Augenschmeichler mit Macken
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Beim geschützten Gehäuse (IP67) geht Huawei - wieder einmal - neue Wege. Denn Parallelen gegenüber der bisherigen P- und Mate-Reihe gibt es keine. Das verwundert, wollte man doch mit dem Mate 10 Pro eine neue Richtung einschlagen, die sich zumindest in Grundzügen in allen Geräten wiederspiegeln sollte. Allerdings hätte das vielleicht nicht zum komplett neuen Konzept gepasst, auf dem das P20 Pro basiert.
Mit 155,0 x 73,9 x 7,8 mm fällt das neue Modell fast genauso groß wie das Mate 10 Pro aus, obwohl das Display nominell 0,1 Zoll größer ist. Während die Front zu 82 % vom Display eingenommen wird und somit kaum noch Platz für optische Spielereien ist, wird die Rückseite überraschend nicht von der Triple-Kamera-Lösung dominiert. Denn wer sich gegen Schwarz entscheidet, wird mit einem regelrechten Farbspiel belohnt, dass durch die aufwändige Fertigung mit mehreren Schichten möglich wird. Ein wirklich eigene Idee ist das aber nicht, HTC setzt bereits seit geraumer Zeit auf dieses Stilmittel.
Dennoch fallen die Kameras aber auf. Die Anordnung mag an das iPhone X erinnern, dürfte am Ende aber schlicht auf den technischen Voraussetzungen basieren. Schließlich geht es im Innern dicht gedrängt zu, eine beliebige Platzierung von Sensoren, Linsen und mehr ist somit nicht möglich. Was allerdings möglich gewesen wäre, ist eine optisch gelungenere Umsetzung. Während zwei Kameras optisch verbunden sind, wirkt die dritte wie nachträglich hinzugefügt. An anderer Stelle hat Huawei hingegen Liebe zum Detail bewiesen. Denn Herstellerschriftzug und Angaben zur Kamera sind im Vergleich zu anderen Smartphones um 90° gedreht. Wird das P20 Pro wie eine Kamera gehalten, passt die Ausrichtung. Aber auch an anderen Stellen hat man auf nette Details geachtet. Dazu gehören die rot markierte Standbytaste und die im oberen und unteren Rahmen farblich hervorgehobenen Antennenisolatoren. Aber auch der gerundete Rahmen, der einen fast nahtlosen Übergang zwischen Vorder- und Rückseite simuliert, wirkt gelungen.
Da ist es schade, dass es hier und da kleinere Verarbeitungsmängel gibt. So schloss der Kartenträger beim Testgerät nach dem ersten Entfernen nicht mehr bündig mit dem restlichen Rahmen ab, zudem gibt es eine minimale farbliche Abweichung. An zwei, drei Punkten war zudem der Übergang zwischen Rückseite und dem aus Aluminium bestehenden Rahmen aufgrund leicht unterschiedlicher Spaltmaße spürbar.
Abzug gibt es aber auch hinsichtlich der Ergonomie. Denn trotz des schmalen Rahmens rund um das Display ist die Bedienung mit nur einer Hand nicht möglich. Lediglich die am rechten Rand platzierten Tasten für Lautstärke und Standby sind gut erreichbar. Der unterhalb des Displays platzierte Fingerabdrucksensor arbeitet zwar schnell und präzise, mehr als nur einmal wurde im Test aber der Home-Button versehentlich gedrückt. Die Platzierung des Sensors auf der Rückseite wie beim Mate 10 Pro wäre die bessere Lösung gewesen. Mit 180 g fällt das P20 Pro in der Hosen- oder Jackentasche noch nicht negativ auf. Anderes sieht es in der Hand aus. Allerdings stört hier nicht das Gewicht, sondern die wenig Halt bietende Rückseite.
Aktuelles Android täuscht nicht über Schwächen hinweg
Den Mut zum Umgestalten, den man beim Gehäuse gehabt hat, vermisst man an anderer Stelle. Denn trotz neuer Version belässt Huawei es bei seiner eigenen Benutzeroberfläche bei dem, was Kunden der Marke seit Jahren kennen - und spätestens seit dem P10 regelmäßig kritisiert wird. Dazu gehört einerseits die Optik, die wenig modern und frisch wirkt. Andererseits werden noch immer zu viele Funktion zu tief in den Systemeinstellungen versteckt. Nicht selten, wie beispielsweise im Fall des Always-on-Displays, auch an Orten, auf die man nicht kommen würde.
Im Gegenzug finden sich allerdings alle, die in den vergangenen zwei, drei Jahren bereits ein Huawei-Smartphone genutzt haben, sofort zurecht. Dazu gehört der optionale App Drawer im klassischen Android-Stil als Alternative zum einfachen Ablegen von Verknüpfungen auf dem Homescreen, aber auch das Auslösen bestimmter Funktionen per Fingerknöchleingabe. Nicht neu ist auch die Steuerung über eine alternative Gestensteuerung, bei der entweder eine virtuelle Taste oder der Fingerabdrucksensor alle Aufgaben übernimmt. Das ist zunächst wenig intuitiv und gegenüber der in Android P integrierten Lösung eine schlechtere Lösung, aber der Nutzer hat zumindest eine Wahl.
Zum guten Ton gehört inzwischen das Entsperren des Smartphones per Gesichtserkennung. Hier setzt Huawei allerdings auf eine Sparlösung, bei der nur die Frontkamera zum Einsatz kommt. Die Methode arbeitet schnell und zuverlässig, lässt sich allerdings wie bei so vielen anderen Smartphones auch recht problemlos überlisten. Das Sichern per Fingerabdruck ist somit die bessere Wahl.
Unter der Oberfläche hat sich ebenfalls nur wenig getan. Die EMUI-Versionsnummer - 8.1 - lässt erahnen, dass im Hintergrund Android 8.1 arbeitet. Das P20 Pro ist somit aber nur teilweise auf dem aktuellen Stand. Denn zum Zeitpunkt des Tippens - Mitte Mai - entsprach das Sicherheitsniveau dem 1. März 2018. Fester Bestandteil der eigenen Oberfläche sind diverse Applikationen, die sich in vielen Fällen jedoch deinstallieren lassen.