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Moto X4 im Test

Auch ohne Alexa ein gutes Gesamtpaket

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Kaum eine Smartphone-Reihe hat eine derart wechselhafte Entwicklung hinter sich wie das Moto X. Mit der nun vierten Generation, die Lenovo und Motorola schlicht als Moto X4 bezeichnen, soll wieder Ruhe einkehren. Dabei verlässt man sich auf eine Mischung aus Bewährtem und Angesagtem, ohne jedoch das Niveau der ersten beiden Generationen zu erreichen. Denn spielten die noch in der Oberklasse, muss das Moto X4 im mittleren Preissegment Käufer finden. Helfen könnte eine Moto-Tugend, auf die noch aber verzichtet werden muss.

Dass das Moto X etwas Besonderes ist, liegt an der Entwicklung Motorolas in den letzten Jahren. Unmittelbar nach der Übernahme durch Google kamen Gerüchte rund um ein neues Android-Flaggschiff auf, das die Kalifornier als Aushängeschild für ihre Plattform nutzen wollten. Im Sommer 2013 wurde die erste Generation schließlich vorgestellt. Ausgestattet mit der sogenannten Motorola X8 Mobile Computing Platform, die lediglich eine leicht angepasste Version des Qualcomm S4 Pro war, dem Moto Maker und anderen Neuerungen sollte die namhafte Konkurrenz unter Druck gesetzt werden. Das gelang phasenweise auch, im Test konnte das Moto X überzeugen.

Ein Jahr später erfolgte der Generationswechsel. Das Moto X (2014) wurde in vielen Punkten wie Leistung, Display und Kamera verbessert, schnitt am Ende aber schlechter als der Vorgänger ab. Das sowie der zwischenzeitliche Verkauf an Lenovo dürften für einen drastischen Kurswechsel gesorgt haben. Denn anstelle eines echten Nachfolgers wurden im Sommer 2015 gleich zwei neue Modelle vorgestellt. Das Moto X Style sollte den Kontakt zur Oberklasse halten, das Moto X Play hingegen die Tugenden der Reihe in die Mittelklasse bringen. Der Ergebnisse fielen durchwachsen aus: Während das Moto X Style im Test in weiten Teilen gut abschnitt, letztlich aber beim Thema Display nicht überzeugen konnte, entpuppte sich das Moto X Play im Test als Mogelpackung.

Zwei Jahre später folgt nun das Moto X4, das offiziell zwar beide Vorgängern ablöst, preislich und technisch aber eher ein neues Moto X Play ist. Zwei Punkte machen das deutlich: Der verbaute Snapdragon 630 sowie eine UVP in Höhe von 349 Euro, die zum Zeitpunkt des Tests (Ende November) von keinem Händler spürbar unterschritten wurde.

Das schickste Motorola-Smartphone

Optisch hat das Moto X4 hingegen nichts mit seinen Vorgängern zu tun. Stattdessen bedient man sich der Design-Grundlage, die auch bei den aktuellen Moto-Z-Modellen, aber auch beim Moto G5S (Test) zum Einsatz kommt. Das bedeutet: Die Rückseite wird von Kamera inklusive Kamera-Buckel dominiert, auf der Front fällt der Fingerabdrucksensor unterhalb des Displays auf.

Doch im Detail gibt es beim 148,4 x 73,4 x 9,5 mm großen Gehäuse Abweichungen, die für ein gewisses Maß an Eigenständigkeit sorgen. Das gilt vor allem für die gläserne und leicht gebogene Rückseite, die ähnlich wie bei HTCs Liquid-Surface-Design je nach Lichteinfall mit interessanten Effekten überrascht. Aber auch der seitlich umlaufende Rahmen ist anders geformt und sorgt für einen optisch fließenden Übergang von Vorder- und Rückseite - Samsung stand hier mehr als deutlich Pate.

Insgesamt wirkt die Optik des Moto X4 allerdings etwas unstimmig. Wirkt die Rückseite noch schlicht und aufgeräumt, kann die Front durchaus als zerklüftet bezeichnet werden. Zu guter Letzt wirken die drei am rechten Rand untergebrachten Tasten für Lautstärke und Standby etwas zu klein.

Während das lediglich eine Frage des eigenen Geschmacks ist, gibt es bezüglich der Ergonomie nur wenig Spielraum für Diskussionen. Das Smartphone liegt gut in der Hand, ist mit 163 g nicht zu schwer für seine Größe, lässt sich mit nur einer Hand aber nicht bedienen. Grund hierfür ist nicht nur die Display-Diagonale von 5,2 Zoll, sondern auch die schlechte Ausnutzung der Front. Hier nimmt die Anzeige nicht einmal 69 % ein - ein schlechter Wert. In der Praxis fällt der nutzbare Teil sogar noch geringer aus, da Motorola erneut auf On-Screen-Tasten setzt. Dabei wäre unterhalb des Displays mehr als genügend Platz.

Hinsichtlich der Verarbeitung gibt es hingegen kaum Verbesserungsmöglichkeiten. Denn abgesehen von einem nicht ganz bündig abschließenden SIM-Kartenträger fällt nichts Negatives auf. Auch der Übergang zwischen Aluminiumrahmen und gläserner Rückseite ist gelungen, unterschiedliche Spaltmaße oder fühlbare Übergänge gibt es hier nicht.

Den versehentlichen Sturz ins Waschbecken oder einen Regenschauer dürfte das Moto X4 unbeschadet überstehen: Das Gehäuse ist gemäß IP68 geschützt.

Viel Ausstattung für die Mittelklasse

Dem eigenen Design ist es zu verdanken, dass sich das Moto X4 schon auf den ersten Blick vom Schwestermodell Moto G5S unterscheidet. Denn das Display könnte das gleiche sein - wären da nicht die abweichenden Messwerte. Mit 5,2 Zoll und 1.920 x 1.080 Pixeln stimmen Größe und Auflösung überein, mit 428 cd/m² ist die Anzeige des Moto X4 aber sichtbar dunkler. In den meisten Fällen reicht die Helligkeit für problemloses Ablesen aus, in hellen Umgebungen wird es hingegen schwierig.

Die Farbdarstellung ist insgesamt gut, mit durchschnittlich 8.400 Kelvin gibt es aber einen klaren Blaustich. Leider verzichtet Motorola wie schon beim Moto G5S auf eine manuelle Anpassbarkeit, lediglich zwischen zwei Voreinstellungen kann gewählt werden. Die haben allerdings lediglich auf die Farbsättigung und den Kontrast Auswirkungen. Letzerer liegt bei 1.507:1 - für ein IPS-Panel ein guter Wert.

Dass das Moto X4 auf gleich zwei unterschiedliche positionierte Modelle folgt, offenbart die Ausstattungsliste. Denn laut der bewegt sich die neue Generation zwischen Mittelklasse und oberer Mittelklasse - in einigen Punkten kommt man selbst der Oberklasse nahe.

Für vieles maßgeblich ist der verbaute Snapdragon 630. Der seit Mitte 2016 verfügbare SoC, der unter anderem im ASUS ZenFone 4 (Test) steckt, setzt auf acht Cortex-A53-Kerne, die bis zu 2,2 GHz erreichen, sowie eine Adreno 508. Fester Bestandteil des im 14-nm-LPP-Verfahren gefertigten Chips sind aber ebenso ein WLAN-Modul mit ac-Unterstützung sowie die Hardware-seitigen Vorbereitungen für Bluetooth 5; mangels Treiber bietet das Moto X4 derzeit lediglich Bluetooth 4.2. NFC kann ebenfalls genutzt werden, gleiches gilt für LTE-Netze. Allerdings ist das X12-Modem gedrosselt: Motorola belässt es bei Cat 13 im Down- und Cat 5 im Uplink, was maximale Datenraten von 400 und 75 MBit/s bedeutet. Ein Stück weit ungenutzt bleiben aber auch die USB-Fähigkeiten des SoCs. Während der USB Typ-C im Zusammenspiel mit USB 3.1 Gen 1 anbietet, nutzt das Moto X4 lediglich das langsamere USB 2.0 - immerhin in Kombination mit einer Typ-C-Buchse.

Beim Telefonieren sorgen die Lautsprecher und gleich drei Mikrofone für eine hohe Gesprächsqualität - auch dank der guten Unterdrückung störender Nebengeräusche. Ungewöhnliche Verbindungsabbrüche oder Netzwechsel waren im Testverlauf nicht zu beobachten. Dank Dual-SIM-Funktion können zwei SIM-Karten gleichzeitig verwendet werden, nur eine kann sich jedoch in LTE-Netze einwählen. Zudem geht dann die Möglichkeit der Speichererweiterung verloren. Das dürfte allerdings für so manchen verschmerzbar sein, bietet das Moto X4 doch 32 GB internen Speicher; der RAM fällt 3 GB groß aus. Einen zweiten Lautsprecher gibt es nicht, die Freisprechfunktion greift auf das Modell oberhalb des Displays zurück. Das erreicht eine hierfür mehr als ausreichende Lautstärke und bleibt lange Zeit frei von Verzerrungen, ist aber vor allem auf hohe und mittlere Frequenzen ausgelegt.

In puncto Leistung landet das Moto X4 ganz klar in der Mittelklasse. Rund 16.000 Punkte im 3DMark (Ice Storm Unlimited) und gut 70.000 Punkte in AnTuTu 6 zeigen, dass das Smartphone für die alltäglichen Aufgaben gut gerüstet ist, sich aber eher nicht als mobile Spielekonsole eignet. Vor allem dann nicht, wenn die GPU besonders gefordert ist. Wie schon im ASUS ZenFone 4 ist die es, die am ehesten zum Flaschenhals wird. Mit Browser, Mail-Client, Facebook und Co. hat das Moto X4 allerdings keine Mühe. Diese und vergleichbare Anwendungen laufen flüssig und werden schnell geladen. Dabei ist der eMMC-Speicher mit etwa 160 und 100 MB/s in der Spitzen beim Lesen und Schreiben angesichts der Preisklasse weder besonders schnell noch langsam.

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