Für alle Interessierten an einer für mich unüblichen Liebesgeschichte habe ich nun folgendes parat:
Ich kannte sie bis dato eigentlich nur aus einigen wenigen Kursen und selbst Smalltalk wäre zwischen uns zu viel verlangt gewesen. Mir waren einige Geschichten herangetragen worden, die mir prinzipiell nicht gefielen. Einige Freunde hatten mir berichtet, dass sie, vermutlich aus Naivität, die armen Jungs nur ausnutzt, bis die aus Selbstschutz einen Schlussstrich zogen. Wie? Sie unternahm viel mit ihnen, wochenlang, teils über Monate hinweg. Ein wenig kuscheln unter Freunden, aber nie etwas Ernstes. Die armen Knöpfe, so meine damalige Ansicht, konnten bei ihrem benehmen dennoch nur schwerlich verstehen, dass sie nichts von ihnen wollte. Gute Freunde zum Auskotzen und Anlehnen eben. Ein Mülleimer für Probleme aller Art. Ebenso passte sie in das Schema „Junges Mädel sucht Freund mit Auto, Geld und Erfahrung“. Um es noch mal festzuhalten: zu dem Zeitpunkt war sie für mich wie jede Andere. Sie sah gut aus, hatte gute Manieren und war beileibe nicht auf den Kopf gefallen. Mein Freundeskreis überschnitt sich nicht mit ihrem und daher kann ich nicht mal sagen, ob ich mit ihr in den 2 Schuljahren zuvor jemals Kontakt hatte. All das im Nachhinein zu schreiben fällt mir schon etwas schwer, denn wie ich feststellen durfte, kann eine solche Einschätzung auch mal kräftig in die Hose gehen, auch mir als potentiellen Menschenkenner.
Ich für meinen Teil hatte eigentlich nie eine feste Freundin. Die Gründe sind vielfältig, aber im Prinzip lässt es sich darauf beschränken, dass ich das, was ich bekommen wollte, auch so bekam. Der Freundeskreis meiner 4 Jahre älteren Schwester ermöglichte mir Frauenkontakte, die ich durchaus zu nutzen wusste. Ich kann nicht behaupten, sonderlich charmant oder gutaussehend zu sein, jedoch habe ich die „Ader“, mich, wenn ich es darauf anlege, sehr beliebt zu machen und mich als etwas Besonderes zu präsentieren. Nicht sonderlich rühmlich, aber mit etwas Alkohol auf beiden Seiten waren auch die letzten Bedenken weggespült. Im Rückblick habe ich einiges verschenkt, meine Jungfräulichkeit beispielsweise, die grundlos ohne jegliche Gefühle ad acta gelegt wurde. Natürlich war es reizvoll, von einer Dame zu lernen, die selbst schon erfahren war und durchaus einige Kniffe an mich weitergeben konnte – selbst das Erste Mal dauerte ohne Anlaufprobleme mehr als eine Stunde. Dennoch wäre es mir sehr viel lieber, wenn ich die Erfahrung mit meiner ersten wahren Liebe gemacht hätte.
Aber wo war ich, richtig, die Liebesgeschichte. Anlässlich der Abschlussfahrt Ende August letzten Jahres trug sich nun folgendes zu: ein damaliger Freund, teilte sich mit mir ein Zimmer. Er war die meiste Zeit mies drauf. Ich war durch Schmerzmittel auch relativ lahm gelegt und dementsprechend nicht, wie sonst, ein eher geselliger Mensch. Da eine Bekanntschaft aus meinem Kunstkurs im gleichen Aufgang ihr Zimmer hatte und die beiden bis dato relativ gut befreundet waren, war sie oft bei uns. Im Endeffekt habe ich mich sehr gut mit ihr verstanden und viel mit ihr geredet, obwohl wir zu dem Zeitpunkt nicht wirklich viel gemein hatten. Mir gefiel ihre Anwesenheit und da sie sich mit den Mädels ihres Zimmers zu dem Zeitpunkt nicht sonderlich verstand, fragte ich recht zielstrebig, ob sie es sich nicht bei uns gemütlich machen wollte. Sie zögerte einen oder zwei Tage, kam aber letztlich zu dem Entschluss, es zu versuchen.
Der Grund für sein Befinden wurde mir im letzten Drittel unseres dortigen Aufenthalts mitgeteilt: er hatte sich in sie verguckt. Als aufmerksamer Beobachter dachte ich es mir schon und mir war klar, dass sie nicht dasselbe für ihn empfand. Männer sind Holzköpfe und deshalb sagte er es ihr am selben Abend.
Die Reaktion war, dass es keine wirkliche Reaktion gab. Sie hatte solche Situationen inzwischen satt, verständlicherweise, denn selbst als kurzfristige Bekanntschaft hatte ich schon erfahren, dass ihr so was mehrmals widerfahren ist. Nichts für ungut, sie und ich haben in seiner Abwesenheit darüber gesprochen und uns weiterhin gut verstanden. Die Fahrt fand so ein jähes Ende und ich hatte nicht einmal ihre Telefonnummer. Da ich die angenehme Bekanntschaft nicht im Sande verlaufen lassen wollte und seine Nummer hatte, regte ich ein Wiedersehen an, besorgte mir ihre Handynummer und wir schrieben uns fortan einige Kurzmitteilungen. Zunächst hatten wir ihn mit eingebunden, aber da sie mit mir deutlich besser zu Recht kam, wurde er bald „ausgemustert“. Wortlos, denn das wäre zu hart gewesen, aber sein Misstrauen wuchs natürlich. Ich kann es im Grunde nicht oft genug betonen, aber zu dem Zeitpunkt und auch sehr viel später, achtete ich sie als gute Freundin, gute Zuhörerin, vor allem aber als interessanten und wundervollen Menschen – nicht mehr und nicht weniger.
Wenn sie nicht konnte, unternahm ich ausnahmsweise mal etwas mit ihm. So erfuhr ich, dass er die Situation, logischerweise, befremdlich empfand. Sie und ich hatten uns in wenigen Wochen mehr Nachrichten geschrieben als die beiden zu Zeiten der „aktiven“ Freundschaft, die immerhin über ein Jahr andauerte. Obwohl, eigentlich ist der Begriff Freundschaft zwischen den Beiden auch einfach nicht gerechtfertigt. Da ich beides gerne praktiziere, kaltherziger Kerl und guter Zuhörer, und ich im Vergleich zu ihm nicht so „weichgespült“ war, wunderte es mich weitaus weniger als ihn, dass sie lieber Zeit mit mir verbrachte, aber das behielt ich lieber für mich. Wie sollte ich auch erklären, dass ich als Mädchen lieber Zeit mit mir verbringen würde, als mit ihm, ohne ihn zu verletzen und nicht eingebildet zu wirken. Wer will den schon die gesamte Zeit ein Schoßhündchen bei sich haben? Ganz ehrlich, in manchen Dingen bin ich gerne arrogant und so sahen bzw. sehen mich viele ehemalige Klassenkameraden. Zuweilen nutze ich es als eine Art Selbstschutz. Ein Grund, weshalb ich abgesehen von ihr, nur in Berlin freundschaftliche Kontakte pflegte. Es bestand auch absolut kein Handlungsbedarf meinerseits, denn letztlich war ich sehr zufrieden.
Ich sah sie nun mehrmals die Woche. Wir redeten eine Menge über ihre Probleme, aber auch Querbeet und ich für meinen Teil sehr direkt und ehrlich. Das ist für mich schon eher ungewöhnlich, weil ich stets abzuwägen versuche, ob das gesagte einen negativen Einfluss haben könnte oder einfach nur, um keinerlei Angriffsfläche zu bieten. Eine (inzwischen) gute Freundin, die angezogen in meinem Bett einschläft, war auch kein Problem für mich. Die Treffen nahmen nach einigen Wochen der, für mich sehr angenehmen, Stagnation noch weiter zu. Wir schliefen in voller Montur auf meinem Bett ein und spät in der Nacht, manchmal auch am Morgen, verabschiedete sie sich mit einer später mehr als herzlichen Umarmung, um anschließend den Heimweg anzutreten. Alles halb so wild, meine damalige Meinung. Selbst der Versuch sich gegenseitig zu kitzeln, oder doch eher zärtliche Streicheleinheiten, über mehrere Stunden hinweg, bei angenehmer Musik und stimmungsvollen Farbspielen einer Lichterkette, verursachten bei mir keine Gewissensbisse. Dabei blickten wir uns hier schon verdammt tief in die Augen, als dass es für Außenstehende nicht absolut klar gewesen wäre.
Die nächtlichen Verabschiedungen waren für mich nicht einmal sonderlich schlimm, aber es war zum Einen anstrengend, zu solch später Stunde zu erwachen und wieder den Weg ins Bett zu finden, und zum Anderen genoss ich ihre Gegenwart sehr. Ein schier unbeschreibliches Gefühl loderte in meinem Körper, wenn sie ihren Kopf auf meine Brust legte, oder mir anderweitig zeigte, dass sie sich bei mir wohl fühlte. Daher war es für mich nur eine Frage der Zeit, dass sie auch einfach mal bei mir übernachten könne, was ich ihr auch vermittelte. Sie sah das ähnlich, weshalb wir nun als Freunde auch mal ein Bett teilten. Mal übernachtete ich bei ihr, mal sie bei mir. Zunächst mit ein wenig Distanz. Kleinere Nickligkeiten gab es auch, aber – für mich – nichts Besorgniserregendes. Ein Grund mehr, ihre Hand sanft mit meiner zu fixieren. Das ging dann schon in Richtung Händchenhalten, zugegeben. Der Körperkontakt wurde mit der Zeit und den passenden Horrorstreifen, die wir beide durchaus gern sehen, auch aufgebaut. Beispielsweise um ihr die Augen zuzuhalten, damit sie keine Alpträume bekam.
Ihr Geburtstag rückte Anfang Dezember immer näher und ein Geschenk war rasch gefunden. Seit einigen Jahren benutze ich Hugo Boss Parfüm, das sie, laut ihren Erzählungen, auch an ihrem zukünftigen Partner begrüßen würde.
Ein kleiner Einwurf hierbei: unsere Vorstellungen und Prinzipien schlossen einander aus. Ich hatte seit jeher nur Kontakt zu weiblichen Wesen, die 1-3 Jahre älter waren als ich. Wenn ich meine Eindrücke mal pauschalisieren darf, ist das eher selten, weil sich junge Männer doch meist jüngere Mädels suchen. Als Frau ist es eher chic, einen etwas älteren, reiferen Typen als Partner zu haben. Der (geistige) Reifegrad ist ein großer Entscheidungsfaktor, denn wenn ich gleichaltrige betrachte, dann wird mir schon klar, weshalb ich stets den Kontakt mit älteren Freunden und Freundinnen schätzte. Beide konnten wir es uns nicht vorstellen, jemals einen Schulkameraden (13. Klasse) oder guten Freund/in als Lebensgefährten zu wählen und das teilten wir uns absolut unverblümt mit. Schließlich kann man guten Freunden doch erzählen, was einem im Kopf rumgeistert.
Nun weiter zum Geburtstag. Sie fragte einmal, ob es Hugo Boss auch für Frauen gebe. Ich wusste es und besorgte ihr so etwas über einige Ecken, denn billig ist das wirklich nicht und mir ging es eher um die Idee, als viel Geld auszugeben. Jetzt könnte man meinen, dass ich geizig bin, nur ist das nicht mein Beweggrund gewesen. Ein großer Aufwand, wenn auch finanzieller Natur, könnte implizieren, dass ich es nicht nur als Ausdruck ihrer Wertschätzung verstehe, sondern ebenso als eine Art des Werbens. Aus ihren Erzählungen wusste ich, dass ihr einige Verehrer Geschenke machten, und das nicht unbedingt preiswert und ohne Hintergedanken.
Nun, das Paket kam viel zu spät und eigentlich bin ich auch froh, dass es so geschehen ist. Einen Tag vorher musste ich also einen Ausweichplan finden. Zu meinem Verwundern fiel mir das nicht sonderlich schwer, obwohl ich sonst ein miserabler Geschenkemacher bin. Passend war es auch für Freunde, also warum nicht. Was ich ihr nun schenkte? Eine Karte, mit Hand geschrieben - trotz aller Liebe zum 21. Jahrhundert – einen sorgsam verfassten Text, und einer Nummer, die ihre Handykarte bereicherte. Klingt jetzt sicherlich reichlich langweilig, aber der Text hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Ich wollte, dass wir uns weiterhin derart viel Schrieben, wenn wir uns schon nicht immer sehen konnten. Sie fiel mir an dem Abend mehrmals um den Hals. Dabei sind wir sonst eher schüchtern und brauchten immer etwas Zeit zum Auftauen, aber der Alkohol hat das wohl erleichtert. Länger als üblich standen wir also da und pressten unsere Körper eng aneinander, mehrmals. Natürlich war ich mehr als glücklich, als sie einem gemeinsamen Besuch des Weihnachtsmarktes zustimmte. Selten habe ich es erlebt, dass ich mich in der Gegenwart eines Menschen derart wohl fühlte.
Der Besuch beim Weihnachtsmarkt war leider äußerst mühselig, weil der Wind stark und der Regen noch stärker war. Ein Gutes hatte das aber, denn unter einem Schirm muss man zwangsläufig eng zusammenrücken, um nicht nass zu werden. Arm in Arm an all den Pärchen und Familien vorbei, keine weiteren Freunde oder andere Störenfriede dabei. Im Prinzip himmlisch, aber wer jetzt das Ende erwartet, küssend unter einem Mistelzweig, den muss ich leider enttäuschen. Irgendwann fuhren wir zurück zu mir und schauten noch einen Film, kuschelten etwas und schliefen auch in der Nacht mal wieder zusammen ein.
Die Tage verstrichen und selbst zu Weihnachten, dem Fest der Liebe wohlgemerkt, verbrachten wir den späten Abend und die Nacht zusammen. Völlig ohne Hintergedanken, einfach nur als Freunde. Das Paket mit dem Parfüm war ebenfalls eingetroffen und es eignete sich perfekt als Weihnachtsgeschenk. Sie hatte auch an mich gedacht und wir tauschten mit einigem Sicherheitsabstand die Geschenke aus, Schenken und etwas geschenkt bekommen war für uns irgendwie nicht gerade leicht. Ihre Freude war groß, sie umarmte mich innig, später schliefen wir wie zwei Murmeltiere, wie von Anfang an unter einer Decke und mit nur einem Kissen, kuschelnd in ihrem Bett ein. Die perfekte Freundschaft, dass war mein damaliges Fazit. Sie hatte selbstverständlich auch an mich gedacht, was mich unheimlich rührte, weil ich sonst nur Geschenke von meiner Familie oder Freundinnen, die sich stärker als normal für mich interessierten, gewohnt war. Leider verlief Silvester nicht ähnlich, weil sie bereits Pläne mit ihren Freundinnen hatte.
Der Januar war dann für uns beide nicht sehr leicht. Eine damals ebenfalls gute Freundin gestand mir ihre Gefühle und versuchte mich zu binden. Ich für meinen Teil war absolut begriffsstutzig. Wahrhaftig hatte ich mir seit langem keine Gedanken mehr über eine „richtige“ Freundin gemacht, mich nicht mehr umgesehen, weil das Verlangen danach, das etwas nach der Volljährigkeit dann doch einsetzte, verschwunden war. Im Nachhinein tut es mir sehr leid, ihr nicht gleich gesagt zu haben, dass es kein „uns“ geben würde. Eine Woche strich ins Land, in der ich jede Menge unternahm, eine kleine Frischzellenkur für mein Nervenkostüm und die Mauer, die ich seit Ewigkeiten um mein Herz trug. Die Person, mit der ich zuletzt jeden freien Moment verbracht hatte, rückte für die kurze Zeit in den Hintergrund. Und es war sehr schmerzhaft. Jedoch war es wirklich nur die eine Woche und wir konnten schon bald weitermachen wie zuvor. Ein Autounfall ihrerseits brachte mich abermals in die Situation, sie trösten zu wollen, all ihre Beschwerden von ihr zu nehmen und ihr ein Gefühl von Geborgenheit zu geben. Obwohl ich nur in 2 zusammenliegenden Freistunden bei ihr war, so gelang es mir dennoch, ihr Halt zu geben. Trotz aller Tränen, die sie ihrem nun verbeulten Schatz nachgeweint hatte, nickte sie für den kurzen Augenblick, mit dem Kopf auf meiner Brust liegend, ein.
Das abermals bezieht sich hierbei auf die vielen Momente, in denen sie mir davon berichtete, dass sich gute Freunde in sie verguckt hatten und das ziemlich deutlich machten, wenngleich sie von vornherein abblockte. Das alles beschäftigte sie sehr und machte ihr zu schaffen. Mir ist zwar bewusst, dass jeder, auch ich, mal sein kleines Böckchen hat, aber solche Verhaltensweisen waren mir absolut fremd. Die Kernpersonen, von denen sie mir berichtete, waren ihr Ex-Freund, der jedoch nicht zu den Quälgeistern gehörte, ein langjähriger, sehr guter Freund, der die Bekenntnis zu seinen Gefühlen ihr gegenüber schon sehr früh offenbart hatte und den sie trotzdem nicht aus ihrem Leben verbannte und ein weiterer Typ. Nun, wenn mir sowas passierte, versuchte ich stets den Kontakt abzubrechen, selbst wenn es mir sehr weh tat, aber ich konnte mir partout nicht vorstellen, dass eine normale Freundschaft so möglich ist. Für das Scheitern einer Freundschaft wollte ich ebenfalls nicht verantwortlich sein, deshalb machte ich ihr an meinen eigenen Beispielen deutlich, wie ich in solchen Situationen handelte und lauschte nur dem, was sie zu sagen hatte.
Durch den langjährigen Freund hatte sie die Möglichkeit, das Auto sehr viel kostengünstiger wieder auf Vordermann zu bringen. Selbstverständlich nutzte sie das. Hier wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass in mir ein Missfallen wuchs, wenn ich wusste, dass er in ihrer Nähe ist. Warum das so war, eröffnete sich mir erst deutlich später. Das führte so weit, dass er sie zu einem Musical einlud. Ich währenddessen, suchte die Ablenkung, den Alkohol, alles, was mir mögliche Szenarien aus dem Kopf schlagen konnte. Unverständlich ist es da wohl, dass ich mir keinen Gedanken machte, warum das so war. Fakt ist, sie zu verlieren war für mich unvorstellbar. Eine solche Harmonie, ein solches Verständnis, die gemeinsamen Momente, all das wollte und konnte ich nicht mehr missen.
Dass es ihr ähnlich ging, wenn ich etwas mit anderen, vornehmlich Frauen, weil die eben den Hauptbestandteil meines Freundeskreises ausmachen, unternahm, erfuhr ich erst später. Sie glühte dann ebenfalls auf heißen Kohlen. Der Begriff Eifersucht wird viel zu oft als negative Kennzeichnung missbraucht, aber ich denke der passt hier perfekt. Es war keinerlei Absicherung uns gegenüber vorhanden, kein Lippenbekenntnis und uns beiden war klar, dass es im Falle eines Zusammenkommens mit einem Partner untragbar wäre, unsere Freundschaft auf die Art und Weise fortzuführen.
Peu à peu dämmerte es mir. Ohne sie wird es schwer für mich. Der langjährige Freund, nach den Erzählungen durchaus passend für sie, weil er eben älter, kein armer Schlucker, halbwegs gutaussehend und eine gute Partie war, hatte es schon ab und zu mit Annäherungsversuchen neben den Geschenken und Nachrichten probiert, aber sie blieb stets standhaft, blockte ihn ab und versicherte, es gebe zwischen ihnen nur Freundschaft. Glauben wollte ich es – sie erzählte mir alles, aber ich konnte es nicht immer vermeiden, mir auszumalen, was passieren könnte. Eines Abends erreichte er das, was er wollte: sie küssten sich, keine große Gegenwehr ihrerseits. Sie berichtete mir auch das, wobei sie mir versicherte, dass es ein großer Fehler war und sie es bereue.
Augenblicklich sah ich alle Felle wegschwimmen, verdrängte jene Gedanken aber wieder schnellstmöglich. Sonst hätte ich auch nicht wie gehabt so oft es ging mit ihr die Nacht verbringen können. Obwohl es für uns beide zunächst unvorstellbar war, auch innerhalb der Schulwoche die Betten zu teilen, taten wir das inzwischen schon sehr selbstverständlich, Grey’s Anatomy sei dank. Dass wir nur dann gut schlafen konnten, wenn wir beieinander waren, brachte uns folglich beinahe jede Nacht zusammen. Dabei konnten wir ganz zu Beginn kein Auge zu tun und waren morgens wie gerädert. Wenn ich ohne sie schlafen musste, konnte ich ewig nicht einschlafen, wachte mehrmals in der Nacht auf und war sehr früh wieder wach. Der Umkehrschluss: wenn wir uns hatten, habe ich geschlafen wie ein Baby. Schön an ihren angenehmen, warmen und wundervoll duftenden Körper gekuschelt (Löffelchen in Perfektion) und dazu Hand in Hand.
Irgendwie musste ich ein kleines Resümee ziehen, warum ich sie stets bei mir haben wollte und nicht in den Armen eines Anderen. Verliebt war ich bis dahin nie und Liebe entsteht für mich erst in einer Beziehung richtig, weshalb ich alle Gedanken diesbezüglich verwarf. Es war durchaus eine starke Zuneigung meinerseits, gut und gerne zu stark für eine solch enge Freundschaft. Wie ging es ihr dabei? War ich es jetzt, mit dem sie aus lauter Naivität spielte? Nein, eigentlich kannte ich sie besser und mein Ego war groß genug zu denken, dass ich ebenfalls sehr wichtig für sie war. Aber wie wichtig? Als Freund im platonischen Sinne? Als „richtigen“ Freund? Redet eine Potentielle über die hoffnungslosen Versuche anderer „Mitbewerber"? An sich ein abschreckendes Beispiel, ich war doch auch nur ein guter Freund und ich wollte mir nach allem, was sie mir anvertraut hatte, nicht denselben Fehler begehen. Wenn ich wieder mal alleine schlafen musste, konnte ich nicht einschlafen. Wenn sie jedoch da war, lagen wir meist im Bett, Körper an Körper und streichelten uns gegenseitig. Für mich war und ist Rückenkraulen eher ein Akt sehr verbundener Freundschaft, mal auch ein Kuss auf den Nacken, aber als Gesamtpaket machte ich mir da schon meine Gedanken. Wohin driften wir? Was will sie? Und vor allem, was will ich?
Im Rückblick gab es über mehrere Monate hinweg nur sehr wenige Tage ohne Nachricht von ihr, aber schon nach mehreren unbeantworteten Stunden kribbelte es in mir und ich erwischte mich ständig dabei, schlechte Gedanken ihr gegenüber zu entwickeln. Natürlich traf sie sich mit Anderen. Natürlich musste auch hier jemand dabei sein, der wissentlich etwas von ihr wollte. Wenn also keine Nachricht von ihr kam, konnte ich mir die, für mich, worst case Szenarien bildhaft ausmalen. Alles in allem einfach keine leichte Zeit, trotz all des Glücks, das ich in ihrer Nähe empfand.
Aber auch für sie, wie ich feststellte. Die Ideen, sich wieder zu treffen kamen nun eher von ihr und wenn mir nachts mal wieder ein Körperteil eingeschlafen war und ich mich wenden musste (welch objektive und sterile Beschreibungsweise…), war sie es, die sich fest an mich presste und mich ihren Atem spüren ließ. Dann passierte allerdings etwas, was ich weder vorhergesehen hatte, noch zu meinen Vorstellungen bezüglich einer Annäherung passte. Das Streicheln gehörte mittlerweile so dazu, wie das Halten der Hand im Schlaf, und natürlich das Kuscheln. Ich weiß nicht mehr genau, was für einen genauen zeitlichen Ablauf das Ganze hatte und wer der Initiator war, aber wir berührten auch unsere Lippen beim Streicheln. Ein wahnsinniges Gefühl, das ich nicht kannte und mich absolut kirre machte. Die Bedeutung dessen fiel mir leider viel zu spät ein, ich hätte es einfach versuchen und sie küssen sollen. Ich hätte mich treten können weil ich es nicht getan hatte, aber im Gegenzug ebenso, dass ich überhaupt daran dachte.
In einer der darauffolgenden Nächte erwachte ich und spürte sie so dicht vor mir wie noch nie. Unsere Lippen waren so dicht beieinander, dass ich die ihren schon spüren konnte. Unvergesslich und trotzdem fand ich keinen Mut und schlief irgendwann wieder ein. In der nächsten Nacht ereignete sich selbiges, doch dieses Mal fasste ich mir ein Herz und küsste sie. Gut, das ist vielleicht übertrieben, ein kleiner Schmatzer war es. Die Nächte gingen weiterhin ins Land und aus einem Schmatzer wurden richtige Küsse. Sie wurden intensiver und dauerten länger an, irgendwann ergriff sie die Initiative und unsere Zungen berührten sich sanft. Ich glaube das Gefühl brauche ich nicht beschreiben, ich wäre fast geplatzt vor Aufregung, Freude, Euphorie, aber auch vor der abfallenden Last. Sie war nicht abgeneigt, fühlte sich wunderbar an und es wurde mir so deutlich wie noch nie:
Du Idiot hättest die Chance beinahe verpasst.
Das war Ende Februar. Immer noch in der Schulzeit und trotzdem küssten wir uns stundenlang, aber stets im Schutz der Dunkelheit. Geredet hatten wir darüber nicht, jeden Morgen taten wir, als wäre nichts gewesen. Nicht leicht, aber ich konnte damit leben. Was das alles hier nun zu bedeuten hatte, wusste ich sowieso nicht mal Ansatzweise. Wenn wir uns küssten, fühlte ich mich absolut machtlos. Die Freundschaft zu ihr war mir sehr wichtig und daher unternahm ich hier nichts weiter. Schließlich wollte ich sie nicht verlieren. Doch all das weitete sich aus. Ich musste meist früher raus und die Verabschiedung am Bett machte mir das Aufstehen nicht leichter.
Die Küsse wurden intensiver, wir streichelten uns nun aktiver und später alles andere als platonisch. Keiner brachte es zur Sprache, keiner wusste, woran er war. Alles spielte sich immer in den eigenen vier Wänden ab, bis, ja bis ich ihre Hand bei einem Spaziergang mit meinen Labradoren ergriff. Eigentlich hätte es mir klar sein müssen, nach all dem, was wir bereits taten, aber es war ein unbeschreibliches Gefühl, als ich spürte, dass sie auch meine Hand hielt. Mit 19 das erste Mal Händchenhalten, auch wenn alles andere schon längst über den Jordan ist, welch merkwürdige Begebenheit. Doch ein klares Wort zu dem, was wir sind oder eben nicht sind, fand keiner von uns. Wir küssten uns einmal nach dem Aufwachen 7 Stunden lang, aber offiziell und auch uns gegenüber waren wir weiterhin nur Freunde. Ich denke, unser vormals projiziertes Bild der perfekten Freundschaft war passé.
Es zog sich über Monate hinweg, im Februar der erste Kuss, März und April als langsame Annäherungsreise mit intensiven Küssen, vielen Streicheleinheiten und auch intensiverem Kuscheln. Nun, ihr Bruder heiratete, sie war die Trauzeugin und ich war ihre Begleitung. Sie sah bombastisch aus, aber ihr das zu sagen fiel mir unendlich schwer. Frauen mal ein Kompliment zu machen war für mich nie ein Problem, aber ihr gegenüber schon. Das Feuerwerk am Abend entfachte auch ein Feuerwerk in mir, wie gern hätte ich sie in dem Augenblick einfach geküsst und den Rest der Welt um uns herum vergessen, so wie ich es nur mit ihr konnte. Das versprochene Zimmer bekamen wir nicht, stattdessen schliefen wir im Flur auf einer Luftmatratze. Die schöne Vorstellung eines großen Doppelbettes in schönem Ambiente durften wir schnell wieder ablegen, aber zumindest hatten wir uns. Mehr brauchte ich auch nicht, nur sie. Sie bei mir, ihren großartigen Körper fest an meinen gedrückt und in meiner Nase nur ihr Duft.
All das und noch vieles mehr, tauschten wir noch einige Wochen später, nach der World of Study, aus. Es kam nicht die Frage, ob wir zusammen sein wollen, sondern seit wann wir zusammen sind. Daher auch die ständige Antwort: nun, der Anfang war etwa Januar, Februar, weil wir zum Einen den Anderen für uns wollten, nicht nur einen Teil davon, beinahe jede Nacht miteinander verbrachten und wirklich nur zum Duschen oder essen das eigene zu Hause aufsuchten und wir uns das erste Mal küssten. Offiziell ist es aber der 5. Mai, das Hochzeitsdatum ihres Bruders. Denn da war es an sich ein beziehungsähnliches miteinander. Ein Kompromiss, der sich dazu noch gut merken lässt.
Wir haben uns dermaßen viel von der Seele geredet, dass es fast schon lustig war, dass wir erst so spät begriffen haben, dass es ein „uns“ werden sollte. Kleines Beispiel gefällig? Bei ihrem Geburtstag, also Anfang Dezember, würde keiner von uns die Hand dafür ins Feuer legen, dass wir uns nicht geküsst und gekuschelt hätten, wenn ich bei ihr übernachtet hätte. Jedoch war da jemand eifersüchtig und wollte mich unbedingt nach Hause fahren, mein Auto musste vor der Tür warten. Dann das stundenlange Streicheln bei sehr romantischer Stimmung und intensivem Augenkontakt. Die aufkommende Eifersucht, all das passierte ziemlich parallel und es ist frappierend, dass wir das zum Teil mit den gleichen Worten beschreiben wollten.
Wir sind absolut glücklich miteinander, auch wenn es nicht leicht war. Ich für meinen Teil war bis dato kein Beziehungsmensch, verbarg meine Gefühle und Gedanken um nicht Gefahr zu laufen, verletzt zu werden. Letzteres wollte sie ebenso nicht, verständlicherweise. Zudem ist es für mich unbegreiflich, dass sich eine derart perfekte Frau gerade für mich entschieden hat, den doch angeblich so arroganten, gleichaltrigen Typen, mit durchwachsenem Reifezeugnis, merkwürdigen Frauengeschichten und gewöhnlichem Äußeren. Sie, die wunderschön anzusehen ist, absolut loyal und ehrlich, intelligent, einem glücklicherweise unendlich großen Kuschelbedürfnis und einer Ausstrahlung, die einen gefüllten Saal lautlos machen könnte. Von dem Standpunkt aus habe ich es ihr zugegeben nicht leicht gemacht und umso glücklicher bin, dass ich sagen kann, dass wir zusammen sind und uns schon fehlen, wenn wir uns nur einen Tag mal nicht sehen – obwohl wir schon seit Februar mehr oder weniger Tag und Nacht miteinander verbringen. Glaubt mir, wenn eine bloße Umarmung, ein Kuss auf den Hals oder auch nur eine schöne SMS eine solche Wirkung bei mir hat, dann bin ich von Kopf bis Fuß verliebt.
Am Anfang meinte ich, dass ich die Geschichte als unüblich einstufe und ich will euch auch verraten wieso. Ständig, aus allen Ecken höre ich meist so etwas: „haben etwas getrunken, sind im Bett gelandet und sind seither zusammen“. Ich habe daran nichts auszusetzen, aber auch wenn ich meine Freundin schon vor der Beziehung ziemlich genau kennenlernte, so war der gesamte Prozess ein unvergleichliches Erlebnis, das ich nicht missen möchte. Ebenso wenig wie sie, aber das habe ich wohl schon deutlich gemacht.
Ich werde das Ganze meiner Freundin auch nochmal zum Durchlesen geben, dann kommt sicher noch was dazu, oder sie legt ihre Impressionen anbei. Hoffe euch fällt beim Lesen nicht der Kopf auf die Tastatur
Bitte kopiert hier auch nichts, sind doch ohnehin nicht eure eigenen Erfahrungen. Ich habe mir das ganze hier und jetzt von der Seele geschrieben, um nichts zu vergessen. Ist halt aber auch ziemlich viel geworden, sorry!