Liest mal das Buch von Erich Fromm - Die Kunst des Liebens.... hier mal ein wenig daraus....
Der Irrtum, der zu der Annahme führt, das Lieben
müßte nicht gelernt werden, beruht darauf, daß man das
Anfangserlebnis, »sich zu verlieben«, mit dem permanenten
Zustand »zu lieben« verwechselt. Wenn zwei Menschen, die
einander fremd waren - wie wir uns das ja alle sind -, plötzlich
die trennende Wand zwischen sich zusammenbrechen lassen,
wenn sie sich eng verbunden, wenn sie sich eins fühlen, so ist
dieser Augenblick des Einsseins eine der freudigsten,
erregendsten Erfahrungen im Leben. Besonders herrlich und
wundervoll ist er für Menschen, die bisher abgesondert, isoliert
und ohne Liebe gelebt haben. Dieses Wunder der plötzlichen
innigen Vertrautheit wird oft dadurch erleichtert, daß es mit
sexueller Anziehung und sexueller Vereinigung Hand in Hand
geht oder durch sie ausgelöst wird. Freilich ist diese Art Liebe
ihrem Wesen nach nicht von Dauer. Die beiden Menschen
lernen einander immer besser kennen, und dabei verliert ihre
Vertrautheit immer mehr den geheimnisvollen Charakter, bis ihr
Streit, ihre Enttäuschungen, ihre gegenseitige Langeweile die
anfängliche Begeisterung getötet haben. Anfangs freilich wissen
sie das alles nicht und meinen, heftig verliebt und »verrückt«
nacheinander zu sein sei der Beweis für die Intensität ihrer
Liebe, während es vielleicht nur beweist, wie einsam sie vorher
waren.
Diese Auffassung, nichts sei einfacher als zu lieben, herrscht
noch immer vor, trotz der geradezu überwältigenden
Gegenbeweise. Es gibt kaum eine Aktivität, kaum ein
Unterfangen, das mit so ungeheuren Hoffnungen und
Erwartungen begonnen wird und das mit einer solchen
Regelmäßigkeit fehlschlägt wie die Liebe. Wäre das auf
irgendeinem anderen Gebiet der Fall, so würde man alles
daransetzen, die Gründe für den Fehlschlag herauszufinden und
in Erfahrung zu bringen, wie man es besser machen könnte -
oder man würde es aufgeben. Da letzteres im Falle der Liebe
unmöglich ist, scheint es doch nur einen richtigen Weg zu
geben, um ein Scheitern zu vermeiden: die Ursachen für dieses
Scheitern herauszufinden und außerdem zu untersuchen, was
»lieben« eigentlich bedeutet.
Der erste Schritt auf diesem Wege ist, sich klarzumachen, daß
Lieben eine Kunst ist, genauso wie Leben eine Kunst ist; wenn
wir lernen wollen zu lieben, müssen wir genauso vorgehen, wie
wir das tun würden, wenn wir irgendeine andere Kunst, zum
Beispiel Musik, Malerei, das Tischlerhandwerk oder die Kunst
der Medizin oder der Technik lernen wollten
Das praktische Üben von Glauben und Mut fängt bei den
kleinen Dingen des täglichen Lebens an. Die ersten Schritte
hierzu sind: darauf zu achten, wo und wann man den Glauben
verliert, die Rationalisierungen zu durchschauen, deren man sich
bedient, um diesen Glaubensverlust zu verdecken, zu erkennen,
wo man sich feige verhält und welche Rationalisierung man
hierbei anwendet, zu merken, wie jeder Verrat am Glauben uns
schwächt und wie jede neue Schwächung zu einem neuen Verrat
führt und daß dies ein Teufelskreis ist. Dann werden wir auch
erkennen, daß wir bewußt zwar Angst haben, nicht geliebt zu
werden, daß wir uns aber in Wirklichkeit - wenngleich meist
unbewußt - davor fürchten, zu lieben. Lieben heißt, daß wir uns
dem anderen ohne Garantie ausliefern, daß wir uns der geliebten
Person ganz hingeben in der Hoffnung, daß unsere Liebe auch in
ihr Liebe erwecken wird. Liebe ist ein Akt des Glaubens, und
wer nur wenig Glauben hat, der hat auch nur wenig Liebe.