Selbst wenn er ein sehr erfahrener Politiker ist (ich kenne ihn ja nicht), das liegt im Gegensatz zu Ypsilanti nicht alleine in seiner Hand. Bei Ypsilanti war es ja ganz klar, dass es ihr Fehler war denn
1. Sie hat vor der Wahl gesagt, sie lässt sich nicht durch die Linke wählen und hat es hinterher aber trotzdem gemacht. Hätte sie von vorneherein gesagt , dass sie sich auch von den Linken wählen lassen würde, hätte man ihr keinen Wortbruch vorwerfen können (wobei ich das persönlich eher als Wortbruch empfunden hätte, wenn sie es nicht probiert hätte, in meinen Augen sind solche Aussagen im Vorfeld generell zu vermeiden, da es ja eigentlich auf die Inhalte ankommt (sollte..) und nicht darum, wer dafür die Hand hebt, aber das ist ja hier nun nicht Diskussionsthema)
2. Sie hat ihrem parteiinternen Kokurrenten Jürgen Walther (der ja vorher in parteiinterner Abstimmung gegen sie verloren hat und für einen zu Ypsilanti ziemlich konträren politischen SPD-Kurs steht) keinen Ministerposten angeboten, so dass er und seine politische Strömung innerhalb der Partei unter Ypsilanti als MP nicht an der Macht teilgehabt hätte, so dass er und seine Mitstreiterinnen sich nun berfuen fühlten, ihr Gewissen zu entdecken. Hätte sie ihm stattdessen einen Posten angeboten, wäre sie heute an der Macht. Evtl. hätte sie ihn ja später nach ein-zwei Jahren wieder entlassen können.
Hier ist Ypsilanti definitiv selbst Schuld gewesen am Desaster.
Kretschmann selbst mag vielleicht in seiner Partei keine Querschläger drin haben, aber in der SPD könnte ich mir z. B. gut vorstellen, dass es Leute gibt, die lieber eine große Koalition gehabt hätten und auf die hätte er dann nur begrenzten Einfluss. Noch nicht mal das muss der Fall sein, es reicht ja schließlich schon aus, wenn nur ein einziger Abgeordneter (egal ob jetzt Grüne oder SPD) irgend eine Sache ehrlich inhaltlich anders sieht (garnicht mal weger parteipolitischer interner Querelen) und entsprechend votiert, schon ist die Merhheit weg. Das sind alles Dinge (anders als bei Ypsilanti), die er als Einzelperson nicht in außreichendem Umfang beeinflussen kann und deswegen bin ich der Ansicht, dass die Aussage, dass ihm das nicht passieren könne, weil er ja so viel erfahrener ist als Ypsilanti so nicht richtig ist. Der Unterschied zu Ypsilanti wird (wenn es dann tastsächlich dazu kommt, wovon ich ausgehe - früher oder später) lediglich sein, dass er nicht an seinen eigenen persönlichen Fehlern scheitern wird.
Kretschmann wird meiner Vorraussicht nach mit den Problemen zu kämpfen haben, mit denen Ypsilanti zu kämpfen gehabt hätte, wenn sie MP geworden wäre. Denn die hätte ja spätestens in inhaltlichen Fragen wieder das Problem gehabt mit Walter und dem Rest aus den südlichen (eher konservativen) SPD-Wahlkreisen und wäre so vermutlich in die Position gekommen, dass sie ihr Programm nicht oder nur sehr aufgeweicht hätte umsetzen können. Darum wollte sie ihn auch aus dem Kabinett eigentlich raushalten, was bei einer sich in Umfragen anbahnenden satten Mehrheit ja auch ne gute Idee gewesen wäre, aber nicht in Anbetracht eines sehr knappen Wahlergebnisses, wo es im eigenen Lager bei der MP-Wahl auf jede Stimme ankommt.
Edit: OK, am Ende hat es dann doch noch für vier Sitze Mehrheit gereicht. Das ist schon deutlich komfortabler als nur ein Sitz. Aufpassen müssen wird man zwar totzdem, aber die Verhältnisse sind nun doch deutlich klarer, als wie es sich früher am Abend abgezeichnet hat.