TEST

S.T.A.L.K.E.R. 2 angespielt

Gefangen in der Tradition - Das Gameplay: Zu alt, zu steif, zu unflexibel

Portrait des Authors


Werbung

Und bei einem "Aber" bleibt es in S.T.A.L.K.E.R. 2 leider nicht. Die beiden größten Kritikpunkte sind wohl das Gameplay und die KI. Fangen wir mit dem Gameplay an:

Das, was man als Kontinuität in S.T.A.L.K.E.R. 2 hinsichtlich des Gameplays beschreiben kann, ist letztlich nichts weiter als Stagnation. Als Kenner der Serie bekommt man schnell den Eindruck, dass Grafik und Sound bloß wie ein Kleid über ein 15 Jahre altes Gameplay gelegt wurden. Denn in so vielen Beziehungen spielt sich S.T.A.L.K.E.R. 2 wie ein Call of Pripyat, sodass es einem kalt den Rücken herunterläuft. Der Zustand des Gameplays mag vor 15 Jahren noch vertretbar gewesen sein, aber nicht mehr Ende 2024. Selbst zwischen Shadow of Chernobyl und Call of Pripyat gab es eine seichte Evolution im Gameplay, Veränderungen wäre also möglich gewesen.

Das Spiel ist schlicht steif. Von der versprochenen Dynamik seitens GSC ist nichts in S.T.A.L.K.E.R. 2 angekommen. So setzt S.T.A.L.K.E.R. 2 beispielsweise viel auf Kletter-Rätsel. Das dazugehörige Mantling-System, also das Greifen nach Kanten, ist aber (noch) völlig unterentwickelt und frustriert bei der Anwendung regelrecht.

Hinzu kommen Gameplay-Entscheidungen, die einfach nicht mehr zeitgemäß sind. So müssen Granaten immer noch von der Spielfigur erst in die Hand genommen werden, bevor sie geworfen werden können. Ein schneller und flinker Einsatz ist so kaum möglich. Nachladen während des Rennens geht ebenfalls nicht; die Spielfigur bricht den Vorgang ab, sobald man die Beine in die Hand nehmen will. Wenn man aber die Art der Auseinandersetzungen berücksichtigt (und auf die KI kommen wir noch zu sprechen), kommt zwangsläufig die Frage auf, was GSC damit eigentlich bezwecken will. Ebenso lässt sich zwar mit Schusswaffen um die Ecke schauen, aber nicht mit einem Messer in der Hand – warum nicht? Lichtquellen, wie Glühbirnen, lassen sich nicht durch einen Schuss ausschalten, um etwa einen taktischen Vorteil zu erlangen (was bei dem Zustand der KI im Moment aber ohnehin unerheblich ist).

Dazu gesellt sich eine generell schlechte Kollisionsabfrage und streckenweise fragwürdiges Balancing. Menschliche NPCs lassen sich noch mit gezielten Kopfschüssen schnell niederstrecken. Tiere und Monster sind hingegen in der Beziehung deutlich zäher, wobei es nicht plausibel wirkt, dass etwa Wildschweine und humanoide Mutanten deutlich mehr Kopftreffer einstecken können als normale menschliche NPCs. S.T.A.L.K.E.R. soll nicht leicht sein, aber Taktik und gutes Zielen sollten vom Spiel auch belohnt werden.

Das Survivalelement in Form von Hunger wurde seit Call of Pripyat ebenfalls nicht weiterentwickelt. Dieses taucht einfach nur gelegentlich als Bedürfnis auf und kann mit einer Hand voll bekannter Lebensmittel gestillt werden. Dabei haben in der Vergangenheit bereits andere Spiele interessante Impulse dahingehend gegeben, die sich GSC durchaus hätte anschauen können. Fallout 4 etwa hat im Hardcore-Modus ebenfalls Survivalelemente in Form von Hunger mit dabei. Allerdings konnte man über die Fähigkeit "Partyhengst" in Kombination mit verschiedenen Glück-Fähigkeiten den Glückswert der Spielfigur durch den Konsum von Alkohol (Bier) steigern und gleichzeitig den Hunger stillen. Kämpfe entwickelten sich so schnell zu einem EXP-Booster, und eine laufende Brauerei gab es in einer Quest noch dazu. Es wurde dem Spieler also die Möglichkeit gegeben, aus der Not eine Tugend zu entwickeln. Nicht so in S.T.A.L.K.E.R. 2, wobei die Not eigentlich auch keine ist, weil an jeder Ecke Brötchen mit Würstchen herumliegen. Es zeigt exemplarisch, dass GSC es nicht geschafft hat, dieses Survivalkonzept einen Schritt weiter zu denken.

Ein weiteres großes Manko betrifft die Spielwelt selbst. Größer ist immer besser, aber nicht, wenn Spielen bedeutet, stundenlang durch die Tristesse der Zone zu laufen, um einfach nur von einem Punkt zum anderen zu kommen. Zu Beginn fällt dieser Kritikpunkt noch nicht ins Gewicht, aber je weiter der Spieler in die Zone vordringt, umso länger werden die Laufwege. Zwar haben die Entwickler ihr Schnellreisesystem in Form von bezahlbaren Ortskundigen aus den früheren Spielen implementiert, aber dies gelangt aufgrund der schieren Größe der Karte an seine Grenzen. Zumal storybedingt auch einige Ortskundige wieder wegfallen können und die Orte so nicht mehr erreichbar sind. Leider fangen diese Laufwege abseits der Hauptgeschichte schnell an zu nerven, denn irgendwann hat sich auch der letzte Fan an der tollen Optik der Spielwelt sattgesehen.

Ebenfalls in dieser Beziehung haben andere Spiele in den vergangenen Jahren moderne Ansätze präsentiert. Kingdom Come etwa hat im Hardcoremodus auch keine Schnellreise, aber zumindest das Pferd bringt einen zügig voran. In Fallout 4 konnte man sich noch die Lufthoheit der Stählernen Bruderschaft zunutze machen und über die Karte an beliebige Orte fliegen lassen. Dabei stehen in der Welt von S.T.A.L.K.E.R. 2 massenweise Hubschrauber herum, die im Laufe der Geschichte sogar ein paar Mal über den Spieler hinwegfliegen. Diese als passives Schnellreisesystem zu nutzen, wäre nicht unplausibel. Selbst Metro Exodus hat mit dem wackeligen Kleinlaster in der Wüste und Booten auf der Wolga erfolgreich mit schnelleren Fortbewegungsmechaniken experimentiert. Es kommt zwangsläufig der Eindruck auf, als hätte sich GSC keinerlei Gedanken über die Konsequenzen einer so gigantischen Spielwelt gemacht. Dabei könnten sie die Situation schon dadurch etwas entschärfen, indem sie dem Spieler einfach mehr Ortskundige zur Verfügung stellen.

In der Summe wirken viele Mechanismen entweder unverständlich oder gar veraltet. Das Spiel lässt leider so eine Menge Potenzial brach liegen. Oder anders ausgedrückt: Es findet sich in S.T.A.L.K.E.R. 2 so viel Kontinuität, dass für Neuerungen einfach kein Platz mehr ist. Dieser Eindruck zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Spiel.

Quellen und weitere Links KOMMENTARE (3) VGWort