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S.T.A.L.K.E.R. 2 angespielt

Gefangen in der Tradition - Ist die Gegner-KI wirklich intelligent?

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Ein weiterer großer Brocken, an dem sich S.T.A.L.K.E.R. 2 verschluckt, ist die KI. Um es mit einem Satz auszudrücken: Die KI ist dumm! Von dem angekündigten "fortschrittlichen System der künstlichen Intelligenz" findet sich so gut wie nichts in S.T.A.L.K.E.R. 2.

Zunächst mal ist da die Interaktion mit NPCs als solche. Abseits von Quests beschränkt sich die Kommunikation mit diesen auf eine Frage, die in ihrer Belanglosigkeit schon exakt so in Call of Pripyat zu finden war. Mit dem Versprechen einer dynamischen Welt geht auch eine Interaktion der KI untereinander einher, die dem Spieler dargestellt wird. Diese gibt es nicht. Beinahe alle NPCs abseits von Aufgaben (und auch danach) sind Statisten ohne weitere Funktion. Das ist an sich nicht schlimm, vielleicht etwas in die Jahre gekommen, korreliert aber nicht ansatzweise mit den Erwartungen, die GSC im Vorfeld aufgebaut hat.

Wirklich frustrierend wird die KI aber im Kampf. Hier fällt nämlich dem Spieler die eigentlich gute Grafik des Spiels in den Rücken. Während man selbst enorme Probleme damit bekommen kann, die Banditen, die einen beschießen, aufgrund ihrer militanten Kleidung zu lokalisieren, feuern diese recht zielsicher aus allen Rohren, auch über große Entfernungen hinweg.

Nicht nur, dass die NPCs gute Schützen sind, ihre Wahrnehmung sucht auch ihresgleichen. Die KI schafft es, den Spieler über große Entfernungen auch durch Wände hindurch ausfindig zu machen. Dabei genügt es, dass ein einziger NPC einen Verdacht auf den Standort des Spielers hat, damit sich alle Mitglieder seiner Gruppe zielsicher in dessen Richtung begeben. Gefundene Leichen werden von der KI hingegen sehr schnell einfach ignoriert, und die Suche, sofern sie den Spieler nicht ohnehin schon entdeckt haben, abgebrochen. Die rudimentär vorhandene Stealth-Mechanik ist so komplett nutzlos; es endet fast immer in einem Kugelhagel. Die optisch tollen Anomalien werden seitens der KI ebenfalls nicht berücksichtigt. Kamikaze-Aktionen, weil der NPC in seeliger Ruhe in einer Feueranomalie verbrennt, kommen immer wieder vor.

Die guten Fähigkeiten mit dem Schießeisen kompensieren darüber hinaus auch die Tatsache, dass die KI keine echte Taktik hat. Durch das gute Trefferverhältnis suggeriert einem das Spiel zwar, dass die KI taktisch vorgehen würde, doch wenn man es beobachtet, stellt man fest, dass NPCs häufig unlogisch durcheinanderwuseln und so in Deckung gehen, dass sie keine Deckung haben

Noch deutlicher wird dieses Verhalten bei Tieren und Mutanten. Die meisten Begegnungen folgen einer simplen Logik, die daraus besteht, in schneller Aggressivität auf den Spieler loszustürmen. Abseits von konzentrischen Kreisen, die die Kreaturen im Rudel um einen drehen, gibt es auch dort keinerlei Taktik. Bewegt sich der Spieler hingegen ansatzweise aus der Erreichbarkeit der Monster heraus, beispielsweise indem man auf die Kühlerhaube eines Autos springt, suchen viele Monster umgehend Deckung, um nicht vom Spieler beschossen zu werden. Dieses Versteckspiel dauert exakt so lange an, wie man für die KI unerreichbar ist, und wird umgehend beendet, sobald der Spieler wieder attackiert werden kann. Sich in eine strategisch gute Position zu bringen, ist in S.T.A.L.K.E.R. 2 so leider unsinnig.

Es funktioniert hingegen nur die direkte Konfrontation mit Gegnern, die den Spieler hektisch und unkoordiniert angreifen. Das fängt in Kombination mit der Eigenart, im Sprinten nicht mal nachladen zu können, schnell an zu frustrieren. Einfach ausgedrückt, muss man für die KI die Zielscheibe spielen, weil dieser die Taktik fehlt. Dynamische Kämpfe kommen so nicht zustande.

Auch hier sei mal an das schon ein paar Jahre alte Metro Exodus erinnert: Die Nosalis, denen man an der Wolga begegnet, verhalten sich situationsabhängig. Wer diese nicht in bester Shooter-Manier direkt ins Visier nimmt, kann hier die ausgeklügelte Mechanik der KI in Augenschein nehmen, die 4A in dem Spiel implementierte. Das Monster griff den Spieler nicht zwangsläufig ungezügelt in hohem Tempo an. Bemerkte es den Spieler, so konnte es passieren, dass es sich erst langsam näherte und dem Spieler das Gefühl gab, als würde es ihn und die Situation erst einmal taxieren. Ging man langsam wieder auf Distanz, so war es auch möglich, dass der Nosalis das Interesse verlor und umdrehte. Umgekehrt fühlten sich die Monster in der Gruppe viel selbstbewusster und versuchten, den Spieler einzukreisen. Dieses Verhalten erzeugte eine ungeheure Immersion, weil man als Spieler die Option hatte, sich auf die Spielwelt und ihre Regeln einzulassen, statt alles in einem Kugelhagel niederzumähen. S.T.A.L.K.E.R. 2 eröffnet dem Spieler diese Optionen leider gar nicht erst.

Zum plumpen Verhalten der KI gesellt sich auch das fragwürdige Spawn-Verhalten. Wie aus dem Nichts tauchen hinter dem Spieler Gegner oder gleich Gegnergruppen auf, die sich gegenseitig an die Gurgel gehen. So kann es passieren, dass Banditen plötzlich von einem Trupp von Stalkern aufgemischt werden, in diese Konfrontation zwei Fleisch-Mutanten hinzu stoßen, dies eine Horde Wildschweine auf den Plan treten lässt, die dann ihrerseits von einer anderen Banditengruppe attackiert werden. Das ist nicht mehr nur unplausibel, sondern absurd. Allerdings hat GSC mittlerweile auch zugegeben, dass das eigene KI-System A-Life 2 in S.T.A.L.K.E.R. 2 (noch) nicht funktioniert. Es besteht also die Hoffnung, dass zumindest einige dieser Schnitzer noch behoben werden.

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