TEST

AMD Ryzen Threadripper 3990X im Test

Mit 128 Threads auf den Multi-Threaded-Thron - 128 Threads stoßen auf Probleme

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Für den High-End-Desktop ist der AMD Ryzen Threadripper 3990X ein echtes Unikat, das auf dem Papier mit seinen 64 Kernen und 128 Threads zwar die Tabellen klar anführt, in der Praxis seine Nutzer jedoch vor Probleme stellt. 

Um die Leistungsfähigkeit in der Praxis tatsächlich ausschöpfen zu können, empfiehlt AMD das System pro CPU-Kern mit ein oder gar zwei Gigabyte auszurüsten, was in der Summe in 64 bzw. 128 GB RAM resultiert. Außerdem sollten schnelle NVMe-SSDs eingesetzt werden, um die I/O-Leistung nicht zum Flaschenhals werden zu lassen. Doch auch so ist es schwer, den AMD Ryzen Threadripper 3990X vollständig ausreizen zu können, denn während man den AMD Ryzen Threadripper 3970X mit seinen 32 Kernen noch problemlos mit Arbeit versorgen kann, kann man beim neuen Topmodell vereinzelt auf Probleme stoßen. Viele Benchmark-Tools lasten maximal 64 logische Kerne aus oder benötigen zunächst ein Update, andernfalls liegt der Großteil der Kerne ungenutzt brach, womit Leistung verschenkt wird.

Der Grund kann jedoch auch das Betriebssystem sein. Zwar unterstützen die 64-Bit-Versionen von Microsoft Windows 10 oder Windows Server 2008 R2 und höher mehr als 64 logische Kerne, jedoch werden diese in Gruppen zusammengefasst, um die Aufgaben besser verteilen zu können. Ein logischer Kern kann ein eigenständiger Prozessor im Sockel, ein echter CPU-Kern oder ein SMT-Thread sein.

Beim Systemstart erstellt das Betriebssystem diese Prozessorgruppen und weist den Gruppen logische Prozessoren zu, wobei jeweils 64 logische Prozessoren zusammengefasst werden. Dabei soll das System für eine bessere Leistung jeweils nah beieinander liegende CPUs und Kerne zusammenfassen, was bedeutet, dass möglichst alle physischen Kerne einer CPU derselben Gruppe zugewiesen werden, genau wie alle logischen Kerne. Ein NUMA-Knoten wäre beispielsweise favorisiert einer Gruppe hinzuzufügen, es sei denn die Anzahl des Knotens überschreitet die maximale Gruppengröße. 

Prozessoren mit weniger als 64 logischen Prozessoren werden so zu einer einzelnen Gruppe zusammengefasst, wie dies beispielweise beim Ryzen Threadripper 3970X oder mit allen anderen, weniger kernstarken CPU-Modellen der Fall ist. Beim Ryzen Threadripper 3990X mit seinen insgesamt 128 Threads sind es jedoch zwei. 

Auf Systemen mit 64 oder weniger Prozessor-Kernen funktionieren vorhandene Anwendungen stets ordnungsgemäß, da Windows alle Aufgaben ohnehin nur einer Gruppe zuweisen kann. Bei zwei Gruppen werden die Aufgaben hingegen im Wechsel zwischen der ersten und zweiten Gruppe zugewiesen. Damit arbeitet jedoch immer nur eine Gruppe. Um also mehr als eine Gruppe ansprechen zu können, müssen die Anwendungen darauf ausgelegt und angepasst werden. Das Betrifft teilweise auch Programme aus unserem Benchmark-Parcours.

Ein Beispiel ist der Handbrake-Benchmark, bei dem wir hochauflösendes 4K-Material auf Full HD heruntercodieren. Hier wird lediglich nur eine Prozessorgruppe angesprochen, womit jeweils nur maximal 64 Kerne im Wechsel genutzt werden. Damit gibt es gegenüber dem Ryzen Threadripper 3970X kein Leistungsplus. Im Gegenteil: Aufgrund der niedrigeren Taktraten braucht der Ryzen Threadripper 3990X hier sogar fast eine Dreiviertelminute länger. Gleiches gilt für unseren Compile-Benchmark, der ebenfalls nur auf maximal 64 Kerne ausgelegt ist und damit kein Leistungsplus mit sich bringt. Teilweise kann es aber auch zu Abstürzen und Fehlern kommen. 

Handbrake

UHD Demo Nature

Sekunden
Weniger ist besser

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Möglichst viele Anwendungen einfach parallel laufen zu lassen, bringt durch die Gruppen-Zuordnung von Windows im Übrigen wenig, da die Aufgaben im stetigen Wechsel auf die beiden Gruppen zugeteilt werden und so wiederum nur maximal 64 Kerne ausgelastet werden – sofern die Anwendung natürlich nicht entsprechend optimiert wurde. Ein manuelles Zuordnen von Anwendungen an bestimmte CPU-Gruppen ist in der neuesten Version von Windows 10 nicht möglich. Vielleicht wird Microsoft eine solche Funktion mit einer der kommenden Versionen nachliefern.

Ob man jetzt die 64-Bit-Version von Windows 10 Home, die teurere Pro-Version oder gar die Enterprise-Variante einsetzt, das spielt bei der Gruppen-Zuordnung keine Rolle, wie die Kollegen von Tomshardware US in zahlreichen Versuchen festgestellt haben. 

Wer sich für den AMD Ryzen Threadripper 3990X entscheidet, der muss nicht nur seine Hardware-Anforderungen genau kennen, sondern auch seine Software. Denn trotz hoher Rechenaufgaben kann es sein, dass diese nicht mehr als 64 logische Kernen ansprechen kann oder man erst auf eine neue, teils kostenpflichtige Version aktualisieren muss.