Morpheus2200
Semiprofi
- Mitglied seit
- 04.08.2001
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@Ronin24:
Aber ist das mit der eindeutigen Identifizierbarkeit der Taliban in MoH nicht genau der Punkt, den ich kritisiere?
-In der Realität sind die Terroristen und Paramilitärs in Afghanistan nicht ohne Weiteres von der Zivilbevölkerung zu unterscheiden, die optischen und gesinnungsmäßigen Grenzen verwischen - man kann den Widerstand der Taliban-Kämpfer ja befürworten, ohne selbst einer zu sein.
-Im Spiel sind alle, die so und so aussehen, ganz klar die bösen Taliban. Wahrscheinlich ist das einzige, was die Männer im Spiel als solche klar auszeichnet eine Waffe in der Hand. Aber eine Waffe allein macht ja keinen Terroristen oder Kämpfer, sonst wäre jeder, der in den USA aus einem Waffengeschäft kommt, auch ein Terrorist oder Guerilla-Krieger. Man kann mit einer Waffe auch sein Haus, seine Familie und sein Feld verteidigen, gerade in einem armen Land, in dem es von Warlords und Drogenbaronen nur so wimmelt.
-Wenn nun alle, die so und so aussehen, im Spiel ganz klar die Terroristen sind, dann besteht die ganz große Gefahr, dass viele unreflektierte Spieler diese Merkmale auch auf die Realität anwenden und tatsächlich glauben könnten: Wer so und so aussieht, ist ein Taliban und damit Terrorist und Kämpfer gegen die Freiheit und Demokratie.
Diese Gefahr ist doch umso evidenter, als das Spiel versucht, möglichst lebensecht und realistisch zu sein. Es wird so weit gegangen, die Taliban Taliban zu nennen (zumindest ursprünglich, um Aufmerksamkeit zu erheischen). Junge Menschen und uninformierte PC-Spieler können doch leicht den Eindruck gewinnen, dass die Verhältnisse auf der Welt eben so einfach sind, wie das Spiel dies suggeriert.
Ich würde keineswegs so weit gehen, zu sagen, dass deshalb bald ein riesen Krieg der Kontinente ausbricht, aber ich bin ziemlich sicher, dass mit solch einem Spiel mit solch einer inhaltlich-thematischen Ausrichtung an noch aktuellem Zeitgeschehen und mit solch einer Vermarktungskampanie die Gräben zwischen den Kulturen noch weiter vertieft werden und das finde ich nicht wünschenswert.
Was die Frage angeht, ob es einen Unterschied macht, wenn man einmal ein Spiel über vergangene Kriege und einmal über aktuelle Ereignisse entwickelt, so würde ich diese mit ja beantworten.
Du hast ja selbst den Hinweis eines anderen Users abgelehnt, dass die Kirche, die unsere heutige friedliche, zivilisierte abendländische Kultur am meisten geprägt hat, im Laufe ihrer Geschichte so viele Menschen ermordet oder ins Unglück gestürzt hat, wie keine andere Religion oder Institution in der Geschichte der Menschheit: die christliche Kirche im Namen der christlichen Religion.
Und ich stimme dir zu, dass man dies nicht mehr als Argument dem Unrecht, das im Namen anderer Religionen begangen wird, gegenüberstellen kann.
Aber dann muss man auch so konsequent sein und anerkennen, dass die Thematisierung des Zweiten Weltkriegs oder sogar jene des Kalten Kriegs eine andere Qualität hat, als die Thematisierung des Afghanistan-Kriegs gegen den Terrorismus.
Schon allein deshalb, weil seit dem Zweiten Weltkrieg genügend Zeit vergangen ist und eine historisch-wissenschaftliche Aufarbeitung stattgefunden hat, die einerseits belegt, dass dieser Krieg und seine Folgen im Großen und Ganzen als abgeschlossen zu betrachten sind - während der Ausgang des Kampfes der "Guten" gegen die "Bösen" in Afghanistan völlig ungewiss ist. Vielleicht hinterlassen die USA und ihre Verbündeten das Land in einer Verfassung, die es in eine weit größere Hoffnungslosigkeit und damit Terrorbereitschaft stürzt, als es jemals zuvor der Fall war.
Zum anderen sind bis heute genügend Fakten von unterschiedlichster Seite zusammengetragen und ausgewertet worden, um recht genau sagen zu können, was genau im Dritten Reich stattgefunden hat. Wer wann welche Beschlüsse mit welcher Absicht gefasst hat, wer diese Beschlüsse vollstreckt hat usw.
Diese Gesamtschau der Fakten und die damit verbundene allgemeine Bewertung der Verhältnismäßigkeits- oder Schuldfragen liegt doch aktuell bezüglich Afghanistan noch gar nicht vor.
Wer weiß, ob in 50 Jahren die Anschläge von Terroristen, die in Afghanistan ausgebildet wurden, nicht mehr als Hilferuf oder erste bedeutsame Auflehnung einer geknechteten 3. Welt interpretiert werden, denn als sinnlos-boshafter Akt der Barbarei.
Ich möchte nicht für diese Interpretation eintreten, aber ich weigere mich ebenso, einfach blind die Interpretation zu übernehmen, die die USA und ein großer Teil der westlichen Medien uns bezüglich der "Bush-Kriege" anbieten. Im Falle Irak hat er bewusst gelogen und allen Ernstes auf dieser Basis einen Krieg begonnen, für den hunderte Soldaten und Zivilisten pro Jahr noch immer ihr Leben lassen müssen.
Im Falle Afghanistan hat man uns erzählt, man wolle die Verantwortlichen der Anschläge vom 11. September zur Rechenschaft ziehen. Und jetzt, nach 9 Jahren Krieg, kann man uns immer noch keinen Osama Bin Laden präsentieren. Und es fühlt sich an, als würden die Taliban nicht weniger, sondern Jahr für Jahr mehr - was im übrigen auch gut möglich ist. Wie gesagt, Demokratie und Frieden durch Panzer und Bomben hat es erst einmal gegeben - und da waren sich wenigstens alle einig, wer der Böse ist und dass es nicht anders geht.
Auch der Vietnam-Krieg wurde ewig verklärt und es hat grausame, unverhältnismäßige, unsinnige und barbarische Taten gegeben - auch von US-Soldaten, die entsprechenden Bilder gingen um die Welt.
Also alles in allem finde ich es nicht gut und nicht richtig, den Afghanistan-Krieg bereits jetzt in einem Action-Spiel zu verwursten. Das finde ich pietätlos und zu sehr in Schwarz und Weiß gedacht. Wenn man die Bösen aber im Spiel nicht mal mehr zurückschießen lassen möchte und deshalb nun einfach statt Taliban ganz neutral "Opposing Forces" nennt, als seien die vorher angekündigten Terroristen nun das gegnerische Volleyball-Team, impliziert das noch mehr Schwarz-Weiß-/Gut-Böse-/Richtig-Falsch-Denken (auf Kinder-Niveau: nur die Guten dürfen töten!) und gefällt mir daher noch weniger.
Aber ist das mit der eindeutigen Identifizierbarkeit der Taliban in MoH nicht genau der Punkt, den ich kritisiere?
-In der Realität sind die Terroristen und Paramilitärs in Afghanistan nicht ohne Weiteres von der Zivilbevölkerung zu unterscheiden, die optischen und gesinnungsmäßigen Grenzen verwischen - man kann den Widerstand der Taliban-Kämpfer ja befürworten, ohne selbst einer zu sein.
-Im Spiel sind alle, die so und so aussehen, ganz klar die bösen Taliban. Wahrscheinlich ist das einzige, was die Männer im Spiel als solche klar auszeichnet eine Waffe in der Hand. Aber eine Waffe allein macht ja keinen Terroristen oder Kämpfer, sonst wäre jeder, der in den USA aus einem Waffengeschäft kommt, auch ein Terrorist oder Guerilla-Krieger. Man kann mit einer Waffe auch sein Haus, seine Familie und sein Feld verteidigen, gerade in einem armen Land, in dem es von Warlords und Drogenbaronen nur so wimmelt.
-Wenn nun alle, die so und so aussehen, im Spiel ganz klar die Terroristen sind, dann besteht die ganz große Gefahr, dass viele unreflektierte Spieler diese Merkmale auch auf die Realität anwenden und tatsächlich glauben könnten: Wer so und so aussieht, ist ein Taliban und damit Terrorist und Kämpfer gegen die Freiheit und Demokratie.
Diese Gefahr ist doch umso evidenter, als das Spiel versucht, möglichst lebensecht und realistisch zu sein. Es wird so weit gegangen, die Taliban Taliban zu nennen (zumindest ursprünglich, um Aufmerksamkeit zu erheischen). Junge Menschen und uninformierte PC-Spieler können doch leicht den Eindruck gewinnen, dass die Verhältnisse auf der Welt eben so einfach sind, wie das Spiel dies suggeriert.
Ich würde keineswegs so weit gehen, zu sagen, dass deshalb bald ein riesen Krieg der Kontinente ausbricht, aber ich bin ziemlich sicher, dass mit solch einem Spiel mit solch einer inhaltlich-thematischen Ausrichtung an noch aktuellem Zeitgeschehen und mit solch einer Vermarktungskampanie die Gräben zwischen den Kulturen noch weiter vertieft werden und das finde ich nicht wünschenswert.
Was die Frage angeht, ob es einen Unterschied macht, wenn man einmal ein Spiel über vergangene Kriege und einmal über aktuelle Ereignisse entwickelt, so würde ich diese mit ja beantworten.
Du hast ja selbst den Hinweis eines anderen Users abgelehnt, dass die Kirche, die unsere heutige friedliche, zivilisierte abendländische Kultur am meisten geprägt hat, im Laufe ihrer Geschichte so viele Menschen ermordet oder ins Unglück gestürzt hat, wie keine andere Religion oder Institution in der Geschichte der Menschheit: die christliche Kirche im Namen der christlichen Religion.
Und ich stimme dir zu, dass man dies nicht mehr als Argument dem Unrecht, das im Namen anderer Religionen begangen wird, gegenüberstellen kann.
Aber dann muss man auch so konsequent sein und anerkennen, dass die Thematisierung des Zweiten Weltkriegs oder sogar jene des Kalten Kriegs eine andere Qualität hat, als die Thematisierung des Afghanistan-Kriegs gegen den Terrorismus.
Schon allein deshalb, weil seit dem Zweiten Weltkrieg genügend Zeit vergangen ist und eine historisch-wissenschaftliche Aufarbeitung stattgefunden hat, die einerseits belegt, dass dieser Krieg und seine Folgen im Großen und Ganzen als abgeschlossen zu betrachten sind - während der Ausgang des Kampfes der "Guten" gegen die "Bösen" in Afghanistan völlig ungewiss ist. Vielleicht hinterlassen die USA und ihre Verbündeten das Land in einer Verfassung, die es in eine weit größere Hoffnungslosigkeit und damit Terrorbereitschaft stürzt, als es jemals zuvor der Fall war.
Zum anderen sind bis heute genügend Fakten von unterschiedlichster Seite zusammengetragen und ausgewertet worden, um recht genau sagen zu können, was genau im Dritten Reich stattgefunden hat. Wer wann welche Beschlüsse mit welcher Absicht gefasst hat, wer diese Beschlüsse vollstreckt hat usw.
Diese Gesamtschau der Fakten und die damit verbundene allgemeine Bewertung der Verhältnismäßigkeits- oder Schuldfragen liegt doch aktuell bezüglich Afghanistan noch gar nicht vor.
Wer weiß, ob in 50 Jahren die Anschläge von Terroristen, die in Afghanistan ausgebildet wurden, nicht mehr als Hilferuf oder erste bedeutsame Auflehnung einer geknechteten 3. Welt interpretiert werden, denn als sinnlos-boshafter Akt der Barbarei.
Ich möchte nicht für diese Interpretation eintreten, aber ich weigere mich ebenso, einfach blind die Interpretation zu übernehmen, die die USA und ein großer Teil der westlichen Medien uns bezüglich der "Bush-Kriege" anbieten. Im Falle Irak hat er bewusst gelogen und allen Ernstes auf dieser Basis einen Krieg begonnen, für den hunderte Soldaten und Zivilisten pro Jahr noch immer ihr Leben lassen müssen.
Im Falle Afghanistan hat man uns erzählt, man wolle die Verantwortlichen der Anschläge vom 11. September zur Rechenschaft ziehen. Und jetzt, nach 9 Jahren Krieg, kann man uns immer noch keinen Osama Bin Laden präsentieren. Und es fühlt sich an, als würden die Taliban nicht weniger, sondern Jahr für Jahr mehr - was im übrigen auch gut möglich ist. Wie gesagt, Demokratie und Frieden durch Panzer und Bomben hat es erst einmal gegeben - und da waren sich wenigstens alle einig, wer der Böse ist und dass es nicht anders geht.
Auch der Vietnam-Krieg wurde ewig verklärt und es hat grausame, unverhältnismäßige, unsinnige und barbarische Taten gegeben - auch von US-Soldaten, die entsprechenden Bilder gingen um die Welt.
Also alles in allem finde ich es nicht gut und nicht richtig, den Afghanistan-Krieg bereits jetzt in einem Action-Spiel zu verwursten. Das finde ich pietätlos und zu sehr in Schwarz und Weiß gedacht. Wenn man die Bösen aber im Spiel nicht mal mehr zurückschießen lassen möchte und deshalb nun einfach statt Taliban ganz neutral "Opposing Forces" nennt, als seien die vorher angekündigten Terroristen nun das gegnerische Volleyball-Team, impliziert das noch mehr Schwarz-Weiß-/Gut-Böse-/Richtig-Falsch-Denken (auf Kinder-Niveau: nur die Guten dürfen töten!) und gefällt mir daher noch weniger.
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