Heute widme ich mich mal einem Außenseiter und Schnäppchen. (Beinahe-)Schrott würden Andere sagen. Eine kleine Ewigkeit schon steht auf meiner Liste die Frage, ob Cherry ML-Switches wirklich so mies sind, wie immer und überall behauptet, darum musste irgendwann mal eine G84 her. Die modernen haben bloß einfarbige Keycaps mit lasered Legenden, die bereits beim Auspacken aussehen wie 10 Jahre ununterbrochen getippt. Mit über 100.- € außerdem
dezent overpriced.
Das Experiment sollte aber nicht viel mehr kosten als ein Imbiss-Abendessen. Und ich wollte nicht die Variante mit Touchpad. Da hieß es den Gebrauchtmarkt beobachten, wo es letzte Woche für 13.- € inkl. einen Treffer gab.
Cherry G84-4400PPBDE
Das Ding stammt aus dem Jahr 2001, hat zwei PS/2-Ports (Trackball!) und kommt mit USB-Adapter, der hot plug unterstützt. Die Spuren dreckiger Finger wischt die Wunderwaffe Radierschwamm locker weg und lässt die Kappen - klassisch beige Alphas und graue Modifier - fast wie neu aussehen. Schenkt man Deskthortiy Glauben, steht das erste "P" in der Modellbezeichnung für pad-printed ABS, doch das scheint nur für MX zu gelten. Pad-printed Legenden sind fühlbar, das ist von modernen G80-1800 und Raptor K1 durchaus bekannt, doch fühlen kann ich hier nix. Die Kappen sind
ABSolut glatt, der Kontrast knallt ins Auge; ich sage deshalb, das sollten dyesubs sein. Die Farben entsprechen den G80 double-shots.
Das extrem flache und nur 450g leichte 75%-Layout kämpft mit schwachsinniger Anordnung der Tasten,
Insert
und
Delete
in der bottom-row sind mit PowerToys schnell in
Win
und
Ctrl
umgewandelt, die
Fn
-Taste äußerst links nervt dagegen hart und kann nicht umgemappt werden, weil Windows keinen scancode erkennt.
Ähnlich nervtötend sind die großen Tasten, insbesondere die Leertaste macht irre laute Tickergeräusche, also runter mit den Kappen. Bereits unter 1.5u großen Tasten findet sich ein dünner Stabi-Draht, macht auf nur 75% ganze acht Stück: Escape, Backspace, Tab, Capslock, ISO-Enter Fn, R-Shift und die Leertaste. Die aus der MX-Welt bekannten Mittelchen helfen auch hier; Draht ausklipsen, XHT-BDZ auf die Haltenasen der Kappe, Draht wieder rein. Etwas Krytox noch in die Schienen neben den Switches, Kappe drauf und die Nebengeräusche sind weg.
Die Schalter tippen sich mäßig taktil und haben überraschenderweise weder pre-travel noch geringsten wobble. Beim upstroke ist das taktile Verhalten noch deutlicher zu spüren als auf dem Hinweg zum bottom-out. Je näher an der Kante man tippt, desto hakeliger und schwerer wird der Weg nach unten, das lässt sich nicht leugnen, doch zusammen mit dem sehr flachen (und uniformen!) Cherry-ähnlichen Profil gefällt mir das Schreibgefühl sogar ziemlich gut. MY-Switches und auch - manch Einer hier möge mich schlagen - MX Browns können da für mich nicht mithalten, von Rubberdome ganz zu schweigen. Wer die alten ThinkPad-Tastaturen kennt, so wie es sie beim X220 noch gab, bevor beim Nachfolger Chiclet Einzug hielt, hat eine Vorstellung vom ML-Tippgefühl. Der Klang ist aber tiefer. Der winzige Trackball macht verflucht laute, reibende Geräusche und bewegt die Maus zwar präzise, aber sehr langsam. Das ist höchstens ein Mausersatz für Stunden bis maximal ein paar Tage.
Falls jemand mal testen will, das Brettchen passt in einen LuPo-Umschlag und könnte für 2,75 € als Maxibrief auf die Reise gehen ... 👀