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Endlich wieder ein Duell auf Augenhöhe

Radeon RX 6800 und Radeon RX 6800 XT im Test - Fazit

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Auch wenn AMD bei den GPUs in den vergangenen Jahren immer mal wieder auf Augenhöhe mit NVIDIA agieren konnte, so musste man doch immer einige Einschränkungen machen. Die erste Navi-Generation konnte nur im Preisbereich von 400 Euro und darunter überzeugen. Unterhalb der zwei Modelle kämpfte man mit einer, in die Jahre gekommenen Radeon RX 590. Leuchtturmprojekte wie die Radeon VII konnten allenfalls kurzzeitig für Aufmerksamkeit sorgen. NVIDIA bot dies vor allem im oberen Preissegment eine freie Spielwiese, auf der sie sich austoben konnten. Ohne eine echte Konkurrenz stellen sich dabei natürlich einige Nachteile für die Käuferschaft ein – hohe Preise zum Beispiel.

Die Ankündigung zu Big Navi war vielversprechend. Aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre muss man bei AMD aber vorsichtig sein, denn allzu oft konnte die Radeon Technologies Group diese Versprechen am Ende nicht einhalten. Mal war die Auslegung der GPU nicht ideal, mal konnte man die Rohleistung der Karte nicht in FPS umsetzen. Die RDNA-Architektur bzw. die Radeon-RX-5700-Serie stellte ein neues Fundament auf, denn klar war, eine GPU mit 2.560 Shadereinheiten wird nicht das Ende in der Entwicklung der 7-nm-GPUs bei AMD gewesen sein. Big Navi macht seinem Namen alle Ehre und verdoppelt den Ausbau für die Radeon RX 6900 XT auf 5.120 Shadereinheiten. Theoretisch sehen wir hier also schon einmal eine Verdopplung der Leistung. Nun kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: die RDNA-2-Architektur. Diese bietet in ihrer Auslegung auf höhere Taktraten, Design-Änderungen für eine höhere Effizienz und die IPC-Verbesserungen ein zwischen 54 und 65 % besseres Leistung/Watt-Verhältnis – ein gigantischer Schritt. Bei NVIDIA sieht dies von Turing zu Ampere ganz ähnlich aus, allerdings muss man bei der Effizienz einige Abstriche machen, denn NVIDIA hat die Leistungsaufnahme der GPUs deutlich weiter hochgedreht.

Radeon RX 6800

Die Radeon RX 6800 ist in den meisten Spielen und dazugehörigen Auflösungen schneller als die GeForce RTX 3070. Mal liegt man auf Augenhöhe, mal beträgt das Plus gute 20 % und hin und wieder sind sogar mehr als diese 20 % möglich und die Radeon RX 6800 kommt an eine GeForce RTX 3080 heran. Generell lässt sich feststellen, dass vor allem die höheren Auflösungen (1440p und 4K) den Radeon-Karten zugutekommen. Dies könnte am üppigen Grafikspeicher liegen, aber auch der Infinity Cache kann seine Stärken mit höheren Auflösungen ausspielen.

Allerdings genehmigt sich die Radeon RX 6800 in der Leistungsaufnahme etwas mehr als das NVIDIA-Gegenstück, was die Mehrleistung aber wieder kompensiert. Wirklich überzeugen kann die neue Referenzkühlung von AMD. Der Wechsel vom Blower- auf ein Axialdesign plus die entsprechend gute Auslegung der Kühlung scheint sich zu lohnen. Wir sehen bei der Radeon RX 6800 Temperaturen im Bereich von 65 °C, die somit unproblematisch sind. Zugleich aber liegt die Lautstärke in einem Bereich, den wir eher von guten Einsteiger-Karten mit entsprechend niedriger Abwärme kennen. Hier ist AMD ein absoluter Glücksgriff gelungen, denn leiser war eine Grafikkarte in diesem Leistungsbereich in unseren Tests noch nicht. Hinzu kommt, dass AMD auch einen semipassiven Modus umgesetzt hat, so dass die Karte im Idle-Betrieb lautlos ist.

Der Preis von 579 Euro klingt auf den ersten Blick etwas viel. Allerdings ist derzeit auch keine GeForce RTX 3070 für 500 Euro zu haben und selbst dann ist eine Radeon RX 6800 mit der Leistung fair positioniert. Hinzu kommt, dass hier 16 anstatt 8 GB an GDDR6-Speicher geboten werden. Diese mag man in der Leistungsklasse für nicht zwingend notwendig halten, allerdings zeigen die guten Ergebnisse bei hoher Auflösung durchaus die Vorteile dieser Entscheidung - und sicherlich wäre es für AMD keine Alternative gewesen, hier auf 8 GB zurückzugehen. Nun muss die Radeon RX 6800 nur noch in ausreichenden Stückzahlen für 579 Euro erhältlich sein.

Positive Aspekte der AMD Radeon RX 6800:

  • schneller als eine GeForce RTX 3070
  • 16 GB Grafikspeicher
  • extrem leise unter Last
  • semipassive Kühlung

Negative Aspekte der AMD Radeon RX 6800:

  • Raytracing noch problembehaftet
  • etwas zu hohe Leistungsaufnahme

Radeon RX 6800 XT

Die Radeon RX 6800 XT hat die GeForce RTX 3080 als Gegenspieler und dieses Mal sehen wir auch einen Kampf auf Augenhöhe, denn anders als die Radeon RX 6800 von der GeForce RTX 3070 kann sich die Radeon RX 6800 XT nicht von der GeForce RTX 3080 absetzen. Wir sehen einmal mehr eine gewisse Abhängigkeit vom jeweiligen Spiel und je nachdem haben AMD oder NVIDIA hier die Nase vorn.

Dieser Kampf auf Augenhöhe setzt sich auch bei der Leistungsaufnahme fort, denn die GeForce RTX 3080 Founders Edition und Radeon RX 6800 XT kommen auf einen in etwa identischen Verbrauch. Den Vorteil der besseren Kühlung hat wieder AMD auf seiner Seite. Zwar steigt die GPU-Temperatur auf 77 °C, aber auch damit kommt der Kühler problemlos zurecht und bleibt ebenfalls extrem leise. Auch hier sprechen wir von einer Lautstärke, die wir in diese Leistungsklasse bisher nicht bewundern konnten. Das Abschalten der Lüfter ist ein weiterer Pluspunkt, wird es den Partnern mit ihren Karten aber schwer machen sich im Bereich der Kühlung besser aufzustellen, als dies AMD bereits gelungen ist.

Preislich setzt AMD für die Radeon RX 6800 XT 649 Euro an – 50 Euro weniger als NVIDIA für die GeForce RTX 3080. Anhand der Leistung passt dies, aber AMD kann auch hier mit den 16 GB Grafikspeicher punkten. Wenngleich dies in den Benchmarks kein ausschlaggebender Faktor sein muss, so sorgt ein großer Grafikspeicher doch immer für ein gutes Gefühl. Auch beim Preis wird man nun aber schauen müssen, ob AMD und die Partner ausreichende Stückzahlen werden liefern können. Dies wird das große Fragezeichen für den Start von Big Navi sein.

Positive Aspekte der AMD Radeon RX 6800 XT:

  • auf Augenhöhe mit einer GeForce RTX 3080
  • 16 GB Grafikspeicher
  • extrem leise unter Last
  • semipassive Kühlung

Negative Aspekte der AMD Radeon RX 6800 XT:

  • Raytracing noch problembehaftet

Raytracing und Radeon/Ryzen-Plattform-Funktionen

Abseits der üblichen Bewertungskriterien gibt es noch ein paar weitere Punkte, über die man im Zusammenhang mit der Radeon-RX-6800-Serie sprechen kann. Die Rasterization-Leistung ist mindestens auf Augenhöhe mit dem, was NVIDIA derzeit liefern. Aber AMD unterstützt mit der RDNA-2-Architektur auch das DXR-Raytracing. Sind die dazugehörigen Effekte der Grund für den Kauf einer neuen Grafikkarte, muss man bei den Big-Navi-Karten noch einige Einschränkungen machen. Je nach Spiel und Umfang der DXR-Effekte bricht die Leistung bei den Radeon-RX-6800-Karten stärker ein, als dies bei NVIDIA und den Ampere-Modellen der Fall ist. Teilweise sehen wir nur noch ein Drittel oder ein Viertel der ursprünglichen FPS, sobald die Effekte hinzukommen. In einigen Spielen bleibt man aber auch hier auf Augenhöhe mit NVIDIA. Control und Battlefield V sind für AMD einige Negativbeispiele, in Call of Duty, DIRT 5 und Watch Dogs Legion hingegen sieht es besser aus.

Offenbar ist AMD in der Entwicklung der Schnittstelle auch noch nicht so weit, wie man sein müsste. So fehlen in Watch Dogs Legion teilweise Raytracing-Effekte, ob diese gar nicht berechnet oder nur am Ende nicht dargestellt werden, bleibt offen. In DIRT 5 mit Raytracing hatten wir mit einigen Abstürzen zu kämpfen. AMD wird hier noch an der Software arbeiten müssen – leider ein Problem, welches wir von AMD in der Vergangenheit schon häufiger gesehen haben.

NVIDIA kompensiert die geringeren FPS durch das DLSS, welches inzwischen eine Bildqualität bietet, die über dem Niveau des nativen Renderings liegt. Diesen Vorteil kann NVIDIA an dieser Stelle ausspielen, während man bei AMD noch auf eine entsprechende Funktion warten muss.

Bei den Plattform-Funktionen wie dem Rage Mode und dem Smart Access Memory können wir die Erwartungen ebenfalls nur teilweise bestätigen. Der Rage Mode bringt ein nur kleines Leistungsplus, die Karte wird aber deutlich lauter und verbraucht auch viel zu viel, als dass es das Leistungsplus wert wäre. Der Smart Access Memory zeigt in einigen Spielen gar keinen Effekt, in einigen ist das System damit sogar langsamer und manche Spiele eben auch schneller.  Dabei ist das Leistungsplus mit bis zu 10 % gar nicht so klein, allerdings muss man hier anwendungsspezifisch festlegen, ob man SAM nutzen möchte oder nicht. Die Funktion kann allerdings nur im BIOS ein- oder ausgeschaltet werden. Spielt man also einen Titel der von SAM profitiert, der andere aber zeigt eine geringere Leistung, müsste man immer ins BIOS und den Resizeable-BAR-Support ein- oder ausgeschalten.

Die Verfügbarkeit wird der Knackpunkt sein

NVIDIA hat in den vergangenen Wochen alles versucht, um so viele Karten wie möglich zu verkaufen. Dennoch sind die Modelle, Stand heute, noch immer nur schwer erhältlich und wenn, dann weitab von der unverbindlichen Preisempfehlung. Dies bietet für AMD theoretisch die Möglichkeit nicht nur die durch die Tests überzeugten Radeon-Käufer für sich zu gewinnen, sondern auch den frustrierten, potenziellen GeForce-Käufer. Dazu aber muss man ausreichende Stückzahlen liefern können und im bereits im Vorfeld deutete sich an, dass AMD hier ähnliche Probleme wie NVIDIA haben könnte. Zwar haben sich die Hersteller auf ein übliches Volumen an Karten für einen solchen Produktstart eingestellt, der Bedarf ist allerdings um ein Vielfaches höher, als man dies erwartet hat.

Die MBA-Karten bzw. das Referenzdesign wird von den AMD-Partnern wie ASUS, ASRock, Gigabyte, MSI, PowerColor, Sapphire und XFX ab heute angeboten werden. Diese versehen die Karten allenfalls noch mit einem eigenen Logo auf der Lüfternabe und schon können diese Karten in den Verkauf. Die Custom-Modelle werden in einigen Tagen (wohl gegen Ende November) folgen. Wie groß die Stückzahlen sind und wie sich der Preis entwickelt, wird nun sicherlich die spannende Frage sein.