Die Problematik
Nach wie vor ein aktuelles Gesprächsthema, wenn es um das Overclocking von CPUs und die dabei entstehende hohe und hinderliche Abwärme der CPU-Kerne geht, ist das Köpfen (englisch „Delid“) der CPU. Seit Einführung der dritten Generation der Core-Prozessoren unter dem Codenamen Ivy Bridge verlötet Intel den integrierten Heatspreader und das Prozessor-Die nicht mehr, sondern setzt auf ein eigenes und weniger wärmeleitfähiges TIM (Thermal Interface Material).
Um die Problematik umfassend zu verstehen, gilt es zunächst einige Begriffe zu klären und den Aufbau einer CPU zu verstehen. Folgende Skizze soll dabei behilflich sein:
Eine CPU besteht aus mehreren Komponenten. Das PCB ist die Platine, auf der das Herz der CPU, das Die, verbaut ist. Im PCB selbst verlaufen viele hoch sensible Leiterbahnen, daher gilt es beim Köpfen das PCB möglichst nicht zu beschädigen - ansonsten ist es sehr wahrscheinlich, dass die CPU bzw. Teile dieser im Anschluss nicht mehr korrekt funktionieren.
Damit die Wärme, die das Prozessor-Die bei Last produziert, effektiv abgeführt werden kann, besitzt die CPU den IHS (Integrated Heat Spreader). Dieser soll zum einen den hochempfindlichen Die schützen, aber auch die Wärme gleichmäßig und passgenau an die Bodenplatten der Kühler abführen. Der Zwischenraum zwischen Die und IHS wird mit TIM (Thermal Interface Material), also einer Wärmeleitpaste, überbrückt.
Genau hier liegt also das große Problem, das ursächlich für die deutlich schlechteren Temperaturen ist, mit denen die Nutzer seit „Ivy Bridge“ leider zu kämpfen haben. Bei der Vorgängergeneration mit dem Codenamen Sandy Bridge waren Die und IHS nämlich noch verlötet. Diese Verbindung hatte einen sehr hohen Wärmeleitkoeffizienten und sorgte so dafür, dass die Wärme effektiv an den IHS und somit an den CPU-Kühler abgegeben werden konnte. Da das von Intel seit „Ivy Bridge“ verwendete Material, obwohl es zwischenzeitlich schon etwas verbessert wurde, eine deutlich schlechtere Wärmeleitfähigkeit besitzt, kämpfen Nutzer leider seither mit deutlich erhöhten Kerntemperaturen und somit auch mit einer schlechteren Übertaktbarkeit der Prozessoren.
Abhilfe durch Köpfen/Delid der CPU
Abhilfe gegen die beschriebene Problematik schafft also nur der Tausch des von Intel original verwendeten TIM durch ein anderes TIM mit besserer Wärmeleitfähigkeit, im besten Falle einer Flüssigmetallpaste wie z.B. der Coollaboratory Liquid Ultra, der Phobya LM oder neuerdings auch der Thermal Grizzly Conductonaut. Diese Lösung ist aber brutal und nicht gänzlich ohne Risiko: Im Endeffekt "zerbricht" man die CPU in zwei Teile, löst also den Deckel/IHS vom PCB, um auf diese Weise Zugang zum TIM unterhalb des Heatspreaders zu erhalten.
Um dies zu ermöglichen, gilt es zunächst die zwischen IHS und PCB bestehende Silikonverbindung zu trennen. Dazu gibt es mehrere Methoden, die wir hier nur in aller Kürze vorstellen wollen. Interessenten können sich gerne in unserem Sammelthread Intel Ivy Bridge/Haswell/Skylake geköpft - Erfahrungen ohne HS/mit gewechseltem TIM weiter informieren, denn besagter Thread ist seit über vier Jahren Anlaufstelle für viele User, die ihre CPU „enthaupten“ möchten, um dadurch von den deutlich besseren Temperaturen profitieren zu können. Dieser enthält nicht nur nähere Hinweise zum Ablauf, sondern auch diverse Erfahrungsberichte und vermittelt somit ein fundiertes Wissen rund um den Vorgang selbst.
Zum Entfernen des Heatspreaders gibt es verschiedenen Methoden, die wir an dieser Stelle in Form von drei Videos vorstellen möchten. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es allerdings bei allen Methoden nicht, auch wenn die speziell zu diesem Zwecke entwickelten Tools den Vorgang sicherer denn je gestalten. Die Methoden benötigen dennoch Gefühl, geschickte Hände und auch etwas Mut, um die CPU letztendlich unbeschadet "köpfen" zu können. Alle Änderungen und Eingriffe an euren CPUs geschehen natürlich komplett auf eigene Gefahr, weder der Autor dieses Artikels noch Hardwareluxx werden in irgendeiner Weise dafür haften, sollten CPUs durch Nachmachen dieser Eingriffe permanent beschädigt werden. Und die Wahrscheinlichkeit hierfür ist durchaus gegeben!
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Das Köpfen mit dem Schraubstock ist eine einfache Methode, die nur einen möglichst schweren Schraubstock, ein Stück Holz sowie einen Hammer erfordert. Mit entsprechendem Feingefühl und etwas Vorbereitungszeit kann die CPU mit dieser Methode innerhalb von weniger als zwei Minuten enthauptet werden, ohne mit einer spitzen und furchteinflößenden Klinge an das PCB zu müssen. Doch ungefährlich ist natürlich auch diese Methode nicht, da gerade das PCB der Skylake- und Kaby-Lake-Prozessoren deutlich dünner geworden ist. Entsprechend sollte nicht zu viel Wucht auf das PCB ausgeübt werden, da dieses deutlich leichter kaputt zu kriegen ist, als es das PCB der Vorgängergenerationen Ivy Bridge und Haswell noch war.
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Eine weitere Methode ist das klassische Köpfen mit einer sehr dünnen Klinge, meist einer Rasierklinge oder einer Ersatzklinge für einen Glaskeramik-Schaber. Bei dieser Methode kommt es sehr auf das Fingerspitzengefühl und die handwerkliche Begabung an, da schon ein leichtes Verkanten der Klinge meist einen Schnitt ins PCB nach sich zieht und somit den Defekt der CPU bedeutet. Wie das Köpfen mit einer Rasierklinge aussieht, zeigt der OC-Experte Roman „der8auer“ Hartung in seinem uns zur Verfügung gestellten Video.
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Speziell zu diesem Zwecke entwickelte Tools, die den Köpfvorgang sicherer und leichter denn je gestalten sollen, gibt es inzwischen zahlreich. Eines der ersten und immer noch beliebtesten Tools ist das von Roman „der8auer“ Hartung entwickelte Delid Die Mate, das wir im letzten Jahr ebenfalls schon getestet und für sehr nützlich befunden haben. Unser Nutzer Stullen Andi zeigt im oben eingebundenen Video, wie der komplette Köpfvorgang mit dem Delid Die Mate abläuft und die CPU anschließend mit neuem TIM versehen und abschließend präpariert wird.
Weitere Einblicke in den Ablauf und das Innenleben einer Kaby-Lake-CPU gibt außerdem unsere Fotostrecke zum Köpfen/Delid:
Ergebnisse
Um zu untersuchen ob sich die Kerntemperaturen durch den Eingriff signifikant verbessern und sich dadurch auch die Overclocking-Möglichkeiten optimieren lassen, haben wir den hitzigsten Probanden - die CPU mit der Batch L644G993 - enthauptet und weiteren Tests unterzogen.
Um die Auswirkungen auf die Temperaturen bestmöglich untersuchen zu können lief die CPU während dieser Tests mit einem Takt von 4,9 GHz und einer Kernspannung von 1,328 V.
Folgende Auswirkung auf die Temperaturen konnten wir feststellen:
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Der Kerntemperaturen sind durch den Eingriff also, unter Berücksichtigung und Einberechnung der Raumtemperatur, im Durchschnitt um ganze 22,25 °C zurückgegangen! Ein beachtliches Ergebnis, das sogar noch deutlicher ausfällt, als dies letztes Jahr beim i7-6700k der Fall war (dort konnten wir eine Differenz von 17 °C feststellen). Doch haben die gesunkenen Temperaturen erneut eine Auswirkung auf die Übertaktbarkeit des Prozessors und den Verbrauch?
Die benötigte Kernspannung ist also um 32 mV von 1,328 V auf 1,296 V gesunken und der Verbrauch des Gesamtsystems ist ebenfalls von 168 W auf nur noch 157 W gesunken.
Weiterhin war es nach dem Eingriff möglich die CPU mit einer Kernspannung von 1,376 V bei einem Verbrauch von 179 W stabil auf 5,0 GHz zu betreiben.
Ob sich das Risiko und der Garantieverlust für die gesunkenen Temperaturen, den leicht gesunkenen Verbrauch und das leicht gestiegene Übertaktungspotential lohnen, muss im Endeffekt jeder Nutzer für sich selbst entscheiden. Eine allgemeingültige Aussage kann dazu an dieser Stelle erneut nicht getroffen werden.