ZERO DARK THIRTY (O-Ton,
imdb) - 6/10
Nach dem überwiegend postitiv besprochenen und mit Nominierungen und Auszeichnungen überhäuften THE HURT LOCKER, begann Kathryn Bigelow zusammen mit Mark Boal die Arbeit an ihrem nächsten Projekt, welches den Arbeitstitel “For God And Country” trug. In diesem ging es vorerst zentral um den Kampf in Tora Bora, sowie den bis zu diesem Zeitpunkt langwierigen und erfolglosen Versuchen Osama bin Laden zu fassen. Als sie jedoch mit dem Dreh beginnen wollten, überschlugen sich die Nachrichten mit der Meldung, dass Osama bin Laden getötet wurde. Daraufhin verworfen sie ihr bereits fertiges Skript und fingen an ein neues zu schreiben. Das Ergebnis ist der seit 31.01. in den deutschen Kinos laufende ZERO DARK THIRTY.
ZERO DARK THIRTY schildert die knapp zehnjährige Jagd nach, sowie wie die Tötung von Osama bin Laden aus der Perspektive der jungen und sehr zielstrebigen CIA-Analytikerin Maya (Jessica Chastain) und orientiert sich dabei an den wichtigsten Ereignissen in diesem Zeitraum, wie z.B. 9/11, London 2005, Islamabad 2008 und letztlich Abbottabad 2011. Als Basis für den Film dienten neben den schon erwähnten Ereignissen sowohl schon allgemein bekannte Informationen, als auch Informationen aus Geheimdienstkreisen – was zu einer der ersten Kontroversen geführt hat.
Wie auch schon in THE HURT LOCKER übernimmt Regisseurin Kathryn Bigelow abermals die Rolle als neutraler Beobachter und verschärft diese Position in ZERO DARK THIRTY noch unter anderem dadurch, dass sie ihrem Film mittels Einblendung eine “journalistische Herangehensweise” attestieren. Sie verzichtet dabei glücklicherweise auch auf den sonst meist immer mitschwingenden Hurra-Patriotismus und übertriebenen Pathos. Durch diese selbst geschaffene Distanz zur Thematik, schaffen es Bigelow und Boal ihre Geschichte über die Jagd nach und Tötung von Osama bin Laden ohne moralisierenden Fingerzeig zu erzählen und es so dem Zuschauer selbst zu überlassen, wie er das Gesehene deutet – auf den ersten Blick.
Bigelow und Boal verpassen an Hand von Maya und allen anderen Beteiligten (so gering deren Auftritte auch sein mögen) dieser für viele Menschen obskuren Jagd – welche nur ein ganz bestimmter Teil des amerikanischen “war on terrorism” war – in gewisser Weise eine menschliche Ebene. Sie machen sie für uns greifbar. Und aufbauend auf dieser menschlichen Ebene, wird die Arbeit aller Beteiligten in viele verschiedene und teils moralisch höchst ambivalente Einzelprozesse zerfranst und wir bekommen vor Augen geführt wie dreckig und menschlich verkommen dieser Mikrokosmos ist und wie – abseits der sicherlich enormen Außenwirkung – relativ egal die Tötung von Osama bin Laden für alle Beteiligten war. Sinnbildlich dafür steht Maya, die in einer der ersten Szenen noch vermummt gezeigt wird und uns als verschüchtert und verstört vorgestellt wird und sich im Laufe des Films zu einer teilweise emotionslosen, unnahbaren und unsympathischen Arbeitswütigen ohne Privatleben entwickelt, die ebenfalls nicht vor Folter zurück schreckt. Und schlußendlich ist es auch Mayas Gefühlsausbruch, der verdeutlicht, dass sie trotz des vermeintlich Erfolges kläglich gescheitert sind – an dieser Stelle möchte ich Dan zitieren, denn das passt doch recht gut: “But in the end, everybody breaks, bro. It’s biology.“.
Aber trotz all dieser positiven Merkmale gibt es ein paar Kritikpunkte, die den Eindruck des Ganzen ein wenig trüben und sicherlich auch der neutralen Haltung und eingeschränkten Sichtweise des Films geschuldet sind. So übt Bigelow kaum Systemkritik (Abu Ghraib, CIA-Black Sites u.a.), Folter bleibt ohne personelle Konsequenzen (am Beispiel von Dan; hier ist der Vorwurf der Normalisierung von Folter durchaus angebracht) und sie bedient sich formell ähnlicher perfider Mittel (die beiden Anschläge in die Maya und/oder ihr nahestende Personen involviert sind, um Angst gegenüber einem unbekannten und scheinbar unbezwingbaren Gegner zu schüren) um den “war on terrorism” zu legitimieren, was im Kontext des Films und zur Dramatisierung sicherlich schlüssig ist, aber ein recht diffuses Gefühl zurücklässt.
Die technische Seite hingegen ist wieder einmal großartig, trotz kleiner Schwächen, da Bigelow zwar ein Händchen für Bilder, Kompositionen, Authentizität und dergleichen hat und vor allem Action sehr gut abdecken kann (die Stürmung von bin Ladens Versteck ist das bis dato Beste in diesem Bereich), aber man hat stellenweise doch gemerkt, dass das Genre Politthriller Neuland für sie ist. Dazu kommt dann noch der sehr überzeugende Soundtrack von Alexandre Desplat, der sich trotz seiner Eindringlichkeit während des Films vornehm zurückhält – auch auf Grund eines sehr bedachten Einsatzes dessen – und so hervorragend entsprechende Situationen im Film trägt.
Und dann wäre da noch das Schauspiel, hier sei vor allem Jessica Chastain erwähnt, die mindestens seit THE TREE OF LIFE von Terrence Malick als neue Schauspielhoffnung Hollywoods gilt und mit ihrer Verkörperung der CIA-Analytikerin Maya, deren Wandel und scheinbaren Unmenschlichkeit eine beeindruckende Leistung abgibt. Aber auch die anderen Schauspieler sollen hier nicht zu kurz kommen, da die Besetzung durchweg gelungen ist, egal wie klein die Rolle auch gewesen sein mag.
Abschließend bleibt nur zu sagen, dass meine anfängliche Skepsis gegenüber diesem Projekt zwar größtenteils widerlegt werden, mich der Film aber dennoch nicht recht überzeugen konnte. Was weniger an Bigelows wie immer großartigen Inszenierung oder den überraschend sehr guten schaupsielerischen Leistungen liegt, sondern viel mehr an der Geschichte selbst. Trotz dem (fiktiven) Blick hinter die gesamte Operation die zur Tötung von Osama bin Laden führte, war jene nicht interessant genug um mich wirklich zu überzeugen, was nicht zuletzt auch daran liegt, dass das Thema noch recht aktuell ist und bis dato auch hinlänglich behandelt wurde. Und somit ist ZERO DARK THIRTY in meinen Augen zwar ein insgesamt noch guter Film, aber nicht das Meisterwerk, wie er von einigen verklärt wird.
“I’m the motherfucker that found this place. Sir.” – Maya