Sports Med. 1987;8:309-314.
(7) Petrova IV, Kuzmin SN, Kurshakova TS, Susdalnitskiti RS, Pershin BB. Neutrophil phagocytic activity and the humoral factors of general and local immunity under intensive physical loading. Zh Mikrobiol Epidemiol Immunobiol. 1983;12:53-57.
(8) Tomasi TB, Trudeau FB, Czerwinski D, Erredge S. Immune parameters in athletes before and after strenuous exercise. J Clin Immunol. 1982;2: 173-178.
(9) Reed S. An investigation of the possible transmission of rhinovirus colds through indirect contact. J Hyg. 1975;75:249-258.
(10) Gwaltney J Jr, Moskalski P, Hendley J. Hand-to-hand transmission of rhinovirus colds. Ann Intern Med. 1978;88:463-467.
(11) D'Alessio DJ, Peterson JA, Dick CR, Dick EC. Transmission of experimental rhinovirus colds in volunteer married couples. J Infect Dis. 1976;133:28-36.
(12) Roberts JA. Viral illnesses and sports performance. Sports Med. 1986;3:296-303.
(13) Smith WG. Adult heart disease due to Coxsackie virus group B. Br Heart J. 1966;28:204-208.
(14) Jokl E, McClellan JT. Exercise and Cardiac Death. Baltimore, MD: University Park Press; 1971:1489-1491.
(15) Eichner ER. Neck check. Runner's World. 1992;27:16.
(16) Fitzgerald L. Overtraining increases the susceptibility to infection. Int J Sports Med. 1991;12:S5-S8.