Hiserius
Enthusiast
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- 13.03.2008
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Ich will da nicht weiter drauf eingehen, außer du hast das Bedürfnis darüber zu sprechen. Aber ganz allgemein gesagt ist es recht oft verbreitet, dass Eltern ihren Kindern nicht genug Freiraum zur Entfaltung geben - ob nun bewusst oder unbewusst. Das hat diverse Gründe und lässt sich da auch nicht wirklich diskutieren ohne konkret eine Familie zu kennen und das über Jahre zu beobachten/analysieren. Was allerdings oft der Fall ist, ist die Projektion eigener Wunschvorstellungen in die Lebenswelt des Kindes, zB ganz simpel "Du sollst bitte Beruf X lernen, das taugt wenigstens was" (und schicken die Kids auf die Uni zum Jurastudium) oder "Du musst später das und das können" (und finden es so super, dass das Kind Violine spielt obwohl es selbst gar keine Lust und auch keine Wahl hat). Oft gibt es Regeln die keinen Sinn machen, aber man lernt auch dass man dem Kind Grenzen setzen muss. Da es aus Erwachsenensicht aber kaum sinnvolle Regeln gibt, denkt man sich Sachen aus wie "Du musst dann und dann zu Hause sein" oder "Du darfst nur mit diesen Kindern spielen, aber nicht mit den anderen". Oftmals gibts auch Verlustängste die sich divers entfalten, zB in Kontrollwahn, was sich wiederum in ständiger Erreichbarkeit wiederfindet oder Minutenprotokolle was, wer, wann, wo und wie oft gemacht wurde. Es könnte ja was Schlimmes passieren - was man sowieso nicht verhindern kann - aber wenigstens weiß man dann sofort Bescheid und kann dann ganz schnell twittern "Ich hab's dir doch gesagt!".Meine Eltern haben mir bis ich 18 war nicht die Möglichkeit gegeben ich selbst zu sein, mich frei zu entfalten.
Schau dich mal um. Was für Menschen begegnest du Tag für Tag? Was machen die mit ihrem Leben so und warum? Welche Motivation steckt dahinter? Frag mal nach. Sehr interessant was da teilweise für Entscheidungen getroffen wurden/werden und meist hängt das immer irgendwie mit Eltern oder anderen Bezugspersonen zusammen. Weil man diese nicht enttäuschen will, weil man ihnen etwas beweisen will, usw.
In meinem Studium gibt es enorm viele Leute die entweder aus Gehaltsgründen diesen Pfad eingeschlagen haben oder weil sie sonst nichts gefunden haben, was sie annähernd interessiert hätte. Wenn ich dann sage, dass mich das alles in Theorie/Praxis ungemein interessiert, ich das alles verstehen und ergründen will bis ins letzte Detail, fallen die Leute aus allen Wolken - weil sie sich nicht vorstellen können, dass einem etwas so viel Freude bereitet, dass man es studieren möchte und das restliche Leben innerhalb dieses Fachgebiets bleiben möchte. Manch einer von denen, die sich wegen Geld oder Alternativlosigkeit dafür entschieden haben sind schon viel früher ausgeschieden, aber diejenigen die jetzt an der Promotion sitzen, die kotzen ohne Ende weil sie absolut keine Lust mehr haben und einfach nur noch weg wollen aus der Forschung und lieber irgendwo in nem Büro sitzen und anderen Leuten Aufgaben erteilen möchten.
Also, wer ist hier wirklich frei und trifft Entscheidungen von einem inneren Bedürfnis heraus, bei dem es primär darum geht tatsächlich glücklich zu sein und sich frei entfalten zu können?
Diese Selbst-Stigmatisierung und Hervorhebung des eigenen Leids aufgrund erfahrungs/erziehungsbedingter Umstände ist vllt ganz nett, wenn man sich allein darüber definieren möchte. Wenn man sich stets immer nur als die Summe seiner Erfahrungen betrachten möchte und es dabei belassen möchte, dann bist du ebenfalls auf dem richtigen Weg. Aber dann solltest du dich auch damit abfinden, dass sich dahingehend nichts mehr ändern wird. Es sei denn du hast mal den Mut diese alten, sicherlich auch unschönen Geschichten abzustreifen. Du kannst dich nämlich selbst gestalten. Nur du bestimmst die Regeln deines Lebens, nur du kannst dir selbst Grenzen setzen oder sie sie beiseite schieben. Daran wird eine Beziehung auch nichts ändern. Eine Beziehung kann immer nur so gut/schön sein, wie du es durch dich selbst zulässt. Wenn du allein nicht glücklich sein kannst, wenn du allein nicht entscheiden kannst, wenn du allein nicht du sein kannst - dann wird ein anderer Mensch sich entweder erst gar nicht darauf einlassen oder irgendwann die Geduld verlieren und sich eine konfliktfreiere Beziehung suchen. Denn: wir entscheiden selbst was wir wollen - oder sollten es zumindest, denn nur das ist gesund.